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Frank Heinrich: "Die Situation für Christinnen und Christen hat sich in der Welt an vielen Stellen verschlechtert"

Rede zur Christenverfolgung

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Debatte zum Thema Christenverfolgung – da schlagen jedes Mal zwei Herzen in meiner Brust. Auf der einen Seite habe ich in der Vergangenheit selbst – als Christ, als ehemaliger Pastor und in meinem jetzigen Amt – viele Menschen in verschiedenen Ländern getroffen, habe in ihre Augen gesehen und weiß, dass sich die Situation für Christinnen und Christen in der Welt tatsächlich an vielen Stellen verschlechtert hat. Auf der anderen Seite schmerzt mich – das hat man ja auch in unserer Debatte bis jetzt miterlebt – die Schlagrichtung Ihrer Anträge, die Anwaltschaft, die Sie da scheinbar übernehmen. Mit der einseitigen Beleuchtung – meine Kollegen haben das gerade schon gesagt – dieses Themas tun Sie genau das, was die Religionsfreiheit auch für Christen eher verschlechtert als verbessert, nämlich eine Gruppe herauszuheben.

Sie sprechen Pakistan in einem der Anträge an. In Pakistan stellen fundamentalistische Organisationen für einige gesellschaftliche Gruppen tatsächlich eine Bedrohung dar. Die Bedrohung geht aus von sunnitischen Fundamentalisten gegen Christen, aber eben auch gegen Schiiten, gegen Ahmadiyya, die tatsächlich vom Staat als nichtmuslimisch klassifiziert werden, gegen Sikh und auch gegen gemäßigte Sunniten. Ihr Antrag, der differenzierter ist als letztes Mal,

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

schreibt aber dann am Schluss doch als Fazit: Kümmert euch um die Christen.

(Jürgen Braun [AfD]: Lesen Sie mal Galater 6, Vers 10! – Gegenruf des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Halten Sie sich an die Zehn Gebote! Gegen wie viele von Ihnen wird eigentlich ermittelt? Sie sind doch mit einem Bein im Knast!)

Im gleichen Tonfall sprechen Sie von Nigeria. Sie führen eine Menge struktureller und komplexer Probleme in Nigeria an und schlussfolgern dann aus mir unbekannten Gründen, die wirkliche Ursache der mannigfaltigen Probleme sei die verheerende Christenverfolgung. Meine Kollegin hat es gerade gesagt: Es ist weit differenzierter, und es geht tatsächlich auf ganz andere Auseinandersetzungen zurück. Selbst christliche Persönlichkeiten instrumentalisieren in diesem Land ihre Religion.

Ich war 2014 in dem Land, in der Region, wo Boko Haram wütet, und habe eine Kirche besucht; ich habe das in meiner letzten Rede schon erwähnt. In dieser Kirche gab es sieben Tage vorher einen Überfall, genau während des Gottesdienstes. Ich konnte anhand des Liederbuches noch sehen, an welcher Stelle des Gottesdienstes. Fulani und Boko Haram waren über diese Kirche und dieses Dorf hergezogen.

Ich weiß, wir müssen die Christen unterstützen und Christenverfolgung thematisieren. Aber in der gleichen Region haben die Christen mich beauftragt, hier in diesem Haus und an die Christen in der westlichen Welt zu sagen: Bitte vergessen Sie nicht, für Boko Haram zu beten. – Das ist eine vollkommen andere Haltung als das, was ich im Geiste Ihres Antrags fühle.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Besonders schockierend finde ich Ihre Aufforderung, dass die ungelösten Entführungsfälle christlicher Kinder zum Thema aller bilateralen Gespräche gemacht werden sollen. Als wenn es darauf ankäme, die Religionszugehörigkeit der Kinder festzustellen, um sich dann gegebenenfalls für sie einzusetzen, falls sie denn christlich sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Heinrich, eine Kollegin der Fraktion Die Linke würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

 

Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU):

Bitte sehr.

 

Kathrin Vogler (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage oder ‑bemerkung zulassen.

Ich möchte an dieser Stelle, weil wir ja auch im Advent sind, folgendes Beispiel aus meinem Wahlkreis berichten. Ich war vor einem Jahr zu einer Adventsfeier eingeladen, die mehr als ungewöhnlich war. Und zwar lud ein muslimischer Kultur- und Bildungsverein, der auch Sprachkurse, Integrationskurse für Geflüchtete anbietet, zu einer Adventsfeier ein.

(Zuruf von der AfD: Ankunft des Herrn!)

Hauptrednerin war eine nigerianische Christin, die in einer eindrucksvollen, ja bedrückenden Präsentation ihre Erfahrungen hinsichtlich der Verfolgung von Christen sowie Bilder von niedergebrannten Kirchen aus ihrer Heimat präsentierte.

Sind das nicht Beispiele, wie man miteinander durch einen Dialog der Religionsgemeinschaften, durch ein Aufeinanderzugehen und durch die Suche nach gemeinsamen Werten einen Ansatz für unser Land finden kann? Müsste die Bundesregierung das nicht viel stärker unterstützen und fördern?

 

Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU):

Ganz herzlichen Dank für Ihre Intervention und die bestätigende Frage. – In einem Dorf in dieser Region in Nigeria, von der ich eben sprach, gab es das Ereignis, dass sowohl die Kirche als auch die muslimische Moschee zerstört wurden. Auch die muslimische Moschee war von Muslimen zerstört worden. Da in diesem Fall die besseren Kontakte zu Christen bestanden, haben die Christen geholfen, neben dem Gebäude der Kirche auch die Moschee wiederaufzubauen mit der Folge, dass tatsächlich am Freitag danach der Pastor, der Prediger der Kirche, in der Moschee reden durfte. Das entspricht für mich dem, was Sie gerade geschildert haben, nämlich die Chance zu sehen und die verbindenden Elemente zu fördern. Solche Schritte brauchen wir.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Solche Schritte werden durch die einseitige Bevorzugung von Christen und Christinnen in solchen Anträgen, wie Sie sie hier vorgelegt haben, erschwert.

Wenn ein Kind entführt wird, ist das eine Gräueltat, egal ob es christlich, muslimisch oder atheistisch aufgewachsen ist. Spätestens an dieser Stelle, der Unterscheidung zwischen schützenswerten und nicht schützenwerten bzw. weniger schützenswerten Kindern, wird Ihr angeblicher Einsatz für Menschenrechte ad absurdum geführt.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als Christ – Sie haben hineingerufen, ich soll mal in der Bibel lesen – gehe ich bei diesem Thema sogar noch einen ganz kleinen Schritt weiter. Ich erlaube mir, denjenigen zu zitieren, der gerade schon zweimal zitiert wurde, nämlich den Gründer unserer Religion, des Christentums. Im Neuen Testament sagt Jesus:

Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen ...

Und dann sind da die Christen aus Nigeria, die ich im Ohr habe, die sagen: Betet auch für Boko Haram! Dann ist es Open Doors, die Sie in Ihren Anträgen mehrfach zitiert haben, die gestern aus Kamerun geschrieben haben: „Bitte betet für unsere Feinde!“ An einer weiteren Stelle heißt es in der Bibel:

Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr Besonderes, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden?

Ganz anders ist der Geist Ihres Antrages. In dem Sinne bitte ich Sie als Antragsteller, auch im weihnachtlichen Sinne Ihren Antrag auf die mehrfach betonten christlichen Werte abzuchecken. Herr Lindh hat das vorhin sehr deutlich gemacht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich werde mich jedenfalls weiterhin für Verfolgte jeden Glaubens einsetzen und für sie beten.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)