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Tankred Schipanski: "Die Länder sind für Schulbildung verantwortlich"

Rede zur Planungssicherheit für Schulen

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Debatte ist fast schon bizarrer als die Oppositionsanträge selbst. Wenn die Linke hier von kollektiver Unverantwortlichkeit spricht, ist das völliger Quatsch.

(Dr. Birke Bull-Bischoff [DIE LINKE]: „Nichtzuständigkeit“, anderer Begriff, Herr Kollege! Sie müssen einfach mal hinhören!)

Liebe Frau Kollegin, die Länder sind für Schulbildung verantwortlich. Punkt!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn man Ihren Antrag liest, dann sieht man, dass Ihnen jeder Realismus fehlt. Sie wollen das Aussetzen von allen Prüfungen wegen Corona. Absurd! Sie wollen ein Recht auf Homeoffice für alle. Reden Sie einmal mit Handwerkern und mit Verkäuferinnen und Verkäufern! Das, was Sie fordern, ist absurd. Ihr nächster Vorschlag lautet: Alle arbeiten wegen Corona 50 Prozent weniger, bekommen aber 100 Prozent Lohn. – Absurd!

(Beifall des Abg. Sebastian Brehm [CDU/CSU])

Mit solchen Vorschlägen haben Sie bereits die DDR in den Staatsbankrott geführt. Lesen Sie einmal den Schürer-Bericht, aber verschonen Sie uns mit solchen unrealistischen Vorschlägen, und verkaufen Sie die Menschen nicht für dumm!

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Birke Bull-Bischoff [DIE LINKE]: So ein Quatsch! Lesen Sie mal richtig!)

Beim Antrag der FDP, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es leider nicht besser. Hören Sie doch auf, den Menschen zu suggerieren, dass man mit mobilen Luftfiltern und einer Whitelist, also einer Positivliste für datenschutzkonforme Lernangebote, das Schuljahr retten kann.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Ja!)

Das ist schlichtweg Blödsinn, und so etwas können Sie auch nicht mehr mit Ihrem Kunstbegriff „Serviceopposition“ rechtfertigen.

Es ist auch eine Binsenweisheit, dass die Prüfung, wenn man coronabedingt den Prüfungsstoff nicht schafft, natürlich angepasst werden muss. Darüber entscheidet aber doch nicht der Bundestag oder der Landtag. Das ist eine Entscheidung der Schule vor Ort,

(Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

der Kultusminister nach Abstimmung in der Kultusministerkonferenz.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Damit habe ich doch das Stichwort. Der eigentliche Grund der heutigen Debatte ist doch die Kultusministerkonferenz, deren Präsidentschaft am heutigen Tage wechselt. Wir alle wissen, dass die für die Schulbildung zuständige KMK zu langsam arbeitet, zerstritten ist und seit Jahrzehnten ineffektiv wirkt. Daher haben wir ja den Nationalen Bildungsrat vorgeschlagen – wir haben das vorhin in der Debatte schon gehört –, aber die Länder haben das abgelehnt.

Hören Sie doch auf, den Menschen zu suggerieren, dass der Bund effektive Einflussmöglichkeiten auf die Bundesländer im Bereich der Schulpolitik hat! Die hat er nicht.

(Dr. Birke Bull-Bischoff [DIE LINKE]: Die hat er nicht!)

Wir sind auf Kooperation angewiesen, und wenn die Länder diese Kooperation verweigern, dann können wir nichts tun, außer empfehlen, analysieren und beraten. Mehr nicht!

Anscheinend gibt die Verfassungswirklichkeit des Artikels 20 Absatz 3 – das Bundesstaatsprinzip – zu meinem großen Bedauern einfach nicht mehr her.

Wir haben als Unionsfraktion schon viele gute Vorschläge an die KMK gegeben. Nein, sie setzt sie nicht um. Wir werden immer wieder neu enttäuscht. Auch die jüngste Vereinbarung zu mehr Transparenz, Vergleichbarkeit und Einheitlichkeit bei Prüfungen ist wieder eine Enttäuschung: keine Verbindlichkeit, keine Sanktionsmöglichkeiten, kein Staatsvertrag. Das ist wieder eine vertane Chance.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Frömming?

 

Tankred Schipanski (CDU/CSU):

Nein; wir machen das gerne als Kurzintervention danach.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Ob das gemacht wird, entscheide ich.

 

Tankred Schipanski (CDU/CSU):

Dabei zeigt uns die Coronakrise besonders die hohen Defizite in der digitalen Schulbildung. Wir sind uns hier im Hohen Hause doch alle einig, dass die Bundesländer in diesem Bereich die Sache anscheinend nicht alleine packen, aber wir ziehen unterschiedliche Schlussfolgerungen daraus.

Für die Unionsfraktion kann es nicht heißen: „Bund, übernimm du“, sondern für uns heißt es: „Bund, hilf!“ Und der Bund hilft auch. Meine Kollegin hat es vorhin aufgezeigt: DigitalPakt, Zusatzvereinbarung, bundesweite Bildungsplattform, digitale Kompetenzzentren. – Wir haben hier alles debattiert. Eine helfende Hand wird aber müde, wenn der Hilfsbedürftige nicht mitzieht und nicht kooperiert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich appelliere abermals an die Kultusministerkonferenz und die Ministerpräsidentenkonferenz, hier konstruktiv mitzuwirken und sich nicht in Kleinstaaterei zu verlieren. Die Lage und das Thema sind einfach zu ernst.

Ich weiß noch, wie wir uns im Jahre 2013 unter dem Druck der Aufklärung der NSU-Mordserie hier im Bundestag verständigt haben, gemeinsam mit den Ländern den Sicherheitsföderalismus zu reformieren, und ich denke, unter dem Druck der Coronakrise muss es uns gelingen, auch diesen Bildungsföderalismus zu reformieren. Daher bin ich Anja Karliczek für ihr „Spiegel“-Interview am vergangenen Wochenende sehr dankbar. Ich denke, sie stößt damit eine richtige Debatte an,

(Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP]: Sie stoßen gar nichts an! Sie rennen hinterher!)

und finde es einfach nur schwach, wie reflexartig mancher Landespolitiker darauf reagiert. Eigentlich heißt es doch in Baden-Württemberg: Nicht gemeckert ist genug gelobt.

(Dr. Birke Bull-Bischoff [DIE LINKE]: Aber Hinterherstiefeln reicht nicht!)

Fast jede Fraktion hier im Deutschen Bundestag trägt auch Verantwortung in den Bundesländern. Dort muss die Einsicht reifen, dass es einen Mehrwert darstellt, wenn sich der Bund bei Einzelthemen einbringt und mitgestaltet. Von daher ist es ein Neujahrswunsch für dieses Jahr, dass wir eine sachliche Diskussion mit klugen Vorschlägen für eine Reform des Bildungsföderalismus in Deutschland führen.

(Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Das heißt nicht, liebe Opposition, Ihre alten Anträge aus dem Schreibtisch hervorzukramen und unrealistische Vorschläge zu präsentieren. Es geht darum, einen kooperativen Föderalismus sinnvoll weiterzuentwickeln. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)