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Ronja Kemmer: Die Verzahnung der Hochschulen in einem europäischen Netzwerk hat schon längst begonnen

Redebeitrag zur europäischen Hochschullehre

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie der Großteil dieses Hauses stehe ich hier vorne als überzeugte Europäerin. Mich haben in meinem Studium maßgeblich zwei Auslandsaufenthalte an europäischen Universitäten in Schweden und Italien geprägt, und ich bin dankbar dafür, Teil der Generation Erasmus zu sein. Das waren fachlich, aber auch ganz persönlich Erfahrungen, die gut waren, die lehrreich waren und wahrscheinlich sogar die besten bis dato. So wie mir ging es ganz vielen Kommilitoninnen und Kommilitonen, die im Ausland waren. Deswegen bin ich auch überzeugt davon. Und natürlich: Für den Grundgedanken, dass die Generation Erasmus den europäischen Gedanken stärkt, weiterträgt, auch in die Nationalstaaten zurückträgt, dass hier gerade gegen Spaltung in Europa gewirkt wird, können wir gar nicht genug tun, gerade in Zeiten von erstarktem Populismus. Deswegen ist es auch richtig, dafür einzutreten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen kann ich, liebe FDP, den Grundgedanken des Antrags wirklich gut nachvollziehen. Das Anliegen, dass möglichst viele junge Europäer den Zugang zu einem hochwertigen Austausch von guter Hochschulbildung bekommen sollen, ist richtig. Und es ist auch richtig, digitale Formate zu stärken. Doch so schön die Idee eben auf den ersten Blick klingt, hat sie doch viele Fehler – ganz wesentliche Punkte wurden hier auch schon genannt –: zum einen, dass viele der Maßnahmen bereits im Rahmen bestehender Initiativen angegangen werden bzw. bereits umgesetzt sind, zum anderen natürlich, dass die EU mit Blick auf die Finanzierung klare Prioritäten setzen muss.

Insofern muss man einmal festhalten: Die Verzahnung der Hochschulen in einem europäischen Netzwerk hat schon längst begonnen. Die gab es schon vor 2017. Die gab es aber jetzt auch noch einmal verstärkt und anders, als Sie es in Ihrem Antrag behaupten. Nach den Forderungen von Macron in seiner Rede 2017 hat die EU entsprechend reagiert. Seit 2019 werden jetzt zusätzlich insgesamt 114 Hochschulen in 17 Netzwerken gefördert, und 24 Mitgliedstaaten sind dabei, plus Norwegen. In Deutschland – der Kollege Steier hat es bereits erwähnt – beteiligen sich zahlreiche Hochschulen in insgesamt 14 Netzwerken.

In diesen Netzwerken werden schon innovative, standortübergreifende Konzepte entwickelt. Es werden natürlich auch digitale Lernformate entwickelt. Und es werden neue Studiengänge aufgesetzt, Lehrinhalte abgestimmt. Es wird auch dafür gesorgt, dass Studienleistungen insgesamt besser anerkannt werden. Seit Ende September gibt es den Vorschlag der Kommission für einen Aktionsplan für digitale Bildung zur Stärkung eines europäischen Bildungsraums. Auch darin finden sich zahlreiche Ideen, die Sie sich bei Gelegenheit vielleicht einmal näher anschauen sollten.

Da ist zunächst die Idee von Erasmus-Akademien für Dozenten, dann die einer „EU Student eCard“ – dass während eines Auslandssemesters besser auf Onlinedienste der Gastuni zugegriffen werden kann – und dann – ganz zentral, glaube ich – die der Schaffung von noch mehr und besser europäisch verzahnten Abschlüssen; auch da hat der Aktionsplan entsprechende Schwerpunkte.

Auch die Bundesregierung hat diesem Thema jetzt hohe Priorität gegeben und sich gemeinsam mit Portugal und Slowenien im Rahmen der Triopräsidentschaft das Ziel gesetzt, das Thema Forschung neu auszurichten. Deswegen stimmt es eben nicht, dass, wie Sie schreiben, die Regierung hier nicht aktiv wäre, sondern man muss, glaube ich, auch klar sehen: Dieses Thema steht ganz oben auf der Tagesordnung; das darf man in so einer Debatte auch einmal hervorheben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Der zweite Punkt, der auch angesprochen wurde: Sie wollen das Ganze auf Kosten von Erasmus+ finanzieren. Ich glaube, wenn wir uns im Kern einig sind, dass wir die digitalen Formate nach Corona natürlich nicht nur halten, sondern sie weiter ausbauen wollen und müssen, so kann das doch nicht zulasten der persönlichen Begegnung gehen. Die persönliche Begegnung vor Ort, der Spracherwerb vor Ort, die Tatsache, dass aus Kommilitonen am Ende internationale Freunde werden – die erwähnten Erasmus-Babys entstehen auch nicht digital –: Von daher muss ich Ihnen an der Stelle leider sagen, Ihr Antrag ist einfach nicht zu Ende gedacht. Die Bundesregierung hat das Thema Erasmus+ im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft auch ganz oben auf der Tagesordnung.

Deswegen gilt abschließend: Im Ziel sind wir uns einig – aber bitte mit fokussierten Maßnahmen statt mit Gründungsaktionismus oder Luftschlössern. Deswegen werden wir den Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)