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Frank Heinrich: Natürlich fordern wir, dass alle politischen Gefangenen freigelassen werden

Redebeitrag zur Hinrichtung Navid Afkaris und der deutschen Iranpolitik

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Kollege im Menschenrechtsausschuss habe ich mich gefragt, ob wir in unterschiedlichen Welten leben. Ich nehme die Reaktion der Bundesregierung und die des Außenministers vollkommen anders wahr, als Sie es dargestellt haben.

Vom Hintergrund her ist es so, als ob man auf einer Beerdigung reden müsste. Der Ringer Navid Afkari – ich bin dankbar, dass wir hier über den Fall debattieren – hat mit seinen beiden Brüdern Vahid und Habib im Jahr 2018 an Protesten in Schiras teilgenommen. In mehreren iranischen Städten hat es damals solche Proteste gegeben. Auf den Kundgebungen wurden Regierung und Korruption kritisiert – also Oppositionsmeinungen.

Daraufhin wurde Navid Afkari verhaftet. Vor wenigen Wochen wurde er wegen „Kriegs gegen Gott“ und „Bildung einer Gruppe gegen das politische System“ für schuldig befunden und – wir haben es gerade gehört – doppelt verurteilt: zu sechseinhalb Jahren Haft und 74 Peitschenhieben sowie zum Tode. Das Geständnis soll laut mehrerer Zeugenaussagen unter Folter erzwungen worden sein. Seine beiden Brüder wurden ebenfalls verhaftet, und wir haben sehr große Zweifel daran – das Auswärtige Amt war also informiert –, dass diese Vorgehensweise veritabel ist. Die Menschenrechtsbeauftragte hat sich gemeldet. Das Auswärtige Amt hat sich gemeldet. Auch wir haben uns gemeldet, und mein Kollege Brand hat das Vorgehen verurteilt. Ich habe selber Oppositionellen ein Video zu diesem Vorfall geschickt. Trotzdem ist er letzten Samstag in der iranischen Stadt Schiras hingerichtet worden; er war 27 Jahre alt.

Dieser junge 27-jährige Mann hat es beispielhaft erleben müssen, wie der Iran tatsächlich vorgeht, in vielen der möglichen Facetten, wie inflationär in diesem Land Menschenrechte verletzt werden. Wir haben das schon häufiger erlebt. Immer wieder taucht der Name der Preisträgerin des Sacharow-Preises des Europäischen Parlaments auf: Nasrin Sotudeh. Sie wurde zu 33 Jahren Gefängnis und zu 148 Peitschenhieben verurteilt. Sie soll jetzt in Lebensgefahr schweben.

Da sind religiöse Minderheiten unterschiedlicher Art betroffen – sie sind ethnisch zu Hause und auch nicht: Kurden, Bahai, Christen, Sufi, Sunniten –, die vielfachen Diskriminierungen ausgesetzt werden. Homosexuelle und andere sexuelle Minderheiten geraten vor Ort regelmäßig nicht nur in die Gefahr von Belästigung und Gewalt, sondern sie sind oft auch dem Tod ausgesetzt.

Unzählige Fälle von Verschwindenlassen sind zwar dokumentiert, werden aber nicht aufgearbeitet. Darunter fallen alle Arten von Menschenrechtsverteidigern: Journalisten, Regierungskritiker, zivilgesellschaftliche Aktivisten. Sehr oft betrifft das auch politische Gefangene – wie in diesem Fall Navid Afkari –, denen nach Folter und Misshandlungen eine medizinische Behandlung vorenthalten wird. Zu den angewendeten Foltertechniken – das ist makaber genug – gehören nicht nur Waterboarding, sondern auch Elektroschocks, das Besprühen der Genitalien mit Pfefferspray und Ähnliches.

Wir haben das immer wieder angemahnt. Wir haben das auch im Menschenrechtsausschuss diskutiert. Damit komme ich zu der Gruppe, die ich vorhin schon in einem Nebensatz angesprochen habe, nämlich den Minderheiten. Das möchte ich kurz schildern. Letzte Woche hatte ich bei einer Zoom-Konferenz Kontakt mit mehreren Oppositionellen aus verschiedenen Ländern. Dabei sprach man auch über die religiösen Minderheiten. Ich fragte nach: Sind da auch unterschiedliche Christengruppen? Darauf hieß es: Ja; es gibt Verfolgungen auch bei denjenigen, die dort als Christen zu Hause sind. Die anderen, die konvertiert sind oder als Konvertiten in das Land zurückkehren, erleiden keine Verfolgung – die werden umgebracht. – Das war die Zeugenaussage einer Muslimin.

Noch weitere Freiheitsrechte sind stark eingeschränkt, wie es auch bei Navid der Fall war. Wir haben gesagt: Das kann man nicht so lassen. Auch die Bundesregierung hat das immer wieder gesagt. Natürlich fordern wir, dass alle politischen Gefangenen – da sind wir nicht anderer Meinung als Belarus gegenüber – freigelassen werden, dass die Repressionen verurteilt werden und endlich aufhören, dass im Syrien-Krieg nicht länger Jugendliche in den Revolutionsgarden eingesetzt werden und dass die iranische Regierung das, was sie versprochen hat, auch hält, dass die UN-Regeln eingehalten werden und dass die Einreise in den Iran erlaubt wird, damit das überprüft werden kann.

Ich möchte zum Abschluss das verlesen, was meine Fraktion hierzu deutlich formuliert hat:

Das gegen den Ringer Navid Afkari unter fadenscheinigen Argumenten verhängte Todesurteil … reiht sich ein in eine Politik konsequenter Menschenrechtsverletzungen von Seiten Teherans. Das Ajatollah-Regime … unterdrückt die eigene Bevölkerung systematisch.

Iran ist nach China der Staat mit den zweitmeisten –

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Und damit ist Ihre Redezeit auch abgelaufen. Tut mir leid.

 

Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU):

– vollstreckten Todesurteilen weltweit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)