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Michael Frieser: Die Türkei ist ein strategischer Partner

Erosion des Rechtsstaats in der Türkei stoppen

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Graf Lambsdorff, Sie hatten schon darum gebeten, wir sollten uns bei diesem Prozess ehrlich machen. Dass ein Beitrittsprozess, der zum Erliegen gekommen ist, wenig Ansatzpunkte bietet, um noch etwas Neues sprießen zu lassen, ist uns allen bewusst und klar. Aber die entscheidende Frage ist im Augenblick doch die: Durch was ersetzen wir ihn? Da hilft Einseitigkeit nicht weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Einen Strang abzutrennen, der uns tatsächlich noch helfen kann, führt uns nicht weiter. Das gehört alles zusammen.

Ja, wir erwarten einen speziellen Gast. Aber der Theaterdonner, der hier zu hören ist, die Fragen in dieser sehr überhitzten Debatte werden der Realität nicht ganz gerecht. Wann, wenn nicht jetzt, ist der Zeitpunkt, um dem türkischen Volk unseren Respekt zu bezeugen, um die Hand auszustrecken und deutlich zu sagen: „Dieser Staatsbesuch ist Ausdruck des Respekts gegenüber dem türkischen Volk“? Respekt ist eine Vorleistung, die wir übrigens auf der anderen Seite im selben Maße einfordern.

Wann, wenn nicht jetzt, kann man für die Freilassung der illegal Inhaftierten eintreten? Wann, wenn nicht jetzt, kann man dafür eintreten, dass dieser Staat, dass dieser Präsident zum Rechtsstaat zurückkehrt? Wann, wenn nicht jetzt, kämpfen wir tatsächlich offen im Sinne der türkischen Bevölkerung in Deutschland, der deutschen Mitbürger mit türkischen Wurzeln, wenn es um den Einsatz für die Meinungsfreiheit geht? Wann, wenn nicht jetzt, können wir diese militärischen Irrwege, die die Türkei geht, tatsächlich anprangern, auch vor der Weltöffentlichkeit? Und wann, wenn nicht jetzt, muss man trotzdem zu der Erkenntnis gelangen: „Die Türkei ist ein wichtiger Partner für uns“? Das bleibt sie, egal welche Irrwege der Staatspräsident an welchen Stellen geht.

Klar ist: Die Türkei ist ein strategischer Partner. Die NATO und das Militär wurden schon angesprochen. Die Türkei ist aber auch ein wesentlicher strategischer Partner, wenn es um den Kampf gegen den Terror geht. Deshalb, glaube ich, ist es unsere Aufgabe, auch dafür zu sorgen, die Türkei, dieses Volk, diese Bürger nicht in die falschen Arme zu treiben, indem wir Offenheit signalisieren, den Gesprächsfaden aufrechterhalten und uns jeweils auch Respekt erweisen.

Selbst der Staatspräsident hat bemerkt, dass seine Weltfantasien einer Islamführung zu bröseln beginnen und dass die Politik, die er dem Land verordnet hat, im Augenblick in eine extreme Wirtschafts- und Währungskrise führt. Wir können kein Interesse daran haben, dass die Türkei weiter destabilisiert wird. Sie muss ein Stabilitätsanker in dieser Region bleiben. Dafür können und müssen wir alles tun, selbst manchmal sogar unsere Scheu überwinden, mit Menschen zu reden, die nach unserer Auffassung keine lupenreinen Demokraten sind. Das ist die Aufgabe einer demokratischen, offenen Gesellschaft.

In diesem Sinne ist auch die Respektsgeste eines Staatsbesuches zu verstehen. Glauben Sie allen Ernstes, dass das Ausschlagen einer Einladung zum Abendessen auch nur einem Inhaftierten oder einem Flüchtling helfen wird? Ich glaube das nicht. Ich glaube, dass man tatsächlich die Form wahren muss, damit man am Ende mit dem richtigen Maß zum Inhalt gelangt. Deshalb halte ich es für richtig, das Staatsbankett abzuhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte. Die übereilte Zusage von Finanzhilfen hilft uns nicht weiter. Wer waren denn diejenigen, die gar nicht früh genug die Türkei in die EU holen konnten? Nein, die Wahrheit liegt tatsächlich in der Mitte. Wir müssen dem türkischen Präsidenten zurufen: Bitte kehren Sie zu rechtsstaatlichen Prinzipien und zur Freiheit zurück! Lassen Sie politisch illegal Inhaftierte frei! Vor allem: Hören Sie bitte auf, die deutschen Mitbürger mit türkischen Wurzeln als Spielball Ihrer Interessen in Deutschland zu benutzen! Das sind die Botschaften dieses Staatsbanketts.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU)