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Carsten Körber: Ihr Antrag macht keinen Sinn

Redebeitrag zur abstrakten Normenkontrolle wegen des Nachtragshaushaltsgesetzes

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute Abend müssen wir uns wieder einmal mit einem Antrag der AfD-Fraktion befassen, der einzig und allein darauf abzielt, der geneigten Klientel zu suggerieren, die AfD sei die einzige Kraft in diesem Land, die sich um die wahren Interessen der Bürgerinnen und Bürger kümmert.

(Zuruf von der AfD: Sie sagen es! – Dagmar Ziegler [SPD]: Haha!)

Wer auch immer diesen Antrag zu Papier gebracht hat, der muss von einem wahren Furor getrieben gewesen sein, beschäftigt sich der Antrag doch mit einer Thematik, die aus Sicht weiter Teile der AfD so überhaupt nicht existiert. Er beschäftigt sich mit der Coronapandemie und dem zweiten Nachtragshaushalt, welchen wir deshalb beschließen mussten. Es gibt keine gefährliche Pandemie, weiß man bei der AfD, und weiter: Das ist doch alles nur eine leichte Grippe. – Deshalb war auch erst am Wochenende der haushaltspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Herr Kollege Boehringer, bei einer Coronaleugner-Demo hier in Berlin unterwegs, natürlich ohne Maske – frei nach dem Motto „Zeig mir dein Lächeln“ – und ohne Mindestabstand.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Norbert Kleinwächter [AfD]: Sie sind Leugner des wahren Ausmaßes!)

Aber interessanterweise hat auch Herr Kollege Boehringer vorgestern bei der Parlamentsärztin einen Coronatest gemacht. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich halte das für vollkommen richtig, Herr Boehringer, dass Sie diesen Test gemacht haben. Aber da lässt man sich auf etwas testen, dessen Existenz man doch im Grunde abstreitet.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Norbert Kleinwächter [AfD]: Die AfD streitet die Existenz von Corona nicht ab, Herr Körber! Verbreiten Sie keine Fake News!)

Für Sie, Herr Boehringer – das sage ich ganz klar –, freue ich mich aber, dass dieser Test negativ war. Ich wünsche niemandem, krank zu werden, natürlich auch dann nicht, wenn er die Krankheit, an der er erkrankt, für ein Ammenmärchen hält. Gleichwohl – das muss ich sagen – ist Ihr Verhalten verantwortungslos. Ein Test am Dienstag kann keine Aussage über eine mögliche Infektion am Sonntag geben.

(Ulrike Schielke-Ziesing [AfD]: Kommen Sie zum Thema!)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung vom Kollegen Kleinwächter?

 

Carsten Körber (CDU/CSU):

Nein, ich würde gerne im Zusammenhang vortragen, Frau Präsidentin. – Mal angenommen, es stellt sich in ein paar Tagen heraus, dass Sie infiziert sind. Dann hatten Sie jetzt eine ganze Menge Möglichkeiten, viele Leute anzustecken.

(Martin Hohmann [AfD]: Es kann jeder von uns infiziert sein!)

Und mal angenommen, Sie stecken mit Ihrem Verhalten dann den kompletten Haushaltsausschuss in Quarantäne: Was würde das denn für die weiteren Haushaltsberatungen bedeuten?

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unverantwortlich! – Norbert Kleinwächter [AfD]: Herr Körber, ich selber hatte Corona, und das war überhaupt kein Problem!)

Wollen Sie ernsthaft dafür verantwortlich sein, dass wir dann den Haushalt für 2021

(Peter Boehringer [AfD]: Zur Klage!)

nicht weiter beraten können oder ihn nicht rechtzeitig beschließen können – mit all den damit verbundenen Folgen für das Land und für die Menschen?

Aber jetzt zurück zum eigentlichen Antrag. Ich sehe hier meinen hochgeschätzten Kollegen Karl in der Runde, und ich denke an Ihre letzte Rede zu einem Antrag der AfD-Fraktion. Jetzt bin ich leider kein Weißbiertrinker, und der Antrag, um den es hier heute geht, hat zum Glück auch keine 211 Seiten. Aber manchmal – das sage ich Ihnen – reicht schon eine Seite, um mindestens drei Weizen zu brauchen, um das zu verdauen.

(Dennis Rohde [SPD]: Damit kommst du dann nicht aus!)

Dieser Antrag ist schon etwas Besonderes. Seine Formulierungen sind so vage, und die Begrifflichkeiten sind so schwammig, dass sich auch der geneigte Leser irgendwann fragen muss, wie viele Weizen der Verfasser da wohl bereits intus hatte.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Ja, wenn Sie so viele Weizen trinken, dann verstehen Sie wahrscheinlich gar nicht mehr, was wir formuliert haben!)

Was meinen Sie denn mit der Bildung einer kreditfinanzierten Rücklage? Wenn es um die Zuführung zur EKF-Rücklage geht, dann sagen Sie das doch und schreiben das direkt klar in den eigentlichen Antrag.

(Peter Boehringer [AfD]: Das steht hier!)

Wenn Sie beschlossene Maßnahmen des Coronapaketes als sachfremd kritisieren, dann benennen Sie diese doch ganz klar in Ihrem Antrag.

Gestern haben Sie dazu immerhin noch einen Änderungsantrag vorgelegt – wohlgemerkt: einen Änderungsantrag zu Ihrem ureigenen Antrag; alleine das ist schon bemerkenswert.

(Otto Fricke [FDP]: Ja, das macht ihr ja regelmäßig bei Gesetzentwürfen! Das macht ihr doch bei euren eigenen Gesetzentwürfen jeden Tag!)

Aber damit nicht genug: Diesen Änderungsantrag haben Sie gestern dann auch gleich wieder zurückgezogen. – So geht verantwortungsvolle und stringente Parlamentsarbeit. Bravo!

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Aber am interessantesten – ich hätte beinahe gesagt: am schönsten – finde ich den zweiten Teil Ihres Antrages, den Teil, in dem normalerweise ein Auftrag formuliert wird, in dem der Bundestag als Gesetzgeber zum Beispiel der Bundesregierung etwas aufträgt. Aber da wollen Sie doch tatsächlich, dass der Bundestag keine rechtliche Entscheidung trifft. Nein, viel schöner: Wir sollen etwas begrüßen.

(Peter Boehringer [AfD]: Das soll überprüft werden! Wie das in Karlsruhe halt so ist!)

Laut Duden bedeutet das Verb „begrüßen“ in dem von Ihnen verwendeten Zusammenhang: etwas positiv bewerten, etwas freudig zur Kenntnis nehmen, gutheißen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also, der Bundestag soll irgendwas toll finden.

Und was wünschen Sie sich da? Der Bundestag soll begrüßen – so hätten Sie es gern –, dass Abgeordnete nach Karlsruhe gehen und vom Verfassungsgericht verlangen, dass der zweite Nachtragshaushalt für verfassungswidrig erklärt wird. Angenommen, dieses Begrüßen würde der Bundestag beschließen: Was sollte denn bitte die Rechtsfolge dessen sein?

(Peter Boehringer [AfD]: 20 Seiten Klageschrift!)

Jeder Abgeordnete hat doch auch ohne Ihren Antrag das Recht, zusammen mit einem Viertel seiner Kollegen ein solches Normenkontrollverfahren in Gang zu setzen. Dafür braucht es kein Begrüßen des Hohen Hauses.

Ihr Antrag macht keinen Sinn. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab und folgen der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)