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Detlef Seif: Die Integrationsfähigkeit Europas und Deutschlands ist begrenzt

Rede zur Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das deutsche Asylrecht wurde im Zuge der hohen Migration der Jahre 2015 und 2016 schon massiv angepasst und verschärft. Wenn ich alle Maßnahmen vorlesen würde, würde meine Redezeit nicht ausreichen. Deshalb nur exemplarisch: Beschleunigung von Asyl- und Gerichtsverfahren, Reduzierung der Geldleistungen und Wechsel zu Sachleistungen zur Vermeidung von Fehlanreizen, die Einstufung der sechs Westbalkanländer als sichere Herkunftsstaaten, der Abbau von Abschiebungshindernissen, die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte, die Verschärfung des Ausweisungsrechts für straffällige Asylbewerber, das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht einschließlich der Möglichkeit, Gefährder einfacher in Abschiebehaft zu nehmen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle eines klar betonen: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bekennt sich uneingeschränkt zu dem Schutz von verfolgten Menschen, seien es Asylberechtige, seien es Menschen, die Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention verdient haben, seien es subsidiär Schutzberechtigte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber eines ist genauso klar: Die Integrationsfähigkeit Europas und Deutschlands ist begrenzt. Unsere Kapazitäten dürfen nur den Menschen zugutekommen, die tatsächlich verfolgt werden und nicht aus asylfremden Gründen zu uns kommen. Ich sage noch einmal ganz klar: Das Asylrecht dient nur dem Schutz von Menschen, die verfolgt werden, und ist kein Instrument der Zuwanderung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn es allein nach der Union ginge, dann wären die drei genannten Maghreb-Staaten schon längst als sichere Herkunftsstaaten eingestuft. Aber die Grünen haben diesen Vorschlag bekanntlich im Bundesrat blockiert.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Grundsätzlich ist der Vorschlag der FDP zu begrüßen. Aber für die Union ist der vorgelegte Gesetzentwurf zurzeit aus zwei Gründen nicht zustimmungsfähig:

Zunächst nutzen Sie veraltete Fakten und nehmen Bezug auf alte Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 25. Januar 2016. Mittlerweile gibt es aber für Marokko einen aktuellen Lagebericht vom 14. Februar 2018. Für die beiden anderen Länder gibt es zwar Lageberichte, aber diese sind ein Jahr alt. Sie müssten ebenfalls erneuert werden. Wir müssen auch deshalb genau hinschauen, weil sich die Gesamtschutzquoten der drei Länder erhöht haben, und zwar von 2015 bis 2017 bei Algerien von 0,98 Prozent auf jetzt 3,3 Prozent, bei Marokko von 2,29 Prozent auf jetzt 6 Prozent und bei Tunesien von 0 Prozent auf jetzt 3,1 Prozent. Es muss in jedem Fall sichergestellt sein, dass wir die aktuelle Datenlage zugrunde legen und unseren Entscheidungsspielraum als Gesetzgeber auch richtig ausschöpfen; ansonsten wäre das Gesetz verfassungswidrig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es gibt noch einen zweiten Gesichtspunkt – Sie kennen alle den Koalitionsvertrag, der hoffentlich ab Sonntag gültig sein wird –: Die beiden Koalitionsparteien wollen nicht nur die Maghreb-Staaten berücksichtigen, sondern auch andere Länder, deren Schutzquote unter 5 Prozent liegt. Es macht doch Sinn, hier kein Stückwerk zu machen, sondern ein Gesetz aus einem Guss.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unabhängig von den Maßnahmen, die wir hier auf den Weg bringen, ist eines festzustellen: Die aktuelle Rechtslage verhindert nicht, dass Menschen ohne Schutz­anspruch – teilweise zum wiederholten Male, teilweise mit gefälschten Papieren, teilweise ohne Ausweispapiere – nach Deutschland einreisen können und ins Landesinnere verteilt werden. Allein dieser Umstand stellt einen großen Anziehungseffekt dar. Deshalb freue ich mich, dass der Koalitionsvertrag sogenannte AnkER-Einrichtungen vorsieht, in denen das gesamte Asylverfahren und später die Verteilung auf die Kommunen bzw. die Rückführung durchgeführt werden sollen. Aber diese Einrichtungen machen erst dann einen gesteigerten Sinn, wenn Personen ohne Bleibeperspektive einer strengen Residenzpflicht unterliegen und in diesen Einrichtungen verbleiben müssen, damit sie von dort auch zurückgeführt werden können.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Spangenberg?

Detlef Seif (CDU/CSU):

Gerne im Anschluss. Ich möchte nur noch einen Gedanken ausführen. – Lassen Sie uns im Interesse der Aufnahme- und Integrationskapazität unseres Landes hieran arbeiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)