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Philipp Amthor: Für uns gilt immer die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren

Redebeitrag zum Schutz von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit dem 1. Juli hat die Bundesrepublik Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne, und wir sind fest davon überzeugt, dass zu einer guten EU-Ratspräsidentschaft auch ein selbstbewusstes nationales Präsidentschaftsparlament gehört. Ich will in Anknüpfung an den eben gehörten AfD-Redebeitrag sagen: Wir sind auch fest davon überzeugt, dass zu einer guten EU-Ratspräsidentschaft auch gehört, dass das Präsidentschaftsparlament diese Präsidentschaft mit Würde wahrnimmt. Ich bin immer wieder erstaunt, wie Sie Ihr eigenes Niveau immer wieder unterbieten können, Frau Miazga.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Wir nehmen die Rolle als selbstbewusstes Präsidentschaftsparlament wahr. Deswegen bin ich auch froh, dass unsere Regierungskoalition ganz bewusst mit einem eigenen Antrag zur Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union den Schwerpunkt setzt.

(Corinna Miazga [AfD]: Der gar nicht zur Debatte steht!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eben gerade nicht so, wie wir es von der AfD gehört haben. Es geht nicht um die Auflösung von Souveränität in der Europäischen Union,

(Zuruf von der AfD: Doch!)

sondern es geht darum, dass wir den Verfassungsauftrag des Grundgesetzes verwirklichen, unsere eigene Souveränität in einer europäischen Integration und in einer europäischen Wertegemeinschaft zu leben. Genau das ist auch die DNA von CDU und CSU, liebe Kolleginnen und Kollegen:

(Beifall bei der CDU/CSU)

eine Wertegemeinschaft zum Schutz von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Das ist nicht nur im europäischen Interesse, sondern es ist auch im deutschen Interesse, in Europa für diese Werte einzutreten. Wir sehen uns da vor ganz beträchtliche Herausforderungen gestellt. Staatsminister Roth hat es gesagt: Die Vorstellungen über Rechtsstaatlichkeit fallen unter den Mitgliedstaaten auseinander. Der Begriff der Rechtsstaatlichkeit ist teilweise zum politischen Kampfbegriff geworden, und die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit ist in der Europäischen Union bisweilen unter starkem Druck.

Die Mittel, die uns die europäischen Verträge zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit zur Verfügung stellen, sind dabei unzureichend. Wir wollen deshalb dafür arbeiten, dass unser Staatenverbund besser auf diesen Druck auf die Rechtsstaatlichkeit reagieren kann.

Wenn man auf der Suche nach den richtigen Antworten ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann ist es immer ratsam, über dasselbe zu reden. Deshalb wollen wir den Rechtsstaatsdialog stärken, und deshalb wollen wir nicht, dass die Rechtsstaatlichkeit zum Spielball der Politik wird. Die derzeitige Konstruktion der Artikel-7-Rechtsstaatsverfahren ist konfrontativ und zu kontradiktatorisch. Sie dienen nur als Ultima Ratio, befördern aber eigentlich ein Schwarzes-Peter-Spiel.

Wir müssen allerdings sagen: Rechtsstaatlichkeit fordert nicht nur zum Moralisieren auf, sondern auch zu Sachlichkeit bei der Einhegung staatlicher Herrschaft. Da gilt für uns eine zentrale Prämisse, die wir in Europa verwirklichen wollen: Für uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt immer die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es muss für uns darum gehen, es als legitim anzusehen, wenn die einzelnen Staaten auf ihre demokratische Legitimation verweisen und sagen: Wir entscheiden uns bei der Gestaltung und Zusammensetzung unseres Verfassungsgerichts für diesen und jenen Weg. Wir entscheiden uns beim Umgang mit Oppositionellen für diesen und jenen Weg. – Dann kann man gerne auf seine demokratische Legitimation verweisen, aber wenn man gleichzeitig an einer Europäischen Union teilhaben will und Teil einer Wertegemeinschaft ist, dann muss man auch auf der Grundlage dieser Werte und Überzeugungen handeln, liebe Freundinnen und Freunde, meine Damen und Herren. Genau das fordern wir ein.

Rechtsstaatlichkeit bedeutet nämlich nicht, dass nur der Staat recht hat, sondern dass auch der andere recht haben könnte. Die Stärke des Rechts bedeutet auch, dass der Schwächere gehört werden muss. Die Stärke des Rechts bedeutet nicht, dass die Staatsorganisation beliebig so konstruiert werden kann, dass sie nur dem Machterhalt dient.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, dass dies alles an vielen Stellen gefährdet ist, wenn wir nicht für unsere Überzeugungen eintreten. Deshalb wollen wir, dass der Instrumentenkasten zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit erweitert wird.

Wir wollen, dass das Rights-and-Values-Programm gestärkt wird, um gesellschaftliches Engagement für die Rechtsstaatlichkeit zu fördern. Wir wollen, dass die Mitgliedstaaten intensiver in einen Rechtsstaatlichkeitsdialog eintreten. Wir wollen genauer definieren, was Rechtsstaatlichkeit eben nicht nur aus der Perspektive der nationalen Verfassungsordnung, sondern für den Staatenverbund bedeutet.

Wir müssen ermöglichen, dass Rechtsstaatlichkeit so, wie es der Staatsminister gesagt hat, auch im Voraus und im gegenseitigen Austausch ausdefiniert wird. Dafür wollen wir Berichtspflichten und das Peer-Review-Verfahren stärken. Wir blicken mit Spannung auf den ersten Bericht zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union, den wir hier intensiv diskutieren wollen.

Wir sind auch überzeugt: Wir brauchen nicht nur Zusammenwirken und Reden, sondern im Zweifel auch einen zielgerichteteren Sanktionsmechanismus. Deswegen sagen wir: Die europäische Union ist kein Rosinenpicken; wer EU-Haushaltsmittel möchte, der muss sich auch auf die gemeinsamen Spielregeln einlassen und daran halten.

Genau in diesem Geiste werden wir diskutieren und dafür Sorge tragen, dass die zentrale Idee verwirklicht wird: dass eben nicht das Recht des Stärkeren gilt, sondern die Stärke des Rechts. Dies ist der Geist dieser EU-Ratspräsidentschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)