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Dr. Michael von Abercron: Vieles, was wichtig und richtig ist, haben wir schon auf den Weg gebracht

Redebeitrag zum Ausbau des Online-Lernens

Die Regierungskoalition hat im vergangenen Jahr den DigitalPakt Schule beschlossen, weil absehbar war, dass die große Aufgabe einer vollständigen digitalen Umstellung des Lehrbetriebes in den Schulen eine anspruchsvolle und sehr kostspielige Angelegenheit ist. Mit dem DigitalPakt Schule haben wir in einem bisher beispiellosen Vorgang den Ländern große Lasten abgenommen, die auf sie wegen der notwendigen Digitalisierung unseres Bildungssystems zugekommen wären und noch zukommen.

Wir haben in diesem hohen Hause sogar unsere Verfassung geändert, damit wir den Ländern diese Last zum Teil abnehmen können. Der Bund hat sich große Mühe gegeben, in enger Zusammenarbeit mit den Bundesländern ein Konzept zu entwickeln, wie dieses drängende Thema möglichst zügig und effizient umgesetzt werden kann. Das war vor der Coronakrise. Sie hat aber allen noch deutlicher gezeigt, wie wichtig dieser Schritt ist. Unsere Schulen haben sich dabei in der Krise mit ihren digitalen Möglichkeiten auch durch Improvisation zumeist selber geholfen und den Unterricht, so gut es eben ging, mithilfe der neuen Medien aufrechterhalten.

Ein großer Teil dessen, was zum Beispiel in dem Antrag der AfD vorgeschlagen wird, haben die fleißigen Kultusministerien unter den Ländern aber auch viele innovative Schulen längst umgesetzt einschließlich der Bemühungen um die hygienischen Standards. Für diese Leistung gebührt allen Schulen und ihren engagierten Lehrkräften unser aller großer Dank!

Doch offensichtlich nehmen Teile der Opposition die gerade während der Krise aufgetretenen Defizite zum Anlass, um nun den Ländern die komplette Verantwortung für die Finanzierung des Schulwesens abnehmen zu wollen. Wir haben hier mehrere Anträge vor uns, die eine Realität in unserem Land verkennen; die Realität des Föderalismus; im Genauen: des Bildungsföderalismus. Man kann über diese Frage gern an anderer Stelle und nach meiner persönlichen Meinung zu Recht streiten, weil in diversen inhaltlichen Fragen sich die KMK nicht immer als optimaler Problemlöser hervorgetan hat. Jetzt geht es aber um die organisatorische Umsetzung dieses Digitalpaktes. Dies wird aber nicht ohne die Kompetenzen vor Ort und die regionale Umsetzung in den Ländern gelingen.

Der Antrag der Bündnisgrünen dazu ist ein bunt schillerndes Gemisch aus Vorgaben und sogenannten Anregungen des Bundes bis hin zur kompletten Finanzierung sämtlicher Probleme im Bildungssystem durch den Bund. Das geht sogar so weit, dass die kommunale Aufgabe der Pflege schulischer Bausubstanz ab sofort de facto in die Hand des Bundes gelegt werden soll! Offensichtlich wollen die Grünen die Coronapandemie und die Digitalisierung des Schulwesens dafür nutzen, ihre bildungspolitischen Vorstellungen über die Bundesebene den Schulen aufzuoktroyieren. Über die Landesebenen können sie es ja bisher nicht, denn dazu fehlt eine entsprechende Ressortzuständigkeit und damit auch jedwede Mitsprache in der Kultusministerkonferenz.

Wenn sie wollen, dass der Bund die Schulen renoviert und baut, das Personal darin ausbildet, die Infrastruktur wartet, das er Lernmaterial auswählt, die Inklusionskonzepte vorgibt, Endgeräte bezahlt und die Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer übernimmt, dann frage ich mich, wer das eigentlich besser kann: die verantwortlichen vor Ort oder eine ferne Bildungsbürokratie? Letzteres bedeutet für die Länder doch nichts anderes, als das Abnicken und Umsetzen externer Vorgaben. Das ist Obrigkeitsdenken statt Subsidiarität!

