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Jürgen Hardt: " Eine enge Sicherheitspartnerschaft weiter pflegen"

Rede zur Partnerschaft EU - Vereinigtes Königreich

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man in diesen Tagen in Großbritannien ist, hat man das Gefühl, das mich immer im Studium überkommen hat: Man büffelt wochenlang für eine Klausur, man geht in sie hinein, schreibt fünf Stunden, geht aus dem Hörsaal heraus und hat das Gefühl, mehr als eine Vier ist es nicht geworden, dennoch ist man einfach nur froh, dass es vorbei ist. – Ich glaube, das ist die Stimmung, die im Augenblick in Großbritannien herrscht. Der Schalter ist auf „Brexit“ umgelegt. Deswegen haben die Bürgerinnen und Bürger auch Boris Johnson gewählt, wenngleich man darauf hinweisen muss, dass der klare Wahlsieg der Tories bei diesen Wahlen auf das Mehrheitswahlsystem zurückzuführen ist. Wenn man die Ergebnisse, die die Parteien bei der Wahl im Herbst 2019 erzielt haben, betrachtet, stellt man fest: 45 Prozent waren klare Befürworter des Brexits, 51 Prozent wollten zumindest ein zweites Referendum. Die Stimmungslage im Land ist also weiterhin gespalten und, so glaube ich, eher tendenziell Brexit-kritisch.

Aber wir müssen uns darauf einstellen, dass die Regierung Großbritanniens bis Ende des Jahres die Übergangsphase beenden will, also ein Abkommen erreichen will. Deswegen haben wir in unserem Antrag geschrieben, dass wir der Meinung sind, dass ein EU-only-Abkommen der richtige Weg ist. Denn etwas, was in den Mitgliedstaaten auch noch ratifiziert werden muss, ist bis Dezember nicht erreichbar.

(Beifall bei der FDP – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Genau, so ist es!)

Insofern hätte die FDP diesen Punkt auch mit uns machen können. Aber das wird uns nicht daran hindern, gemeinsam hier in diesem Hause diesen Prozess zu begleiten.

Ich möchte drei Punkte herausgreifen, die für mich als Außenpolitiker besonders wichtig sind. Ich finde es total wichtig, dass wir mit Großbritannien eine enge Sicherheitspartnerschaft weiter pflegen, und zwar nicht nur als treue Verbündete innerhalb der NATO, sondern auch, was die europäischen Anstrengungen der Außen- und Sicherheitspolitik, der PESCO und der Rüstungszusammenarbeit anbetrifft. Die PESCO ist grundsätzlich so angelegt, dass sie nur EU-Mitgliedern offensteht. Ich glaube, dass man darüber nachdenken muss, ob man im Rahmen eines Vertrages über die künftigen Beziehungen EU/Großbritannien auch eine Möglichkeit findet, die den Briten den Weg öffnet zum einen zum Europäischen Verteidigungsfonds, wenn sie sich an Verteidigungs- und Rüstungsprojekten, an der Entwicklung von Verteidigungswaffen beteiligen wollen, und zum anderen zur Unterstützung der PESCO-Projekte selbst. Das könnte, wie ich finde, ein Element eines solchen Vertrages sein.

Der zweite Aspekt, der mir besonders wichtig ist: Durch den zukünftigen Beziehungsvertrag darf nicht die Situation entstehen, in der Nordirland eine Art Zwitterstellung einnimmt. Ich hielte es sowohl für unsere Wirtschaft als auch für die britische Wirtschaft für problematisch, wenn man als Unternehmen in Nordirland über die nicht vorhandene Grenze zwischen Nordirland und Irland faktisch freien Zugang zum Binnenmarkt hätte, aber gleichzeitig auch volles Mitglied des Marktes in Großbritannien wäre. Das würde uns – das wäre zum Vorteil der Bürger Nordirlands, aber zum Schaden der anderen – in eine Situation bringen, die dem Binnenmarkt, aber letztlich auch Großbritannien schaden würde. Deswegen glaube ich, dass dieser Vertrag klar regeln muss, dass bestimmte Sonderstellungen in den Wirtschaftsbeziehungen, die vielleicht jetzt für Nordirland gerechtfertigt sind, auf Dauer entsprechend verändert werden.

Das Dritte, was ich erwähnen möchte: Ich glaube, dass wir als Deutsche über die Beziehungen EU/Großbritannien hinaus ein starkes Interesse daran haben, den jahrhundertelangen Freund Deutschlands Großbritannien eng an uns zu binden. Wir sollten den Vorschlag, über den wir bereits im letzten Jahr im Rahmen der Königswinter Konferenz in Oxford diskutiert haben und den mein Kollege Norbert Röttgen und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Unterhauses, Tom Tugendhat, gemacht haben, prüfen, nämlich ob wir mit der britischen Regierung, mit dem britischen Parlament, mit dem britischen Volk einen britisch-deutschen Freundschaftsvertrag schließen, in dem wir – ähnlich wie mit anderen Ländern – Fragen des bilateralen Jugendaustausches, der bilateralen Kulturbeziehungen usw. usf. entsprechend weiterentwickeln.

Das wären drei Dinge, die ich noch gerne zur Debatte beitragen würde. Ansonsten freue ich mich, dass es doch insgesamt auf dem Weg der EU im Verhältnis zu Großbritannien hier in diesem Haus eine breite demokratische Unterstützung gibt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)