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Thomas Erndl: "Die Inhaftierung Nawalnys ist reine Willkür"

Konsequenzen der Bundesregierung aus den jüngsten gewaltsamen, willkürlichen und repressiven Entwicklungen

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie uns über Außenpolitik sprechen. Es ist traurig, zu sehen, dass hier im Hause nicht alle klare Worte finden können zu dem, was derzeit in Verantwortung des Kreml in Russland passiert. Das muss uns hier doch eigentlich wachrütteln, auch die ewigen Russland-Romantiker links außen und die Putin-Verherrlicher auf der rechten Seite.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Ja, bla, bla!)

Moskau befindet sich auf antidemokratischen Abwegen und schert sich nicht um Rechtsstaatlichkeit. Das sollte von jedem hier im Deutschen Bundestag klar und deutlich verurteilt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber nicht nur uns im Parlament, auch der Bundesregierung müssen die Vorgänge natürlich intensiv zu denken geben. Denn eines ist klar: Wir sind an einer Partnerschaft mit Russland interessiert, aber wir müssen seit Langem zur Kenntnis nehmen, dass sich Moskau täglich weiter von uns entfernt. Diese Entfremdung ist besorgniserregend und vor allem ernüchternd – ernüchternd deshalb, weil Europa über viele Jahre die Hand in Richtung Moskau ausgestreckt hat.

(Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Nee, nee, nee!)

– Das zu verleugnen, Herr Gysi, ist wirklich absolut absurd. – Wir haben die Hand ausgestreckt, gerade auch in schwierigen Zeiten.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Genau das ist nicht passiert! Putin hat die Hand ausgestreckt!)

Dialog und Austausch waren immer wichtig und sind es immer noch.

Allerdings gehört zu jedem Austausch und zu jedem Dialog Respekt. Was am Freitag auf höchster Ebene zu erleben war, das ist an Respektlosigkeit nicht zu überbieten. Die Ausweisung unserer Diplomaten war unbegründet und inakzeptabel,

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Waren die nun auf der Demo oder nicht?)

und das auch noch zeitgleich zum Besuch des EU-Außenbeauftragten. Mir fällt da nichts anderes ein, als zu sagen: Das war eine bodenlose Frechheit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deswegen war es auch richtig, umgehend darauf zu reagieren und ebenfalls einen ranghohen russischen Diplomaten auszuweisen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns klar benennen: Die Inhaftierung Nawalnys ist reine Willkür. Die Inhaftierung Tausender, die sich für freie Meinungsäußerung einsetzen, ist reine Willkür. Das Niederknüppeln Zehntausender Demonstranten hat mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun. Dies alles ist ein Zeichen von Schwäche. Dazu kommen die aggressiven Vorgänge Russlands hier in Europa: die Cyberattacke gegen dieses Haus, gegen den Deutschen Bundestag, die ganzen Desinformationskampagnen und – noch schwerwiegender – der Tiergarten-Mord sowie der Einsatz von Nowitschok im In- und Ausland. Nowitschok, Herr Gysi, hat man nicht irgendwo im Keller. Insofern ist die Verantwortlichkeit doch absolut klar. Was wirklich einfach unerträglich ist, sind die ständigen dreisten Lügen darüber. Irgendwann reicht es.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns kann es eben nicht egal sein, wenn ein Mitglied des Europarats ständig die Europäische Menschenrechtskonvention bricht und internationale Verträge der Lächerlichkeit preisgibt. Antworten darauf müssen gemeinsam europäisch, aber vor allem deutlich ausfallen. Wir müssen weitere Sanktionen gegen Putins Handlanger auf den Weg bringen: Sanktionen, die sich gegen diejenigen Rädchen im Machtgetriebe des Kremls richten, die sich im Fall Nawalny und in weiteren Unrechtsfällen die Hände schmutzig machen. Wir müssen die europäischen Magnitsky-Regeln zur Anwendung bringen und den Menschenrechtsbrechern in der ganzen Verantwortungskette jeden Schritt auf EU-Boden verwehren, jeden Cent beschlagnahmen und jedes Geschäft unterbinden.

In diesen Zeiten sollten wir vor allem hinterfragen, wie die Beziehungen zu einem Land aussehen sollen, das natürlich ein wichtiger Nachbar ist, das aber – durch das Verhalten irgendwie sichtbar – an einer Partnerschaft nicht interessiert ist: Diplomatischer Austausch – ich habe es angesprochen – sollte natürlich mit Respekt geschehen. Beim zivilgesellschaftlichen Austausch sollten wir noch viel mehr machen: mehr Studentenaustausch, mehr Hineinwirken in die junge Generation, mehr Wissenschaftsaustausch und mehr Unterstützung für diejenigen, die jetzt unter Druck sind. Ich glaube, mit der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik haben wir ein erstklassiges Netzwerk und wären gut aufgestellt. Die drohenden NGO-Gesetze in Russland müssen aber vom Tisch. Das ist auch ein Punkt, den wir hier klarmachen müssen.

Wir stehen auch in einem wirtschaftlichen Austausch mit Russland: Er ist vielfältig, ist aber durch Sanktionen schon eingeschränkt. Natürlich steht hier der Energiemarkt im Fokus. Wenn wir über Gas sprechen, dann muss doch klar sein: Eine Pipeline darf keine geopolitische Waffe sein; das müssen wir sicherstellen. Aber wir müssen das gesamte Thema Gasbezug in den Blick nehmen und nicht nur immer über eine Röhre diskutieren; denn wenn wir die Anteile von russischem Gas reduzieren wollen, dann müssen wir letztendlich den Blick auf andere Regionen richten. Insgesamt ist hier wirklich ein ganzheitlicher Blick notwendig.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ein Russland, das Oppositionelle vergiftet, Zehntausende Demonstranten niederknüppelt und unsere Diplomaten grundlos ausweist, kann kein ernsthafter Partner für Deutschland und für Europa sein – zumindest das Russland in der jetzigen Lage; das muss klar sein. Genauso klar müssen deswegen auch die Signale sein, die ein geschlossenes Europa nach Moskau sendet. Es ist entscheidend, dass sich Europa endlich auch seiner Größe und Macht bewusst wird und gegenüber Russland dementsprechend auftritt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)