Wenn Sie dann auch noch den Beton für die Schulen bezahlen wollen, dann sind Sie dem digitalen Anspruch Ihres Antrages doch wohl weit entrückt. Das gilt wohl auch für den Gedanken des Föderalismus. Deshalb seien Sie bitte auch so ehrlich und fordern gleich eine grundlegende Änderung der Kultushoheit der Länder. Wir sind dann gespannt, was ihr Ministerpräsident in Baden-Württemberg dazu sagen würde.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich sehe auch Verbesserungsbedarf im Bildungsföderalismus. Abschlusszeugnisse müssen vergleichbarer werden, ein Umzug darf nicht komplette Schullebensläufe durcheinanderwerfen, und gleiche Schularten sollten nicht zig verschiedene Namen haben. Aber das, was Sie hier fordern, ist Zentralismus, dem wie immer eine wuchernde Bürokratie folgen würde. So etwas kann und will meine Fraktion nicht zustimmen.

Vielleicht finden wir für einzelne Punkte im Ausschuss noch Kompromisse. Ich kann Ihnen nur empfehlen, den Bildungszentralismus an dieser Stelle abzulegen, und dann notwendige Grundgesetzänderungen sollten eigentlich die Ausnahme sein. Eines ist aber doch völlig klar geworden: Der Föderalismus hat in der aktuellen Krise seine eigentliche Stärke unter Beweis gestellt.

Hoch geschätzte Kollegen von der FDP: Bei Ihnen finde ich eigentlich immer sympathisch, dass Sie die liberale Vielseitigkeit hochhalten und eine zentrale Staatslenkung eigentlich grundsätzlich ausschließen. Nur hier fordern Sie den Bund auf, zentral IT-Bildungsanbieter auszuwählen oder etwa gemeinsame Serverkapazitäten zu schaffen. Ich glaube nicht, dass Ihre Kollegen in den Ländern sich gern Vorgaben vom Bund machen lassen möchten, welche Software sie denn gemäß einer Berliner „Whitelist“ anschaffen dürfen oder wie ein Webinar aufgebaut sein sollte. Hier müsste die Formulierung „in Zusammenarbeit mit den Ländern“ wohl doch noch etwas besser herausgearbeitet werden. Das würde auch die konstruktive Mitarbeit unserer Kolleginnen und Kollegen in den Ländern anspornen, aber vor allem die Schüler, Lehrer und Eltern sehr erfreuen.

Eines muss man Ihnen jedoch zugutehalten: Sie konzentrieren sich in Ihrem Antrag auf die Digitalisierung der Bildung, und manche Vorschläge bieten auch gute Diskussionsansätze, die wir im Ausschuss gerne aufgreifen werden.

Doch vieles, was wichtig und richtig ist, haben wir schon auf den Weg gebracht. Wir haben im Zuge der Coronakrise 500 Millionen Euro bereitgestellt, um Schülerinnen und Schülern aus einkommensschwachen Familien kurzfristig den Erwerb eines Endgerätes zu ermöglichen – ganz ohne unnötig bürokratische Bedürftigkeitsprüfung. Wir bieten den Schulen finanzielle Unterstützung beim Erwerb digitaler Inhalte, ohne inhaltliche Vorgaben zu machen oder selbst Vertragspartner zu werden. Damit haben wir eine schnelle und bedarfsgerechte Umstellung auf digitalen Unterricht ermöglicht. Und all das kommt zum DigitalPakt Schule noch hinzu. Wir helfen mit 5 Milliarden Euro den Ländern beim Ausbau der digitalen Infrastruktur in den Schulen – und selbstverständlich können wir an diesem Programm etwas verbessern. Mich persönlich stört der schleppende Mittelabfluss gewaltig. Aktuell sind keine 200 Millionen Euro von den 5 Milliarden Euro abgeflossen. Hier müssen wir nachsteuern und den Kommunen das Ausarbeiten der Konzepte und das Stellen der Anträge vereinfachen.

Natürlich muss darüber nachgedacht werden, ob an den Hochschulen, die unsere Lehrkräfte ausbilden, Lehrstühle für digitale Didaktik eingerichtet werden. Letzteres ist jedoch auch keine Frage, die wir als Bundestag zu beantworten haben.

Doch wenn alles umgesetzt ist, was wir bisher auf den Weg gebracht haben, können wir ohne Angst um das Bildungssystem auf kommende Krisen blicken.