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Matern von Marschall: Wir dürfen auch die Ärmsten in der Welt nicht vergessen

Rede zur nationalstaatlichen Souveränität bei EU-Corona-Hilfe

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dankbar, dass wir, wenn auch in dieser besonderen Weise, zusammenkommen können, damit die parlamentarische Debatte wieder an Fahrt aufnimmt; das hat sie ja heute auch getan. Ich bin aber auch dankbar, weil wir als Vertreter der Regierungskoalition, der CDU/CSU-Fraktion, selbstverständlich – um dieses Thema geht es heute natürlich auch – unser Königsrecht, das Haushaltsrecht, sehr bewusst wahrnehmen wollen und werden.

Ich habe wie viele von uns, wie viele von Ihnen in den letzten Wochen erlebt, wie ungeheuer intensiv die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort ist, wie ungeheuer leistungsfähig und leistungsbereit die Verwaltungen und all diejenigen, die in vielen Bereichen der Gesellschaft Hilfe leisten, sind. Das war für mich eine außergewöhnliche Erfahrung, die ich hier mitgeben möchte, weil sie auch zur parlamentarischen Arbeit gehört, aber auch, weil sie gerade in dieser Zeit aus technischen Gründen wenig sichtbar gewesen ist.

Wir – der Kollege Petry sitzt auch hier – haben gerade eben eine Konferenz mit dem Ausschuss für Grenzüberschreitende Zusammenarbeit verlassen. Da ging es um die Frage: Wie können wir allmählich – im Falle meiner Heimat zwischen dem Elsass und Baden – wieder eine halbwegs erträgliche Durchlässigkeit der Grenze gerade für die vielen Pendler auf dem Weg zur Arbeit ermöglichen? Man sah also sofort: Diese Krise ist eben keine nationale, sondern sie ist eine, die alle Menschen gleichermaßen trifft, weil der Virus keine Grenzen kennt. Deswegen müssen wir hier deutsch-französisch, müssen wir hier europäisch zusammenarbeiten und können uns nicht einigeln in die Kaltherzigkeit des Nationalismus, die aus Ihrem Antrag spricht, den wir schon aus diesem Grunde rundheraus ablehnen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Christian Petry [SPD] und Dr. Christoph Hoffmann [FDP])

Ich will ganz deutlich sagen: Die von den Finanzministern und heute auf dem Europäischen Rat verabschiedeten drei Programme, über die gesprochen worden ist, sind gut. Wir werden auch hier im Bundestag nochmals darüber beraten, weil der Bundestag in allen diesen Punkten zustimmungspflichtig ist. Dann werden wir ganz genau sehen, welche Beträge, welche Haftungsrisiken auf Deutschland entfallen und ob wir das für verantwortbar halten und dem dann auch zustimmen können.

(Peter Boehringer [AfD]: Da sind wir sehr gespannt, ob Sie 1 Billion für verantwortbar halten!)

Ich bin ziemlich sicher, dass es gut ist, dass wir einen Teil des ESM der Bekämpfung von Corona widmen. Und zwar geht es ja hier vor allen Dingen darum, dass Ländern, die dies vielleicht allein nicht schaffen würden, Marktzugang und Zugang zu Geld verschafft wird. Das ist aber ein sogenanntes vorbauendes Verfahren, damit nicht irgendwelche Spekulanten gegen diese Märkte spekulieren, um dann künstlich die Zinsen hochzutreiben. Das ist schon mal gut.

Das Zweite, was gut ist, ist, dass die EIB Kredite an Unternehmen vergibt. Das ist das, was wir hier in Deutschland mit der KfW machen. Insofern drücken wir hier jetzt mit dem, was wir aus eigener Stärke heraus leisten können – andere können das nicht unbedingt leisten –, unsere Hilfsbereitschaft aus. Das finde ich sehr vernünftig, ausgesprochen hilfsbereit und gut.

Zum Dritten. Auch das Programm SURE ist ja ein wenig – ich sage es jetzt mal so – von unserem Kurzarbeitergeld abgekupfert. Das soll jetzt vorübergehend auch zur Verfügung stehen.

(Peter Boehringer [AfD]: Deshalb fehlt das Geld ja auch nicht national!)

– Herr Boehringer, hören Sie doch einfach mal zu.

Jetzt will ich ganz klar sagen: Diese Dinge sollen vom Betrag und vom zeitlichen Umfang her scharf begrenzt sein und dem Zweck dienen, den Europäern, die in dieser Situation, in dieser Krise besonders leiden, zu helfen. Dann sollen sie aber auch wieder verschwinden; das ist doch ganz klar.

(Peter Boehringer [AfD]: Der ESM sollte ja auch mal verschwinden! 2012 schon! Die Sektsteuer auch!)

Die Phantasien der Linken und der Grünen von den Billionenpaketen wollen wir uns mal ganz genau anschauen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das, was wir brauchen, ein Programm ist, das der wirtschaftlichen Produktivität der europäischen Länder hilft. Daran mangelt es nämlich. Es mangelt an wirtschaftlicher Prosperität, an Wachstum und an Leistungsfähigkeit. Dafür die Rahmenbedingungen zu verändern, daran sollten wir arbeiten. Wir sollten den Markt nicht mit Geld überschwemmen. Es hilft am Ende überhaupt niemandem, wenn dahinter keine leistungsfähigen Wirtschaften sind.

Dafür wollen wir uns einsetzen, und ich glaube, das werden wir da, wo wir gemeinsamen europäisch arbeiten – und das sind ja viele von uns, auch über Fraktionen hinweg –, sicher auch gemeinsam europäisch hinbekommen.

Ich bin sehr enttäuscht, dass schon am Beginn dieser Herausforderungen, die wir jetzt bewältigen müssen, Einzelne – namentlich die AfD-Fraktion – diese schwierige Bewährungsprobe dazu nutzen, ihre eigene scheußliche nationalistische Suppe zu kochen. Das werden wir nicht akzeptieren.

Zum Abschluss, Herr Präsident: Wir dürfen auch die Ärmsten in der Welt nicht vergessen. Es ist unsere Aufgabe, gerade denen, die am wenigsten Schutz vor dieser Krise haben, zu helfen. Deswegen: Lassen Sie uns die WHO stärken! Lassen Sie uns die Menschen insbesondere in Afrika im Blick haben, die besonders stark leiden werden, weil sie am wenigsten geschützt werden!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)