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Roderich Kiesewetter: "Völkerrechtsverstöße ansprechen maßvoll reagieren"

Rede zur Bundeswehrbeteiligung an NATO-Battlegroup

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ist es nicht absurd, vom Thema abzuweichen, hier einen Antrag einzubringen und dann gar nicht darüber zu reden?

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, genauso absurd ist es, in Ihrem Antrag die erweiterte NATO-Präsenz anzuführen und als Provokation Russlands zu erwähnen, indem man russische Sprache verwendet, ohne diesen russischen Vorwurf einzuordnen. Und: Es ist absurd, Luftraumverletzungen verharmlosend als „Zwischenfälle“ zu bezeichnen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Allein aus diesen Gründen können wir diesem Antrag nicht zustimmen.

Aber ich möchte weitergehen. Enhanced Forward Presence, um die es hier geht, ist ein hauchdünner Stolperdraht, den die NATO im Rahmen der Rückversicherung gezogen hat, um den baltischen Staaten und Polen Rückhalt zu geben und ihr Bedrohungsgefühl ernst zu nehmen.

Was heißt das? Diese Vornepräsenz gibt es seit 2016, seit dem Gipfel von Warschau. Seit 2017 ist die Bundesrepublik Deutschland verantwortlich für eine der vier Einsatzgruppen. Sie führt sie seither. Es geht um insgesamt 5 000 Soldaten, etwa ein Viertel davon führt die Bundeswehr.

Worauf geht das zurück? 2007: Cyberangriff auf Estland – durch Russland. 2008: ein spalterischer Krieg, der Georgien bis heute geteilt hält – durch Russland.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Sie wissen schon, dass Georgien angefangen hat!)

2014: völkerrechtswidrige Annexion der Krim und ein Krieg im Osten der Ukraine, der bis heute andauert,

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Gehen Sie darauf ein!)

ein Krieg, der 2 Millionen Binnenvertriebene zur Folge hatte, über 10 000 Tote und über 30 000 Verletzte.

All das hat natürlich zu Sorge geführt, und dann Luftraumverletzungen als „Zwischenfälle“ zu bezeichnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, das geht gar nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es geht darum, dass wir Völkerrechtsverstöße ansprechen und dass wir maßvoll reagieren. Es ist eine maßvolle Reaktion.

Wenn wir vom Vorredner hören, dass es keine vertrauensbildenden Maßnahmen seitens der Bundesrepublik gegeben hat, so halte ich entgegen: Während der OSZE-Präsidentschaft der Bundesrepublik gab es Angebote für einen strukturierten Dialog in der OSZE. Wer hat es nicht angenommen? Russland.

Es geht also darum, dass wir sehr klar herausarbeiten müssen: Russland möchte zwei Dinge nicht: erstens eine Annäherung seiner unmittelbar westlichen Staaten an NATO und EU. Zweitens akzeptiert Russland nicht die Charta von Paris, sondern provoziert vielmehr durch fortgesetzte Völkerrechtsverstöße, nicht zuletzt auch in Syrien, wohin der Antragsteller ab und zu gerne reist: zu Assads Schergen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich deshalb sagen: Wir müssen diesen Antrag nicht nur aus diesen Gründen ablehnen, sondern es gilt, herauszustellen, dass Enhanced Forward Presence seit drei Jahren eine maßvolle Antwort des Westens auf diese Provokation ist.

Ich möchte abschließend einen Punkt herausgreifen, den der Vorredner angesprochen hat. Es geht um die Frage der Gewichtung der Einsätze im Parlament. Wir hatten vor drei oder vier Jahren im Rahmen des Parlamentsbeteiligungsgesetzes aufgrund der Ergebnisse der sogenannten Rühe-Kommission eine Reformdebatte. Wir sollten das schon ernst nehmen und sicherstellen, dass wir die hochsensiblen Einsätze mit einem robusten Mandat wesentlich intensiver behandeln als Einsätze wie den, den wir gleich im Anschluss mit großer Ernsthaftigkeit behandeln werden. Wir müssen hier schon gewichten, sonst entsteht in der Bevölkerung ein falscher Eindruck.

Ich glaube, es steht uns als Parlament gut an, wenn wir die Fragen der niedrigschwelligeren Beobachtereinsätze etwas anders behandeln und als informationspflichtige Einsätze ansehen,

(Rüdiger Lucassen [AfD]: Ja was denn nun?)

aber uns umso stärker darum kümmern, dass wir jährlich über außen-, sicherheits- und entwicklungspolitische Punkte debattieren, so wie wir das gerade in der Debatte vorher getan haben, dass wir zeigen: Wir sind in einem vernetzten Ansatz.

In diesem Sinne greift der Antrag, den wir hier gerade beraten, viel zu kurz und nutzt nicht die Möglichkeiten, die wir uns als Parlament aufbauen könnten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)