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Nikolas Löbel: Die Türkei ist ein wichtiger NATO-Partner

Erosion des Rechtsstaats in der Türkei stoppen

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Beste an den vorliegenden Anträgen ist genau diese Debatte. Es ist gut und richtig, dass sich der Deutsche Bundestag im Vorfeld des Berlin-Besuchs des türkischen Staatspräsidenten mit der Türkei und den dortigen negativen Entwicklungen beschäftigt. Politik bedarf manchmal diplomatischer Worte, manchmal deutlicherer Worte. Dabei ist die Rollenverteilung manchmal im Vorfeld definiert. Ich finde, die Bundesregierung hat in den letzten Jahren seit dem Putschversuch in der Türkei stets zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Worte gefunden. Auch wir als deutsches Parlament finden heute die richtigen Worte. Wenn der türkische Staatspräsident nach Berlin kommt, dann wird er wie jeder andere Staatsgast willkommen geheißen; denn wir empfangen alle unsere Gäste höflich, freundlich und mit einem Lächeln im Gesicht. Bei uns in Deutschland gilt: Der Gast ist König, aber auch nur König, kein Kaiser.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich sage Ihnen aber auch meine ganz persönliche, meine ehrliche Meinung. Ich halte es für nicht richtig, gleich für jeden Gast den roten Teppich auszurollen und das gute Silberbesteck aus dem Schrank zu holen. Es gibt Gäste, die können diese Geste der reinen Höflichkeit falsch interpretieren. Präsident Erdogan könnte diese Geste der reinen Höflichkeit als Zeichen eines türkischen Triumphs verstehen, und das darf nicht passieren. Dennoch ist es die Entscheidung unseres Bundespräsidenten, und diese haben wir zu akzeptieren.

Aber als Mitglied des Deutschen Bundestags wundere ich mich schon, dass Präsident Erdogan heute in einem Gastbeitrag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ Empfehlungen ausspricht, wie wir uns das Wohlgefallen des türkischen Volkes verdienen könnten. Bei allem Respekt, aber als Mitglied des Deutschen Bundestags und als Bürger dieses Landes habe ich eine klare Erwartungshaltung gegenüber dem türkischen Staatspräsidenten. Wenn Präsident Erdogan morgen über den roten Teppich läuft, dann schreitet er auf dem Boden von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit. Diese Grundwerte werden nicht durch den roten Teppich verdeckt oder gar versteckt, sondern werden durch ihn betont. Wer auf diesem Teppich läuft, von dem verlangen wir ein klares Bekenntnis zu diesen Grundwerten, ohne Wenn und Aber, lieber Herr Präsident.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Halten wir fest: Die Türkei ist und bleibt ein strategisch wichtiger Partner. Die Türkei ist ein wichtiger NATO-Partner. Die Türkei war und ist auch ein Lieblingsziel vieler deutscher Urlauber. Die Türkei ist auch Heimat von über 3,5 Millionen in Deutschland lebenden Türken. Daher ist und darf uns die Entwicklung der Türkei schon aus innenpolitischen Gründen nicht egal sein. Sie ist uns auch nicht egal. Deswegen betonen wir Prinzipien, die für uns gelten und die in einer Partnerschaft auch immer gelten sollten: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Das sind Werte, die für uns Deutsche unverhandelbar sind. Wenn sich die Türkei von dem Weg dieser Werte wegbewegt, dann müssen wir als Freund, als Partner und als Deutschland das anmahnen, und zwar immer und immer wieder. Genau das tut die Bundesregierung, wie ich finde, in dem gebotenen Maß, wie es sich gehört. Kritik trägt man nicht nur medial vor. Kritik trägt man am besten auch im persönlichen Gespräch vor. Deswegen ist es gut, dass die deutsche und die türkische Regierung miteinander im Gespräch sind. Dazu kann auch dieser Staatsbesuch von Präsident Erdogan in den nächsten Tagen dienen.

Wir müssen der Türkei eigentlich nur ihre wirtschaftliche Situation vor Augen führen. Der Türkei steht, wirtschaftlich gesehen, das Wasser bis zum Hals. Die wirtschaftliche Entwicklung der Türkei hängt unmittelbar mit dem politischen Wandel des Landes zusammen. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind keine Garanten für wirtschaftlichen Wohlstand, wohl aber noch immer der beste Weg, um Wohlstand für alle zu ermöglichen. 60 Prozent der Wirtschaftsleistung der Türkei sind abhängig von der Europäischen Union. Deswegen hat die Europäische Union, deswegen hat Deutschland ein elementares Interesse, dass die Türkei der europäischen Wertegemeinschaft nicht endgültig den Rücken zukehrt. Aber das liegt allein an der Türkei.

Ein Kollege von den Grünen wies schon darauf hin, dass Präsident Erdogan auf dem Weg zu uns die App, die das Erstatten von Anzeigen erleichtert, freigegeben hat. Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Mithilfe einer Smartphone-App können Kritiker der türkischen Regierung bei der Zentralbehörde der türkischen Polizei EMG weltweit angezeigt werden. Die App wurde extra entwickelt, um Anzeigen zu erleichtern. Nun kann man vermeintliche Vaterlandsverräter ganz einfach und kostenlos anklagen sowie Daten und Bilder hochladen. Der Beschuldigte bekommt davon überhaupt nichts mit. Erst bei seiner Einreise in die Türkei wird er über ein laufendes Verfahren informiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer die Idee des Rechtsstaats so mit Füßen tritt und das Ganze auch noch digitalisiert, statt es zu reformieren, braucht sich nicht zu wundern, dass er über das erste Kapitel der EU-Beitrittsverhandlungen nicht hinauskommt und dass er kein Teil der europäischen Wertegemeinschaft ist.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)