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Ronja Kemmer: "Der Bereich Bildung und Forschung braucht eine europäische Koordinierung und Förderung"

Rede zum Erasmus-Programm

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Das Semester in Schweden war fachlich, sprachlich, aber auch für die persönliche Entwicklung eine der besten Entscheidungen, die ich bis dato getroffen habe.“ So oder so ähnlich lautete der letzte Satz in meinem Erfahrungsbericht über das Erasmus-Semester in Schweden. Und so wie mir ging es ganz vielen anderen Kommilitoninnen und Kommilitonen, die das wahrscheinlich in ihren Erfahrungen auch genauso bestätigen würden. Und deswegen sind das Erasmus-Programm und seine Vorgänger nicht ohne Grund mitunter das erfolgreichste Programm innerhalb der Europäischen Union; denn der Austausch, der Sprachenerwerb, die vielen Themen werden auch in Zukunft eine Rolle spielen. Ja, wir leben heute in einer digitaleren, in einer vernetzteren Welt. Aber genau das, die persönliche Erfahrung im Austausch mit anderen, im Ausland zu leben, in Kontakt zu treten, woanders zu studieren, dort auch die Sprache zu lernen, kann nicht ersetzt werden, und das wollen wir weiter stärken; dafür stehen wir als Unionsfraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Natürlich spielt es, wie gesagt, auch eine wichtige Rolle, im Studium andere Dinge zu lernen und Erfahrungen zu machen, gerade durch Diskussion und den persönlichen Austausch. Und das wollen wir weiterführen, auch trotz des Brexits, gerade auch mit Blick auf Großbritannien. Der Brexit hat natürlich nicht nur Auswirkungen auf das Erasmus-Programm; vielmehr geht es um das ganze Kapitel der Zukunft von Bildungs- und Forschungszusammenarbeit, das wir ganz grundsätzlich neu aufsetzen möchten und müssen. Deswegen ist es für uns auch entscheidend gewesen, dass wir der Bundesregierung hier ein entsprechendes Mandat für die Verhandlungen erteilt haben. Wir haben das deswegen getan, weil wir davon überzeugt sind, dass der Bereich Bildung und Forschung eine europäische Koordinierung und Förderung braucht; auch das halten wir in höchstem Maße für sinnvoll.

Nun aber direkt zu Ihrem, ich sage mal, Antrag, auch wenn es eigentlich das Wort fast nicht wert ist.

(Enrico Komning [AfD]: Dann sind Sie ja fast zu Ende mit Ihrer Rede!)

Es ist ja nicht so, dass die Attraktivität des Erasmus-Programmes wegen des Brexits von heute auf morgen irgendwie hinfällig wäre. Das ist absoluter Quatsch. In erster Linie – das muss man leider an dieser Stelle noch einmal sagen – haben sich die Briten mit dieser Entscheidung ins eigene Knie geschossen.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! So ist es!)

Dass aber gerade Sie jetzt hier auftreten und Krokodilstränen weinen, wo Sie doch genau diese Entscheidung damals bejubelt und beklatscht haben,

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Happy Brexit gefeiert haben!)

ist an Heuchelei – das wurde schon oft gesagt – nicht zu überbieten.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir darüber sprechen, wie Programmgenerationen von Erasmus weiterentwickelt werden können – das müssen wir natürlich diskutieren –, dann reden wir doch mal über positive Aspekte, zum Beispiel darüber, wie wir darüber hinausgehend ein Europa-Stipendium entwickeln können, das vielleicht nicht nur ein Semester, sondern ein ganzes Studium im Ausland fördert.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Wir finden Erasmus gut, aber den Austritt aus der Europäischen Union auch gut!)

Sprechen wir darüber, dass wir natürlich Semesterzeiten harmonisieren müssen, dass die Hochschulen mit der Anerkennung von Leistungen, die im Ausland erworben wurden, vorankommen müssen. Das sind wirklich Themen, um die wir uns kümmern müssen. Von alldem ist in Ihrem Antrag natürlich nichts zu finden.

(Enrico Komning [AfD]: Sie können ja einen eigenen stellen!)

Es bleibt ein zentraler Punkt – auch der wurde schon mehrfach angesprochen, aber ich komme daran einfach nicht vorbei –: Es bleibt absolut richtig – wir wollen die Unterstützung sogar ausbauen –, dass Berufsschüler und Azubis künftig natürlich auch von diesem Austausch profitieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dass gerade Sie, wo Sie uns immer vorwerfen, wir würden – angeblich – zu wenig für die berufliche Bildung tun, sich hierhinstellen und diesem Personenkreis die Förderung untersagen wollen,

(Enrico Komning [AfD]: Das wurde schon gesagt!)

also mit Verlaub: Das ist falsch, das ist ungerecht, aber es passt eben in Ihr Weltbild, das einer Abschottung gleichkommt.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Das ist auch zynisch!)

Eine Frage bleibt dann am Ende noch offen. Herr Erasmus von Rotterdam ist heute Abend schon mehrfach angesprochen worden, und auch da ist Ihre Widersprüchlichkeit kaum zu überbieten.

(Enrico Komning [AfD]: Noch eine Wiederholung!)

Gerade Sie, die den Bologna-Prozess seit jeher kritisieren, eine erfolgreiches EU-Programm schlechtreden, haben sich diesen kosmopolitischen Denker als Namensgeber für Ihre Stiftung ausgesucht.

(Enrico Komning [AfD]: So ist es!)

Das ist ein Widerspruch, auch den lassen wir Ihnen so nicht durchgehen; denn der Rest dieses Hauses steht für einen freien Europäischen Hochschulraum, für den Ausbau von Erasmus, aber eben für alle: für Studenten wie für diejenigen in der beruflichen Ausbildung.

Dieses Programm ist Dünger für Toleranz, Dünger dafür, dass man miteinander ins Gespräch kommt, sich austauscht. Das ist der beste Unkrautvernichter gegen die Wurzeln des Rechtspopulismus. Deswegen werden wir Erasmus auch weiterhin stärken.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Enrico Komning [AfD]: Deshalb heißt unsere Stiftung so!)