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Marc Henrichmann: Die Union hat mit der Verschärfung im letzten Jahr ein eindeutiges und richtiges Signal gesetzt

Rede zum Vollverschleierung im öffentlichen Raum

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher! Die erste Rede ist immer ein bisschen mit Freude darüber verbunden, jetzt endlich in die Sacharbeit intensiv einzusteigen. Aber die Ernüchterung machte sich gestern Mittag schnell breit; der Antrag war bereits angekündigt. Da wir wissen, dass in Verfassungsrechte eingegriffen werden soll, erwartet man tiefgehende Begründungen. Die Begründungen waren doch relativ dürftig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man in Verfassungsrechte eingreift, dann hätte man zumindest dahin gehend Begründungen erwartet, welche konkreten Probleme denn bestehen, wie viele Burkaträgerinnen man irgendwann – wo auch immer – gesehen hat, gerade weil es in diesem Bereich Verschärfungen im letzten Jahr gab; das wurde angesprochen. Vielleicht bin ich kommunalpolitisch romantisiert, aber ich kenne das Formulieren von Anträgen so, dass man eine Problemlage schildert und dann dazu den Lösungsweg bietet. Die Frage ist: Geht es hier um Lösungen oder eben nicht? Das müssen Sie beantworten.

In der vergangenen Woche bin ich zum Kommunalen Integrationszentrum in meinem Heimatkreis gefahren und habe die Mitarbeiter gefragt: Wie viele vollverschleierte Personen habt ihr hier im letzten Jahr gesehen? Die Reaktion waren erstaunte Blicke, und die Antwort lautete: gar keine. Wie gesagt, wir reden hier über Verfassungsrechte, eine entsprechende Begründung hätte man zumindest erwarten dürfen. Neben Ernüchterung löste der Antrag auch Erstaunen aus, weil im ersten Satz der Begründung dieses Antrags der Schutz der Freiheitsrechte muslimischer Frauen gefordert wird. So etwas bei der AfD zu lesen, ist schon allerhand. Donnerwetter! Da hat ein Umdenken offensichtlich schon stattgefunden. Hut ab vor dem zum Islam konvertierten Kollegen Ihrer Fraktion aus Brandenburg.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Was soll das jetzt?)

Zur Sache: Es hat im Jahr 2017 – wir haben es gehört – ein partielles Vollverschleierungsverbot gegeben mit weitreichenden Folgen in den Bereichen öffentlicher Dienst, Gerichte, Bundeswehr und bei Wahlen. Und wir haben die Grenzen des verfassungsrechtlich Möglichen damit ausgeschöpft. Ich kann ehrlich gesagt nicht erkennen, wo sich hier die Rechtslage oder die Rechtsauffassung geändert haben soll. Dazu lese ich auch im Antrag überhaupt nichts. Gesetze aber bis an den Rand des verfassungsmäßig Möglichen verschärfen zu wollen, um vermeintliche Probleme zu lösen, die im Antragstext gar nicht konkret benannt werden, halte ich für absurd.

Die Union hat mit der Verschärfung im letzten Jahr ein eindeutiges und richtiges Signal gesetzt. Die Vollverschleierung widerspricht unserer Kultur. Ich gehe sogar noch weiter: Sie steht für ein falsches Gesellschaftsbild, und sie behindert jegliche Integration.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber ich glaube auch, dass wir nicht alles verbieten können und nicht alles verbieten müssen, was wir ablehnen. Um es mit Montesquieu zu sagen:

Wenn es nicht unbedingt erforderlich ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es unbedingt erforderlich, kein Gesetz zu machen.

Das ist für mich übrigens auch der Unterschied zwischen selbstbewusstem Konservatismus und rückwärtsgewandter Willkür.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unsere Werte basieren auf dem christlichen Menschenbild, auf Gleichberechtigung und Freiheit. Wir sollten selbstbewusst für unsere Werte einstehen und sie verteidigen. Ich glaube, nur so können wir auch andere von unseren Werten überzeugen. Als Familienvater ist es mir wichtig, zu fragen: Was geben wir eigentlich unseren Kindern mit auf den Weg? Angst oder Selbstbewusstsein? Haben wir Angst vor einer Handvoll – das bestätigen alle Studien zu diesem Thema – ausländischer Touristinnen aus den Golfstaaten, die Burka tragen? Ich glaube, diese Angst müssen wir nicht haben.

Der Antrag, der heute vorliegt, ist angstgesteuert und setzt auf Willkür. Aber Willkür – das wurde schon angesprochen – kann schnell jeden treffen. Deswegen sollten wir auf der Grundlage unseres Menschenbildes Politik machen und nicht auf dem Rücken Einzelner.

Ich will gar nicht verhehlen, dass es Probleme und Handlungsbedarf gibt: bei Sprache, bei Integrationskursen. In Deutschland muss der Rechtsstaat durchgesetzt werden. Deswegen treten wir für ein Musterpolizeigesetz, für mehr Polizei und eine starke Justiz ein. Wir müssen auch den Dialog mit den Islamverbänden anders und offensiver führen, als wir das bislang getan haben. Ich rufe die gemäßigten Vertreter ausdrücklich auf, sich an der Debatte zu beteiligen. Wir können keinen isolierten und keinen radikalen Islam in den Hinterhöfen unserer Städte akzeptieren. Aber Ihnen geht es hier nicht um den kritischen Dialog oder um Lösungen. Sie schüren Ängste; das ist Ihre Existenzberechtigung.

Schlussbemerkung: Ich bin, ehrlich gesagt, dieses Pingpong ein bisschen leid, das wir in den letzten Tagen in diesem Hohen Haus erlebt haben. Immer wenn es um Islam und Integration geht, wird im linken politischen Spektrum schnell die rosarote Brille aufgesetzt, und auf der anderen Seite gibt es Verbitterung und Schaum vor dem Mund. Ich glaube, es bringt keinem was, wenn wir die Bracken hochklappen und Mauern hochziehen und uns gegenseitig mit Schmutz beschmeißen. Die Wahrheit liegt, wie so oft, in der Mitte. Wir stehen für die Partei der Mitte. Uns treibt das Vertrauen in die Stärke und das Selbstbewusstsein Deutschlands und seiner Menschen an.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)