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Nikolas Löbel: "Es geht auch um die politische Begleitung einer Konfliktlösung"

Rede zum Bundeswehreinsatz in Kosovo (KFOR)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das KFOR-Mandat ist ein besonderes Mandat. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Diskussion im Jahr 1999. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass in meinem Land, in Deutschland, wieder über Krieg und Frieden diskutiert wurde.

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Und Rot-Grün hat die geführt!)

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder nicht von Krieg sprach, sondern sagte: Es ist eine Teilnahme zur Sicherung gegenseitiger kollektiver Sicherheit. – Es war kein Angriffskrieg, der uns durch das Grundgesetz untersagt ist. Es war eine humanitäre Intervention. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es war schon Krieg.

Heute ist der KFOR-Einsatz das am längsten bestehende Mandat der Bundeswehr, und es ist nach wie vor das schwierigste. Damals ging es um das Beenden von systematischem Völkermord; heute geht es um die Sicherung eines politischen und gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses. Insoweit stellt der Kosovo-Einsatz exemplarisch den Wandel der Herausforderung dar, vor der die Bundeswehr immer wieder steht: von der humanitären Intervention bis hin zu einer militärischen Sicherung eines politischen Prozesses.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 13. Juni 1999, also fast auf den Tag genau vor 19 Jahren, um kurz vor 18 Uhr schoss ein deutscher Soldat zum ersten Mal nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf einen Menschen.

(Zuruf von der AfD: Eine Schande!)

Es war Selbstverteidigung. Das führt uns aber auch die historische Bedeutung dieses Einsatzes vor Augen.

Heute können wir sagen: Die Lage im Kosovo ist grundsätzlich ruhig und stabil. Es bleibt aber ein Konflikt und ein Eskalationspotenzial, vor allen Dingen im Norden des Landes. Es geht seit vielen Jahren um ein langsames Ausgleiten des Einsatzes, wie es die Bundesverteidigungsministerin einmal nannte. Einst waren es 6 000 deutsche Soldaten, heute sind es 450 Soldatinnen und Soldaten. Die Obergrenze liegt bei 800.

Schon lange geht es nicht mehr nur um eine militärische Verantwortung Deutschlands; es geht auch um die politische Begleitung einer Konfliktlösung; denn im Kosovo findet zwischen Albanern und Serben ein Normalisierungsdialog statt. Dabei steht es uns nicht zu, auf der Landkarte einen Trennstrich zu ziehen.

Serbien, Albanien, Kosovo – es ist das Selbstbestimmungsrecht eines Volkes, sich zu entscheiden, in welchem Land es leben will. Der Kosovo hat sich vor zehn Jahren für die Unabhängigkeit entschieden, und es ist eben nicht unsere Aufgabe, den Blick in die Vergangenheit zu werfen, sondern für eine sichere Zukunft zu sorgen. Die Präsenz der Bundeswehr ist unser deutscher Beitrag zur Stabilisierung auf dem westlichen Balkan.

Der Kosovo ist kein gescheiterter Staat, wie es manche Vertreter der AfD hier behaupten. Der Kosovo ist der zweitjüngste Staat auf der Welt; er ist der jüngste Staat in Europa. Der Kosovo braucht unsere Hilfe: militärisch, wirtschaftlich, finanziell, politisch.

Seit 1999 sind 570 Millionen Euro in die wirtschaftliche Aufbauhilfe des Landes geflossen.

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Erfolglos!)

Das ist noch nicht genug. Angesichts von 50 Prozent Arbeitslosigkeit und 80 Prozent Jugendarbeitslosigkeit gibt es im Kosovo viel zu tun. Es geht aber vor allen Dingen darum, dem Kosovo eine europäische Perspektive zu geben. Der Kosovo ist der jüngste Staat Europas, habe ich gesagt. Es liegt im deutschen, im europäischen geopolitischen Interesse, dass wir dort aktiv bleiben.

Wie meine ich das? Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, und diese Definition ist untrennbar mit dem System der kollektiven Sicherheit verbunden. Auslandseinsätze der Bundeswehr sind dabei auch keine Auslaufmodelle, liebe Kolleginnen und Kollegen. Auslandseinsätze sind der Ausdruck deutscher Verantwortung in der internationalen Gemeinschaft.

(Beifall des Abg. Josip Juratovic [SPD])

Natürlich spielen auch geopolitische Überlegungen eine Rolle.

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Aha! Jetzt kommt es!)

Die USA, Russland, China, ja sogar Saudi-Arabien mischen auf dem Balkan, mischen im Kosovo mit.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Und Deutschland!)

Es geht um strategischen, politischen, wirtschaftlichen Einfluss. Sichern wir den Einfluss Europas auf dem Westbalkan, im Kosovo, durch einen deutschen Beitrag! Europa endet nicht an der europäischen Außengrenze. Europa ist mehr. Europa bedeutet Verantwortung; Verantwortung für unsere Nachbarn und für die Länder wie den Kosovo, die sich eine europäische Perspektive und eine deutsche Unterstützung wünschen.

Stimmen wir also heute für die Mandatsverlängerung! Führen wir das längste und vielleicht auch das schwierigste Mandat in der Geschichte der Bundeswehr zu einem erfolgreichen Ende!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)