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Jürgen Hardt: "Wir sind in einer ausgesprochen schwierigen Situation"

Rede zur Aktuellen Stunde | Iran-Atomabkommen verteidigen – Kriegsgefahr abwenden

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu meiner Vorrednerin möchte ich nur sagen: Mit plumper antiamerikanischer Polemik

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Mein Gott, ist das langweilig!)

werden wir die Krise mit Sicherheit nicht in den Griff bekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU so wie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Martin Hebner [AfD])

Bemerkenswert ist ja, dass sich im Grunde die gesamte Welt – das hat sich auch in der UN-Resolution ausgedrückt – mit Blick auf das Ziel einig ist. Wir wollen den Iran – diplomatisch ausgedrückt – einhegen, insbesondere in Bezug auf seine vier aggressiven Handlungsweisen: den Plan, eine Bombe zu bauen; den Plan, Raketen zu entwickeln, die diese Bomben verschießen können, zum Beispiel nach Israel oder sogar nach Europa; die massive antiisraelische Propaganda, die der Iran regional, überregional und weltweit verbreitet; und nicht zuletzt die Förderung des Terrorismus des Iran im Jemen, in Syrien, im Irak, im Libanon, an der Grenze zu Israel, im Norden Israels und im Gazastreifen, wie wir es ganz massiv in den letzten Tagen erlebt haben. Wir sind uns in den Zielen einig. Aber es gibt seit der Diskussion um das Atomabkommen die nicht überwundene Meinungsverschiedenheit, was die richtige Strategie ist.

Auch schon zu Obamas Zeiten, der das Abkommen mit verhandelt, unterschrieben und befördert hat, hat es einen Streit darüber gegeben, ob der Iran durch die Wirtschaftssanktionen an einem Punkt sei, wo er zu wesentlich weiteren Zugeständnissen bereit sein müsste, als er das am Ende beim Abkommen gezeigt hat. Wir Europäer haben immer gesagt, dass wir bezweifeln, dass dieser Zustand erreicht ist. Wir glauben bis heute, dass letztlich andere in der Welt es im Zweifel gar nicht zulassen würden, dass es zu einer Art politischer Kapitulation des Iran gegenüber der amerikanischen Drohung kommt, weil zum Beispiel Russland und andere nicht zulassen würden, dass Iran in dieser Weise vorgeführt wird. Deswegen sagen wir: Diese massive Druck- und Drohtaktik, mit Wirtschaftssanktionen das Land auf die Flurplatten zu zwingen, wie man es bei der Marine sagen würde, wird nicht verfangen. Deswegen haben wir gesagt: Wir gehen den Weg über dieses Abkommen.

Es gibt ein arabisches Sprichwort: Ein Vogel in der Hand ist besser als zehn Vögel auf dem Baum. – Viele fühlen sich erinnert an unser europäisches Sprichwort von dem Spatzen und der Taube. Wenn verschiedene Kulturen zur Beschreibung eines vergleichbaren Phänomens einen ähnlichen Sinnspruch haben, dann könnte man darüber nachdenken, ob vielleicht etwas daran ist. Ich glaube tatsächlich, dass wir uns mit Blick auf den JCPoA mehr erhofft haben. Wir haben gedacht, damit öffnen wir ein Stück weit die Türen des Iran für die Welt. Wir ani mieren die jungen Menschen im Iran, zu sehen , dass es noch etwas anderes gibt als Wächterrat und Mullahregime. Wir kommen in eine neue Dimension der Gespräche mit Blick auf die übrige aggressive Handlungsweise.

Das hat sich leider alles nicht erfüllt. Dennoch: Im Blick auf das Ziel der Verhinderung der atomaren Bewaffnung hat uns das Abkommen tatsächlich ein Stück weiter gebracht, als es vorher der Fall war. Die massive Kritik, die ich an der amerikanischen Regierung übe, ist, dass die amerikanische Regierung – das ist im Übrigen in der Handelspolitik auch nicht anders –, dass der amerikanische Präsident Dinge, die er auf der Habenseite hat, zum Beispiel ein solches Abkommen und entsprechende Handelsvereinbarungen, riskiert, ohne diese Lücke tatsächlich mit einer besseren Alternative füllen zu können. Es ist ein ungeheures Vabanquespiel, darauf zu setzen, dass man vielleicht in der Zukunft mehr erreicht, als man heute in der Hand hat, und es vor diesem Hintergrund leichtfertig aufzugeben.

Ich finde, es ist die neue Dimension in der amerikanischen Politik, dass das überlegte, besonnene, kluge Vorgehen ersetzt wird durch dieses eruptive Vorgehen. Man könnte fast sagen, er hat Schumpeters zerstörerischen kreativen Prozess falsch verstanden. Man muss schon wissen, was man am Ende wie neu bauen will, wenn man etwas aufgibt oder einreißt. Diesen Eindruck haben wir leider nicht.

Deswegen sind wir in einer ausgesprochen schwierigen Situation. Ich finde, dass der Bundesaußenminister und die Bundesregierung auf europäischer Ebene eine gute Politik vertreten und mit durchgesetzt haben. Ich habe allerdings auch meinen Zweifel, ob wir tatsächlich eine Chance haben, das Abkommen zu erhalten. Aber dieses Abkommen, dieser Spatz in der Hand, ist besser als die Taube auf dem Dach.

Wenn man mit israelischen Wissenschaftlern, ehemaligen Generalen, Think-Tank-Experten hinter den Kulissen spricht, hört man sogar aus israelischen Mündern: Na ja, wir würden uns mit Blick auf den Iran natürlich etwas anderes vorstellen. Aber das Abkommen ist besser als nichts. – Deswegen sollten wir alles versuchen, die Amerikaner doch noch zum Umdenken zu bewegen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)