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Roderich Kiesewetter: Die Strahlkraft Europas wiederherzustellen ist uns wichtig

Auswärtiges Amt (Epl. 05)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte hat in der Mitte des Hauses gezeigt, wie angenehm nüchtern die Herausforderungen, vor denen unser Land steht, beraten werden. Weder hilft es uns, nationale Abschottung zu betreiben, noch helfen uns romantische Vorstellungen auf der anderen Seite des Hauses, uns gänzlich von der internationalen Globalisierung heraushalten zu können. Weder romantische Vorstellungen noch nationaler Rückzug sind die Lösung. Ich halte es für ganz entscheidend, dass wir den Blick auch einmal auf das Machbare richten.

Hier sage ich als Vertreter der CDU/CSU, dass es uns ganz entscheidend darauf ankommt, die Strahlkraft Europas wiederherzustellen. Europa ist mit seiner Regeltreue, mit seiner Unterstützung einer regelbasierten internationalen Ordnung erheblich unter Druck geraten durch Interessenpolitik, die aus verschiedenen Richtungen, um Europa herum, betrieben wird. Deshalb ist es so entscheidend – der Außenminister hat das angesprochen genauso wie der Kollege Wadepfuhl, Herr Nouripour, Graf Lambsdorff und Herr Link –, dass wir, wie Gunther Krichbaum betonte, alles daransetzen, dass wir uns in Europa abstimmen und eine klare europäische Strategie entwickeln. In der Praxis heißt das aber, dass wir uns mit Frankreich viel stärker ins Benehmen setzen müssen. Nur mit Frankreich werden wir auch die Strahlkraft entwickeln, dass sich andere europäische Länder dem deutsch-französischen Motor anschließen. Das bedeutet, dass wir uns viel stärker darum kümmern müssen, wie wir Krisenprävention, Krisenvorsorge leisten und wie wir Krisennachsorge leisten. Deswegen unterstützen wir als Union den Ansatz des Auswärtigen Amtes, mehr in zivile Krisenprävention und auch in ein entsprechendes Kompetenzzentrum zu investieren. Wir betonen aber auch, dass es, wenn wir den vernetzten Ansatz wollen, entscheidend darauf ankommt, militärisches Können, diplomatisches Verständnis und Entwicklungszusammenarbeit viel besser miteinander zu vernetzen. Das eine tun, ohne das andere zu lassen!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir haben im Bundestag nie über das Weißbuch 2016 gesprochen. Hier haben wir einen ganz entscheidenden Fortschritt erzielt: Unser Land hat erstmals sieben nationale Interessen formuliert und auch deutlich gemacht, dass wir diese nationalen Interessen nie im Alleingang umsetzen können, sondern dafür Partner brauchen. Ich werbe intensiv dafür, dass wir die nächsten drei Jahre in dieser Legislaturperiode nutzen, um die Partnerschaften von Gleichgesinnten in der Europäischen Union zu stärken. Das Signal, das heute vom Europaparlament ausging, ist ermutigend. Wenn wir uns tatsächlich europäisch enger abstimmen wollen, dann bedeutet das auch, darauf zu lauschen – Herr Wadepfuhl hat das angesprochen –, was die Franzosen bewegt. Wenn wir uns in der Krisennachsorge in Afrika engagieren wollen, bedeutet das, dass wir bereit sein müssen, Truppen für die Nachsorge bereitzustellen. Es bedeutet aber auch, dass wir auch bei Rüstungsexporten eine Harmonisierung in Europa anstreben müssen. Es kann nicht sein, dass wir bestimmte Exporte verweigern, die dann von Frankreich oder Großbritannien geleistet werden, oder umgekehrt. Hier haben wir einiges zu tun. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist, dass wir selber glaubhaft machen, das 2-Prozent-Ziel erreichen zu wollen, indem wir 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis zum Ende dieser Legislaturperiode durchsetzen. Das ist die eine Seite der Medaille.

Die andere ist die Frage: Was passiert denn gerade zwischen den USA und Russland? Das, was wir bei der Rüstungskontrolle erreicht haben, ist erheblich unter Druck. Wir Deutsche haben profitiert vom Washingtoner Vertrag über nukleare Mittelstreckenraketen und vom New-START-Vertrag. Wir haben zudem profitiert von den Verhandlungen über die konventionelle Rüstung in Europa. Aber dieses Abkommen wurde zunächst einseitig von Russland suspendiert. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir das Personal bzw. die Fachexpertise, die inzwischen aus den Bereichen der Rüstungskontrolle, Verifikation und Abrüstung abzuwandern drohen, Herr Außenminister, halten können, wie wir junge Diplomatinnen und Diplomaten überzeugen können, die Themen „Rüstungskontrolle“ und „Rüstungsverifikation“ auf der Tagesordnung zu behalten. Auf der einen Seite steht unsere Rückversicherung bzw. unser glasklares Bekenntnis zu einer besseren Ausrüstung der Bundeswehr. Auf der anderen Seite müssen wir alles tun, dass wir die 80er-Jahre in unserem Land nicht wieder aufleben lassen und nicht eine Debatte über Mittelstreckenraketen bekommen, die mit Kaliningrad und der Stationierung der NATO-Raketenabwehr in Rumänien zu tun hat. Hier müssen wir gerade als Bundesrepublik Deutschland für Transparenz sorgen. Verifikation und Rüstungskontrolle müssen auf der Tagesordnung bleiben. Sonst haben wir einen Wettbewerb, der Ressourcen bindet. Einen solchen können wir nicht gebrauchen.

Abschließend: Heute auf den Tag genau vor 28 Jahren, am 12. September 1990, wurde der Zwei-plus-Vier-Vertrag unterzeichnet. Der heutige Bundestagspräsident war damals wesentlich federführend aufseiten der alten Bundesrepublik. Über den Zwei-plus-Vier-Vertrag ist unser Land in die internationale Gemeinschaft als souveränes, geeintes Deutschland zurückgekehrt. Gerade der Zwei-plus-Vier-Vertrag sollte uns vor Augen führen, wie wichtig es ist, regelbasiertes internationales Verhalten zu fördern, uns an Regeln und Abmachungen zu halten und sie dort zu verteidigen, wo sie unter Druck geraten.

Ich glaube, es ist die ganz hohe Aufgabe dieses Hauses, die Bundesregierung zu ermutigen, einen strategischen Dialog über eine bessere Zusammenarbeit mit Frankreich zu erreichen und auf eine Stärkung der europäischen Strahlkraft hinzuwirken, und auf der anderen Seite alles zu tun, dass wir in Europa der Leuchtturm von internationalen Vereinbarungen sind, die die Zustimmung der Vereinten Nationen, der OSZE, der NATO und der Europäischen Union erhalten haben. In diesem Sinne, glaube ich, macht der 12. September einen ganz besonderen Sinn.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)