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Gunther Krichbaum: "Wir brauchen die europäische Cloud"

Arbeitsprogramm 2021 der Europäischen Kommission

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Europäische Kommission hat ein Arbeitsprogramm vorgelegt, das sechs Prioritäten setzt und das ohne jeden Zweifel sehr ehrgeizig ist, weil es auf die nächsten zwölf Monate ausgerichtet ist und eines herstellen soll, nämlich Transparenz und damit auch Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft, der Unternehmen. Das ist der tiefere Sinn: das Handeln der Europäischen Kommission offenzulegen.

Weil jetzt hier verschiedentlich auch vonseiten der Linken einiges behauptet wurde – Herr Dr. Dehm hat gesagt, das Thema Impfen spielt da gar keine Rolle; Herr Hunko hat danach gesagt, man wolle sich an die Spitze der Welt setzen –, würde ich mit Erlaubnis des Präsidenten gerne aus dem Arbeitsprogramm zitieren:

Vor diesem Hintergrund wird sich die Kommission im kommenden Jahr vor allem auf Zweierlei konzentrieren. Erstens wird sie sich weiterhin nach Kräften darum bemühen, die Krise zu bewältigen, und die ersten Lehren daraus ziehen. Zu diesem Zweck wird sie insbesondere ihre Bemühungen im Hinblick darauf fortsetzen, einen sicheren und verfügbaren Impfstoff zu finden und zu finanzieren und dafür zu sorgen, dass dieser alle Menschen in Europa und weltweit erreicht.

Vor allem das Letztere erscheint mir wichtig: „weltweit“. Wir reden sehr viel über die Verfügbarkeit des Impfstoffes in Deutschland und auch in Europa; das ist alles nachvollziehbar. Aber wir dürfen auch nicht den Blick davor verstellen, dass in vielen Ländern dieser Welt überhaupt noch nicht damit begonnen wurde, zu impfen; da denke ich vor allem an die vielen afrikanischen Länder. Auch dafür haben wir als Europäische Union und vor allem als Bundesrepublik Deutschland eine Verantwortung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Prioritäten wurden ja bereits benannt: ein europäischer Grüner Deal, ein Europa, das für das digitale Zeitalter gerüstet ist, eine Wirtschaft im Dienste der Menschen, ein stärkeres Europa in der Welt, Fördern, was Europa ausmacht, neuer Schwung für die Demokratie in Europa – um sie namentlich zu nennen. Aber die oberste Priorität gilt selbstverständlich der Überwindung der Coronakrise. Corona darf aber nicht den Blick davor verstellen, dass es auch an anderen Stellen um die Sicherung des europäischen Wirtschaftsstandortes geht, was mit Corona sehr viel, aber mit der Coronakrise nur bedingt zu tun hat.

Was meine ich damit? Dieser Tage erreichen uns Meldungen, wonach die Firma Renault – ich kann jetzt gewisse Namen nicht vermeiden – wegen mangelnder Elektronikbauteile im laufenden Jahr vermutlich ungefähr 100 000 Autos weniger bauen wird. Das eigentliche Dilemma wird in diesem Jahr erst in den Monaten April bis Juni ersichtlich werden. Das gilt aber auch für deutsche Automobilhersteller wie beispielsweise VW. Auch da ist es so, dass vor allem die Engpässe bei der Halbleiterproduktion bzw. ‑belieferung für einen Rückgang der Automobilproduktion sorgen werden. VW hat genau aus diesem Grund Kurzarbeit in Wolfsburg angemeldet; die Rede ist von aktuell 8 000 Mitarbeitern, die davon betroffen sind.

Diese Diskussion wirft ein Schlaglicht darauf, wie wir in diesem Bereich aufgestellt sind. Und so wie wir noch vor zwei Jahren nicht daran gedacht hätten, dass vielleicht einmal medizinische Schutzmasken in Europa knapp werden könnten, so müssen wir jetzt und heute darauf reagieren, dass an ganz anderen Stellen die wirtschaftliche Prosperität dieser Europäischen Union und damit auch der Bundesrepublik Deutschland auf eine ernsthafte Probe gestellt wird. Deswegen – und da begrüße ich ausdrücklich die bereits gestarteten europäischen und deutschen Initiativen; deswegen waren gestern auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und seine Staatssekretärin Frau Winkelmeier-Becker bei uns im Europaausschuss – gilt es vor allem, jetzt die Weichen richtig zu stellen.

Wir sind auf sehr bedenkliche Art und Weise abhängig von amerikanischen Märkten. Damit meine ich nicht nur die Produktion, sondern auch die Distribution. Nur eine Zahl sei genannt: Bei der Halbleiterproduktion machen zehn Hersteller zwei Drittel des Gesamtweltmarktes aus, und von denen sind sechs US-amerikanische Unternehmen. Nur eines, Infineon, ist aus Europa.

Wir müssen deswegen dringend darauf achten, dass wir hier die richtigen Akzente für die Zukunft setzen. Denn eines sei auch gesagt: Selbst wenn die Distributoren in deutscher oder in europäischer Hand liegen: Wenn die Produktion in amerikanischer Hand liegt, sind die Daten der Zulieferung in einer amerikanischen Cloud. Deswegen wird auch an der Stelle sichtbar: Wir brauchen die europäische Cloud. Wir müssen uns hier wesentlich zukunftsfähiger aufstellen; sonst kommen wir in ein großes Dilemma.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und schönen Dank für die Zeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)