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Thomas Erndl: Es geht um einen Blick in die Zukunft, um die Stärkung unserer Beziehungen

Redebeitrag zu einer deutsch-polnischen Gedenkstätte

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor 25 Jahren, im April 1995, gedachte der Deutsche Bundestag des Endes des Zweiten Weltkriegs. Die Festrede an jenem 50. Jahrestag hielt ein Pole. Das war ein wichtiges Signal, weil Polen das erste Opfer des Zweiten Weltkriegs war und weil Nazideutschland auf polnischem Boden entsetzliche Verbrechen begangen hat. Wladyslaw Bartoszewski, meine Damen und Herren, der 1995 hier als polnischer Außenminister sprach, hat wie so viele Polen unter dem deutschen Krieg und der nationalsozialistischen Besatzung gelitten. Und trotzdem schloss er seine beeindruckende Rede vor dem Deutschen Bundestag damals mit versöhnlichen, in die Zukunft gerichteten Worten, die ich mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere:

Das Gedenken und die historische Reflexion müssen unsere Beziehungen begleiten. Sie sollten dafür jedoch nicht Hauptmotivation sein, sondern den Weg bereiten für die gegenwärtigen und in die Zukunft gerichteten Motivationen.

Meine Damen und Herren, genau darum geht es hier heute: um einen Blick in die Zukunft, um die Stärkung unserer Beziehungen – beides aber im vollen Bewusstsein um die schwierige, leidvolle Vergangenheit. Uns muss bewusst sein, dass ein Großteil der Polen heute noch empfindet, dass sich Deutschland zu wenig erkenntlich zeigt über das Leid, das Nazideutschland Polen zugefügt hat, während umgekehrt ein Großteil der Deutschen nicht weiß, dass praktisch jede polnische Familie von diesem unbeschreiblichen Grauen betroffen war. Diese Leerstelle in der Erinnerung wollen wir jetzt schließen.

Warum braucht es dafür nun einen eigenen Ort der Erinnerung und Begegnung? Weil von diesem Boden über Jahrhunderte eine antipolnische Politik betrieben wurde, weil von diesem Boden über Jahrhunderte die Existenz eines polnischen Staates verhindert werden sollte und weil das über Jahrhunderte auf Kosten der polnischen Bevölkerung ging. Und genau deshalb brauchen wir jetzt einen Ort, um unsere Erinnerung daran zu stärken und die für uns und Europa so wichtige Partnerschaft weiter zu festigen.

Meine Damen und Herren, dieser Ort der Erinnerung und Begegnung ist keine Pflichterfüllung. Dieser Ort ist eine wichtige Geste. Er ist eine Einladung an Deutsche und Polen, über die Wunden der Vergangenheit hinweg Brücken in die Zukunft zu schlagen. Ich möchte unterstreichen: Dieser Ort ist wichtiger als aktuelle politische Debatten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und er ist notwendig, gerade weil wir in Zeiten leben, in denen Nationalismus und Abgrenzung in Europa wieder aufbrechen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich freue mich, wenn möglichst viele in diesem Hause dem Antrag der Koalition zustimmen können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])