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Frank Heinrich: Die Hinrichtung des Ringers Navid Afkari hat uns tief schockiert

Redebeitrag zu Menschenrechtsverletzungen im Iran

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wofür würden wir unser Leben einsetzen? Welche Sache ist uns so wichtig, dass wir bereit wären, dafür zu sterben? Ist es unsere Familie, unser Glauben, die Freiheit, ein besseres Leben für die Schwächsten der Gesellschaft? Was ist so wertvoll, dass man alles dafür einsetzen würde? Wir haben das Glück, den Segen, das Privileg, diese Frage in Deutschland sehr theoretisch und in warmen Räumen diskutieren zu dürfen. Im Iran jedoch ist das keine theoretische Diskussion; Sie haben diese Debatte verfolgt. Im Iran ist diese Frage für viele Menschen alltäglich und lebensbedrohlich.

Erst vor zwei Wochen standen wir hier und haben über dieses Thema im Zusammenhang mit der Hinrichtung des Ringers Navid Afkari diskutiert und darüber berichtet. Mehrere von uns haben das inzwischen wahrgenommen. Es war eine Hinrichtung, die mich tief schockiert hat und sprachlos lässt, auch weil sich mehrere Kollegen von uns wie die Bundesregierung im Vorfeld für ihn eingesetzt haben – in diesem Fall ohne Erfolg.

Und doch ist das kein Einzelfall. Wir haben die Zahlen gehört: 500 Hinrichtungen hat es in den letzten drei Jahren gegeben. Ich habe hier Listen mit Namen, und mit Erlaubnis der Präsidentin möchte ich sie nur kurz zeigen. Da sind 12 politische Gefangene, die zum Tode verurteilt wurden. Da sind 16 Personen, die aufgrund ihres Glaubens zum Tode verurteilt wurden. Da sind 21 Kinder, Minderjährige, die auf die Vollstreckung eines staatlichen Todesurteils warten. Das sind Menschen, mitunter eben Kinder, die aufgrund ihrer Überzeugung oder aufgrund ihres Glaubens sterben oder schon gestorben sind. Das sind keine Einzelfälle, und es sind nicht immer nur Todesurteile. Aber wer nicht zum Tode verurteilt wird, hat eben andere völkerrechtswidrige Repressalien – auch der Iran hat völkerrechtliche Vereinbarungen unterschrieben – zu befürchten.

Wir haben den Namen Nasrin Sotudeh mehrfach gehört, die Rechtsanwältin, die gerade geehrt wurde; Kollege Brand und andere haben es angesprochen. Sie ist, weil das iranische Regime ihr Widerstand, Propaganda gegen das System und Verschwörung zum Schaden der nationalen Sicherheit vorwirft, 2010 als Mutter von zwei Kindern zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Dann gab es öffentlichen Druck und öffentliche Meldungen. Bei ihr war es anders: Sie wurde freigelassen. Ja, öffentlicher Druck kann einen Unterschied machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Peter Beyer [CDU/CSU])

Das Beeindruckende – und ich bin dankbar, dass wir das durch Ihren Antrag in die Mitte stellen können; ich sage wie mein Kollege zu, dass wir hier konstruktiv im Ausschuss arbeiten werden – sind der Mut und die Unerbittlichkeit dieser Frau, die stellvertretend für so viele andere steht, die sich im Iran für einen besseren Iran einsetzen. Im Juni 2018 ist sie wieder verhaftet worden, verurteilt zu 33 Jahren Gefängnis – wir haben es vorhin gehört – und 148 Peitschenhieben. Menschen wie sie machen mir trotzdem Mut, dass es Veränderung geben kann, Menschen wie Nasrin Sotudeh und Navid Afkari, die ihr Leben einsetzen, um die Welt um sie herum zu verändern.

Ich freue mich über jede Debatte, die wir in diesem Kontext auch hier in diesem Hohen Haus führen dürfen. Und ich finde es bemerkenswert, was diese Männer und Frauen tun. Ihr Engagement trotz der statuierten Exempel in ihrem Land ist für mich ein Vorbild. Die Art und Weise, wie Christen und Christinnen, Bahai und Gläubige anderer Religionen trotz Diskriminierung und Verfolgung ihren Glauben leben und dafür einstehen, ist inspirierend. Deshalb finde ich es gut, dass wir sie hier benennen, dass Sie sie in dem Antrag benennen, dass sie als Vorbilder benannt und bekannt werden, dass wir ihre inspirierenden Geschichten hier zu Gehör bekommen. Ich möchte hier die Werte, für die sie kämpfen – exemplarisch im Iran –, in den Mittelpunkt stellen; denn es sind auch unsere Werte.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und die Frage ist – ich komme zurück zum Anfang –: Sind wir bereit, für sie zu sprechen, auch wenn es hier im warmen Wohnzimmer passiert? Sind uns diese Werte – Menschenrechte, Freiheit und Gerechtigkeit – so wertvoll, dass wir bereit wären, so viel einzusetzen wie sie, oder wenigstens, uns für sie einzusetzen, auch wenn es nicht unbedingt den Tod bedeuten würde?

Ich danke, dass so viel Solidarität in diesem Raum vorhanden ist, und freue mich auf die Debatte in den Ausschüssen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)