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Detlef Seif: Nach der monatelangen Blockade ist nun endlich der Gordische Knoten durchgeschlagen worden

Rede in der Aktuellen Stunde zum Brexit

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Bei den Brexit-Verhandlungen stellen sich aktuell die Fragen: Ist ausreichender Fortschritt in den Verhandlungen erzielt worden? Soll der Europäische Rat am Freitag den Weg für weitere Verhandlungen über das zukünftige Verhältnis zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union eröffnen? An dieser Stelle ist zunächst festzustellen, dass sich die Einteilung in zwei Phasen als richtig erwiesen hat.

Großbritannien hat sich in der Vergangenheit immer als knallharter Verhandlungspartner erwiesen, hat ständig Rosinenpickerei betrieben und hat auch Sonderrechte erhalten. Ich denke an den Briten-Rabatt, die Nichtzugehörigkeit zur Währungsunion und zum Schengen-Raum und an die vielen Opt-ins und Opt-outs im Bereich Justiz und Inneres.

Wir haben also unsere Erfahrungen gemacht und mussten damit rechnen, dass Großbritannien wichtige Fragen bis ans Ende der Verhandlungen zurückstellen wird oder am liebsten gar nicht behandeln will. Man wollte sofort über einen Handelsvertrag reden. Dieser Eindruck ist durch die Verhandlungen selbst auch bestätigt worden: Boris Johnson und David Davis haben stets gezeigt, dass bei ihnen überhaupt kein Interesse besteht, über Zahlen und Positionen im Bereich der finanziellen Verpflichtungen zu sprechen.

In ihrer Florenz-Rede am 22. September 2017 hat die Premierministerin Theresa May zwar gesagt, Großbritannien werde seine Verpflichtungen erfüllen, als es dann in die Verhandlungen ging, hieß es bei David Davis aber stets: Es ist nicht die Zeit, das müssen wir bis später verschieben, wenn wir auch über die zukünftige Beziehung zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU reden.

Nach der monatelangen Blockade ist an dieser Stelle nun endlich der Gordische Knoten durchgeschlagen worden. Deshalb kann man in diesem Bereich auch tatsächlich von einem Durchbruch sprechen. Das wäre für mich ohne die Arbeit von Michel Barnier und seiner Mitarbeiter, seines Teams, nicht denkbar gewesen. Deshalb, meine ich, kann man ihm auch einmal ausdrücklich für seine geleistete Arbeit danken.

Ein Weiteres steht fest: Die anderen 27 Mitgliedstaaten sind völlig geschlossen aufgetreten. Das ist nicht immer der Fall. Man hat mit einer Stimme gesprochen, und das macht uns stark. Ich denke, wenn wir jetzt in die zweite Phase kommen, dann wird das das Pfund sein, mit dem wir wuchern können. Wir sollten diese Strategie beibehalten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Natürlich sind die Regelungen erst verbindlich, wenn alles vereinbart ist; das Gesamtpaket muss vereinbart werden.

Meine Damen und Herren, die Briten sind für eine ausgebuffte Verhandlungsführung bekannt. Aber an dieser Stelle habe ich keine Zweifel: Wenn in der jetzigen ersten Phase das Papier unterzeichnet sein wird, dann wird man sich auch an die Punkte halten, die vereinbart sind.

Im Einzelnen:

Bei den Bürgerrechten wurde sehr viel und sehr Gutes erreicht. Man hat sich auf ein einfaches, kostengünstiges und effizientes Verfahren verständigt, sodass die Bürger schnell an ihr Daueraufenthaltsrecht gelangen können. Das oberste britische Gericht soll für acht Jahre die Möglichkeit haben, den Europäischen Gerichtshof anzurufen; damit soll Einheitlichkeit in der Rechtsprechung sichergestellt werden.

Bei den finanziellen Verpflichtungen besteht weitgehend Einigkeit – nicht über die Summen, die überall herumgeistern, sondern über die Berechnungsmethode und darüber, um welche Positionen es letztlich geht. Eine Einigung wurde bislang aber nicht darüber erzielt, ob bei der Europäischen Investitionsbank – das ist noch ein Knackpunkt – ein Rückzahlungsanspruch besteht, der sich lediglich auf die Kapitaleinlagen bezieht, oder ob er sich auch auf die entstandene Kapitalbildung im Bereich der Rücklagen bezieht. Über diesen Knackpunkt wird man noch diskutieren müssen.

Auch bezüglich der Kosten für den Umzug der beiden Agenturen wurde noch keine Einigkeit erzielt.

Zur Situation Irlands hat ein Kommentator das Ganze wie folgt zusammengefasst: Wenn die Republik Irland vollwertiges Mitglied im EU-Binnenmarkt bleibt, es keine Zollgrenze zu Nordirland geben darf und ebenfalls keine zwischen Nordirland und dem Vereinigten Königreich, dann bleibt nur die Möglichkeit, dass das Vereinigte Königreich Mitglied im Binnenmarkt bleibt. – Das ist in der Tat die Frage nach der Quadratur des Kreises, die es zu beantworten gilt.

In der jetzigen Phase stellt sich aber doch die Frage: Ist das, was jetzt auf dem Tisch liegt – das muss nicht das endgültige Ergebnis sein –, ausreichend, um in die nächste Verhandlungsphase gehen zu können? Ich meine, man kann hier ohne Wenn und Aber feststellen: In den Verhandlungen wurde ausreichender Fortschritt erzielt. Wir können also dem Europäischen Rat empfehlen, die nächste Verhandlungsphase zu eröffnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)