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Peter Aumer: "Lassen Sie uns in einen Dialog einsteigen"

Rede zur Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute eine sehr breite Spanne an Anträgen vorliegen: zwei von den Grünen, zwei von der AfD. Das zeigt so ein bisschen, wie breit das Spannungsfeld in Europa ist. Eine Kernüberschrift der Grünenanträge ist: „Für ein Europa, das schützt“. Eine Kernüberschrift der AfD-Anträge ist: „Souveränität bedeutet Freiheit“.

(Beifall des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])

In diesem Spannungsfeld müssen wir Politik machen und ein Europa formen, das in die Zukunft führt. Frau Brantner, da hilft auch der Populismus nichts. Wir haben uns in den letzten Wochen bemüht, das Arbeitsschutzkontrollgesetz auf den Weg zu bringen. Heute haben wir es beschlossen und damit eine zukunftsweisende Lösung ermöglicht. Dabei haben wir Kompromisse gefunden. Wir haben das deutsche Handwerk geschützt, aber auch Regelungen für die Industrie auf den Weg gebracht. Das muss man auch mal anerkennen. Das ist wichtig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn man die Anträge der Grünen und der AfD vergleicht, dann kommt mir dieses Europa so ein bisschen vor wie „Wünsch dir was“. Wir sind zwar kurz vor Weihnachten, aber dieses Europa ist mehr, als dass jeder seine Wünsche verwirklichen kann wie die elf Punkte in einem der Anträge der Grünen, zum Beispiel zum Subsidiaritätsprinzip.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie was zum Inhalt!)

– Ich sage sehr gerne was zum Inhalt, Frau Brantner. Aber so viel haben Sie ja auch nicht zu den Inhalten gesagt.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe etwas zum Inhalt gesagt!)

Ich möchte sehr, sehr deutlich sagen, dass das, was Sie uns heute präsentieren, aus meiner Sicht dem nicht angemessen ist, was Europa in den letzten 70 Jahren für uns geschaffen hat: Friede, Freiheit und Wohlstand.

Meine Damen und Herren, liebe Frau Brantner, ich habe mir Ihre Anträge sehr genau angeschaut. Wenn ich auf alles eingehen müsste, dann würde ich hier wahrscheinlich vier Stunden reden. Arbeitsmarktrechte sollen den gleichen Stellenwert haben wie die wirtschaftliche Freiheit auf dem Binnenmarkt, steht in Ihrem Antrag;

(Beifall der Abg. Dr. Franziska Brantner und Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

weiter fordern Sie eine europäische Strategie zur Altersarmutsbekämpfung, Mindeststandards für die nationalen Grundsicherungssysteme und die Gesundheitssysteme sowie eine europäische Richtlinie für Mindestlöhne. Darauf werde ich nachher auch kurz eingehen; das haben Sie in Ihrer Rede ganz vergessen. – So viel zu den inhaltlichen Punkten, liebe Frau Brantner.

Sie schreiben in Ihrem Antrag, jetzt sei das Zeitfenster der allgemeinen Reform- und Vertiefungsdiskussionen. Wenn ich mir die Anträge der AfD anschaue, dann ist da nichts mit dem Zeitfenster für Reformen und die Vertiefung Europas. Die wollen sicherlich keine Vertiefung, und sie wollen Reformen, die wir nicht wollen, die die Mehrheit dieses Hauses nicht möchte und die in Europa auch nicht mehrheitsfähig sind.

Deswegen sind, Herr Kleinwächter, auch die Punkte in Ihrem Antrag indiskutabel. Wenn man die Warenverkehrsfreiheit damit gleichsetzt, mehr Schmuggel zu ermöglichen, wenn man die Dienstleistungsfreiheit mit Preis-, Qualitäts- und Lohnwettläufen gleichsetzt, dann zeigt das ebenso wie viele Beispiele mehr, die Sie in Ihrem komischen Antrag, würde ich jetzt mal formulieren, dargestellt haben, dass Sie Europa nicht die notwendige und gebührende Ernsthaftigkeit beimessen, die es verdient.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Doch! Aber Sie müssen auch die Probleme sehen, Herr Aumer!)

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Aufgabe sicherlich auch der Volksparteien und vor allem für uns als CDU und CSU; denn für uns ist Europa die große Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit.

Wenn man schaut, wer denn die Antworten zu der Finanz- und Wirtschaftskrise, zum Thema Klimawandel – bei der Flüchtlingsfrage sind wir sicherlich noch am Kämpfen –, bei der Folgenabwicklung für die Coronapandemie gegeben hat, zeigt sich: Überall da ist Europa dabei, Antworten zu geben und Antworten zu finden, oder es hat schon Antworten gegeben.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Das ist eher „Wünsch dir was“!)

Das ist vor allem das Verdienst Deutschlands – für uns ist dieses Europa ganz wesentlich – und vor allem auch ein Verdienst der Bundeskanzlerin. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, zeigt auch, welchen Stellenwert für uns die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene hat.

Wenn Sie jetzt heute mit Ihrem populistischen Antrag zum Thema „EU-Richtlinie für europäische Mindestlöhne“ kommen – Herr Kleinwächter hat ja heute im Ausschuss sehr großspurig angekündigt, dass es eine große Debatte dazu geben wird; ich habe mir den Antrag mal angeschaut: sehr viel Substanz hat er nicht –, so wird auch das dem Thema nicht gerecht.

Wir müssen natürlich schauen: Welche Kompetenzen hat Europa? Für uns ist die Tarifautonomie ein Bereich, den vor allem die Mitgliedsländer regeln. Für uns ist die Sozialpolitik der Bereich, der, auch vertraglich geregelt, bei den Mitgliedsländern liegt. Deswegen muss unsere Antwort sein – und auf diese Debatte im Bundestag, Frau Brantner, würde ich mich auch freuen –, dass man neben den Sozialstandards auch mal fragt: Wie können wir denn Europa zukunftsfähig machen? Welche Antworten können wir in der Wirtschaftspolitik, in der Bildungspolitik, in allen anderen Bereichen geben?

Der Präsident sagt jetzt leider, ich muss aufhören. Deswegen kann ich nicht mehr ausführen.

Ich möchte Sie bitten: Lassen Sie uns in einen Dialog einsteigen, was Europa stärker macht, was Europa in die Zukunft führt. Dazu gehört sicherlich anteilsmäßig die Sozialpolitik, aber nicht nur.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. – Die Anträge lehnen wir ab.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Maske auf, Peter Aumer!

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)