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Nikolas Löbel: "Das Hauptproblem ist mangelndes Vertrauen zwischen Ost und West"

Aktuelle Stunde zur Zukunft des INF-Vertrages als Kernelelement europäischer Sicherheit

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der INF-Vertrag war der Anfang vom Ende des Kalten Krieges. Die einseitige Aufkündigung dieses INF-Vertrages könnte der Anfang vom Ende der friedvollen Welt sein, die ich kennengelernt habe.

Der INF-Vertrag ist der Stabilitätsanker für Frieden und Freiheit auf der Welt und erst recht in Europa. Machen wir uns nichts vor: Der INF-Vertrag steht auf der Kippe. Der amerikanische Präsident hat in der für ihn bekannten intellektuellen Kürze angekündigt, dass die USA ihn einseitig aufkündigen und sich zurückziehen würden. Er hat nicht gesagt, wann, er hat nicht gesagt, wie, und er hat auch nichts zu den in Artikel 15 vorgesehenen Bedingungen dafür gesagt. Doch jenseits dieser Politik der scharfen Rhetorik und der intellektuellen Kürze bedarf es eines tieferen Einblicks in die Materie; denn es ist kein Problem von Donald Trump allein. Das Problem des INF-Vertrages besteht schon eine geraume Zeit.

Ich glaube, das Hauptproblem des INF-Vertrages ist mangelndes Vertrauen, mangelndes Vertrauen zwischen Ost und West, mangelndes Vertrauen zwischen Russland, Europa und Amerika. Schon seit 2006 erleben wir eine Erosion der europäischen Sicherheitsstruktur. Vielleicht müssen wir feststellen, dass Europa ein bisschen zu arrogant war, vielleicht sind wir es manchmal immer noch; denn wir haben die Reformfähigkeit der russischen Armee völlig unterschätzt und die wirtschaftliche Abhängigkeit Russlands von der EU überschätzt. Russland hat sich ganz klar auf den Weg gemacht. Es hat gezeigt, dass es ein gesteigertes Interesse hat, in die militärische Konfrontation zwischen GUS-Staaten einzutreten. Das ist klar gegen den erklärten Willen der NATO und der EU.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist im deutschen und im europäischen Interesse, die Begrenzung von Atomarsenalen und das Verbot von landgestützten Mittelstreckenwaffensystemen zu erhalten und zu sichern. Deswegen ist es wichtig, festzustellen: Der INF-Vertrag ist noch nicht tot, und, Herr Kollege Hampel, wir sollten ihn auch nicht totreden.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Er ist schon tot! Weiter!)

Der INF-Vertrag braucht eine Modernisierung. Warum braucht er eine Modernisierung? Weil es heute nicht mehr zeitgemäß ist, dass er nur Amerika und Russland umfasst. Auch andere Mächte wie China müssen eingebunden werden.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Genau!)

Wir müssen auch darüber sprechen, dass er nicht mehr zeitgemäß ist in einer Zeit, in der es andere Waffensysteme gibt. Es gibt neue Waffensysteme: Hyperschallwaffen, vollautomatisierte Waffen oder Weltraumwaffen. Wir brauchen eine Überarbeitung, eine Modernisierung des INF-Vertrages.

Wenn es so weit kommen sollte, dass tatsächlich eine einseitige Aufkündigung erfolgt – das müssen wir verhindern –, dann braucht es eine deutsche, eine französische, eine europäische Initiative, um den INF-Vertrag neu auszuhandeln. Das muss unsere Antwort auf die Ankündigung aus den USA sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade im Hinblick auf das hundertjährige Jubiläum des Endes des Ersten Weltkriegs am kommenden Wochenende – –

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Jubiläum würde ich das nicht nennen, Herr Kollege!)

– Ja, vielleicht ist es nicht Jubiläum zu nennen, aber es ist ein Tag des Innehaltens.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Mit Jubel hat das nichts zu tun!)

100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges, Herr Kollege Hampel, sollten wir innehalten. Wir sollten uns gut überlegen: Wie wirken wir für die Zukunft, übrigens auch hier im Parlament? Die Lehre der Geschichte ist, dass wir erkennen müssen, dass mehr Multilateralismus, mehr internationales Vertrauen, mehr internationale, gemeinsame Sicherheitsstruktur die Antwort darauf sein muss, dass das, was vor 100 Jahren geschehen ist, nie wieder passieren darf. Das sind wir nicht nur dieser, sondern auch den kommenden Generationen schuldig. Der INF-Vertrag ist dafür ein Stabilitätsanker.

(Armin-Paulus Hampel [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)