Skip to main content
(Quelle: Tobias Koch)

Kurze Brexit-Verschiebung denkbar

Regierungserklärung zum Europäischen Rat

Bundeskanzlerin Angela Merkel hält eine kurzfristige Verschiebung des Brexit für machbar. In ihrer Regierungserklärung zum Europäischen Rat sagte sie am Donnerstag im Bundestag: „Ich bin überzeugt, dass wir eine geordnete Lösung des Austritts Großbritanniens brauchen.“ Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus betonte: „Egal, was passiert, … die Briten bleiben unsere Freunde, die Tür für die Briten bleibt offen.“

Angela Merkel
Foto: Tobias Koch

Großbritannien wollte eigentlich zum 29. März aus der EU austreten. In einem Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte Premierministerin Theresa May allerdings um eine Verschiebung bis Ende Juni gebeten. „Diesem Wunsch können wir im Grundsatz entsprechen“, sagte Merkel. Als Bedingung formulierte sie jedoch, dass das britische Parlament in der kommenden Woche den Austrittsvertrag mit der EU sowie das Zusatzdokument über die Auffangregelung für Nordirland verabschiedet. Falls es nicht zu einem solchen Votum komme, müsse man sich offenhalten, dass die Staats- und Regierungschefs in der kommenden Woche erneut zu einer Beratung in Brüssel zusammekommen.

Auf Seiten der jungen britischen Generation

Eine geordnete Lösung sei nicht nur im Interesse Großbritanniens, sondern auch Deutschlands und der gesamten Union, betonte die Kanzlerin. Man strebe auch für die Zeit nach dem Brexit eine enge und freundschaftliche Zusammenarbeit an – etwa in der Außen- und Sicherheitspolitik, bei der inneren Sicherheit sowie bei Wissenschaft und Forschung. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, man stehe auf Seiten der jungen Generation Großbritanniens, die für den Verbleib in der EU gestimmt hatte. Die Botschaft an sie laute: „Wir wollen Euch weiter haben, wir wollen Zukunft mit Euch gemeinsam gestalten.“

„Großartige Gestaltungschancen in Europa“

Angesichts der im Mai bevorstehenden Europawahl forderte Brinkhaus eine Akzentverschiebung hin zu den bevorstehenden Aufgaben der EU: „Wir wollen Europa besser machen, wir wollen Europa weiterentwickeln.“

Ralph Brinkhaus
Foto: Tobias Koch

Als Ziele nannte er unter anderem eine Kapitalmarktunion, eine Digitalmarktunion und eine Energiemarktunion. Man brauche harmonisierte Steuersysteme, einen gemeinsamen Ausbildungsmarkt und eine Innovationsplattform. Man wolle europäische Universitäten, eine europäische Polizei und einen europäischen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Alles in allem habe man „großartige Gestaltungschancen“ in Europa.

Weltspitze bei Innovationen anstreben

Auch die Kanzlerin mahnte, die Europäische Union müsse ihr Augenmerk nun auf die „fundamentalen Herausforderungen“ lenken, vor denen sie stehe. Europa habe seinen Bürgern zwei große Versprechen gegeben, ein Wohlstandsversprechen und ein Sicherheitsversprechen. Was Wachstum und Wohlstand angehe, so gehe die Entwicklung zwar in die richtige Richtung. „Das reicht aber nicht aus, um an der Weltspitze mitzuhalten.“ 

Angela Merkel
Foto: Tobias Koch

Wettbewerb mit USA und China annehmen

Merkel warb vor allem für eine neue europäische Industriepolitik. Große Player seien notwendig, um Marktmacht zu erreichen und im Wettbewerb mit China oder den USA mithalten zu können.  Man müsse nationale und europäische Fördermittel bündeln, damit man große Innovationen auch begleiten könne. Das heiße mitnichten, dass man den Staat an die Stelle der Wirtschaft setze. Auch Dobrindt befürwortete eine Reform des Wettbewerbsrechts. Die Konkurrenz für die europäischen Unternehmen bestehe heute nicht mehr innerhalb der EU, sondern auf den amerikanischen und chinesischen Märkten. Mit Blick auf China sprach die Kanzlerin auch vom Systemwettbewerb der freiheitlichen Marktwirtschaft mit der gelenkten Staatswirtschaft.

NATO-Verpflichtung einhalten

Was das Sicherheitsversprechen angeht, so bekannte sich Merkel zu der Verpflichtung, die man gegenüber der NATO abgegeben habe, nämlich bis 2024 die Verteidigungsausgaben auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. „Diese Verpflichtung einzuhalten, dafür stehe ich und dafür steht auch die Bundesregierung.“ Allerdings räumte sie ein: „Das wird uns Kraft abverlangen.“

Für gemeinsame Rüstungsexportregeln 

Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik brauche Verlässlichkeit zwischen Partnern, mahnte Merkel. Deutschland dürfe sich nicht – beispielsweise in der Rüstungspolitik – so verhalten, dass andere nicht mehr handlungsfähig seien. Auch Brinkhaus sprach sich für gemeinsame Rüstungsexportregeln aus. Frankreich und Großbritannien kritisieren die strengen deutschen Regeln, die in einigen Fällen den Export gemeinsam produzierter Rüstungsgüter unterbinden.