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Florian Hahn: "Die parlamentarische Mitsprache darf nicht gefährdet werden"

Rede zum Arbeitsprogramm 2020 der Europäischen Kommission

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere frühere Kollegin Ursula von der Leyen, die jetzt Präsidentin der Europäischen Kommission ist, hat, wie versprochen, zügig ihr Arbeitsprogramm für das Jahr 2020 vorgelegt. Das Programm ist keine Überraschung, folgt es doch den Leitlinien, die sie bei ihrer Bewerbungsrede vor dem Europäischen Parlament im vergangenen Jahr vorgetragen hat. Oberste Priorität hat für die Europäische Kommission der europäische Green Deal, mit dem von der Leyen künftig eine führende Rolle Europas in Bezug auf die Herausforderungen in den Bereichen Klima-, Umwelt- und Energiepolitik anstrebt. Dazu wird ein ganzer Reigen ambitionierter Initiativen angekündigt. Die ersten liegen schon vor. Gestern kam der Vorschlag für ein Klimagesetz. Ich stelle fest: Die Kommission arbeitet und liefert.

Aber jetzt ist es auch unsere Aufgabe, genau hinzuschauen. Wenn ich sehe, dass die Kommission sich durch eine Vielzahl von delegierten Rechtsakten einen Persilschein ausstellen möchte und sich sozusagen am Parlament vorbei die Ermächtigung für den Erlass spezieller Regelungen verschaffen will, dann ist Obacht geboten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die nationale, die parlamentarische Mitsprache darf nicht gefährdet werden, auch nicht beim Green Deal.

Weitere Schwerpunkte setzt die Kommission im Bereich Handel mit einer neuen Initiative zur WTO-Reform. Mit Blick auf die Handelspraktiken einiger Länder ist das auch dringend notwendig.

Im Finanzbereich will sie zu einer Vertiefung der Kapitalmarktunion beitragen. Das ist alles schön und gut. Aber ich sage auch ganz klipp und klar an dieser Stelle: Mit uns wird es keine weitere Vergemeinschaftung von Schulden, wird es keine Haftung deutscher Sparer für Schuldner in anderen Teilen Europas geben.

(Martin Hebner [AfD]: Das ist doch nichts wert, die Aussage! – Weitere Zurufe von der AfD)

Im Sozialbereich werden Initiativen zum Mindestlohn und zur Einführung einer Arbeitslosenrückversicherung angekündigt. Auch hier ist es kein Geheimnis, dass wir als Union davon wenig halten; hier gilt für uns der Koalitionsvertrag.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Tosender Beifall bei der Union!)

Mittlerweile liegt auch die Digitalisierungsstrategie vor; sie wird flankiert von einem „Weißbuch zur Künstlichen Intelligenz“. Damit will die Kommission einen breiten Konsultationsprozess in Europa anstoßen, der bis Mitte Mai vonstattengehen soll. Als Koalitionsfraktionen werden wir uns an diesem Prozess entsprechend beteiligen.

Darüber hinaus soll Europa nach dem Plan der Kommission in der Welt sichtbarer werden, zum Beispiel mit einer Afrika-Strategie – dies zeigt die geopolitische Ausrichtung der EU-Kommission unter der Präsidentschaft von der Leyen –; hierbei kann sie auf uns zählen.

Positiv möchte ich bewerten, dass die EU-Kommission mit den neuen Vorschlägen zur Migration in die festgefahrenen Verhandlungen Bewegung bringen möchte. Das ist im Augenblick mehr als dringend geboten.

Meine Damen und Herren, das Arbeitsprogramm soll die Initiativen der Europäischen Kommission strukturieren und terminieren. Das ist ein Plan für das laufende Jahr. Aber es gibt Aufgaben, vor die sich Europa plötzlich, sozusagen außerplanmäßig, gestellt sieht. Die aktuelle Flüchtlingskrise ist ein Beispiel dafür. Hier ist Europa gefordert. Wir müssen gemeinsam mit den Türken eine Lösung finden. Dabei darf es jetzt keine nationalen Alleingänge geben. Solidarität mit Griechenland ist dringend notwendig. Ordnung und Humanität sind notwendig. Ohne Ordnung kann es keine Humanität geben. Deshalb müssen wir alles daransetzen, die Außengrenze Europas zu schützen – mit mehr Personal, mit mehr Material, mit mehr Geld. Wir brauchen geordnete Verhältnisse und müssen den Menschen vor Ort noch besser helfen.

Es würde die Stabilität Europas schwer erschüttern, wenn wir jetzt die Tore öffnen und alle reinwinken oder wenn wir jetzt anfangen – womöglich noch im Alleingang –, Kontingente aufzustellen und zuzuteilen.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alleingang stimmt nicht! Ich habe doch gerade gesagt, wie viele andere Länder das machen wollen! Wir sind nicht alleine! Es wird nicht besser, wenn man es mehrfach wiederholt!)

Wir müssen unser Versprechen, dass sich 2015 nicht wiederholen wird, auch einhalten.

Das Drama an der türkisch-griechischen Grenze verdeckt leider, wer für diese Misere mitverantwortlich ist. In Syrien hat sich eine unheilige Allianz gebildet, und Europa war nicht willens oder nicht in der Lage, dies zu verhindern. Daraus müssen wir endlich unsere Lehren ziehen.

Abschließend möchte ich sagen: Die Europäische Kommission schreitet fleißig voran, wie das Arbeitsprogramm zeigt. Dabei wollen wir sie tatkräftig, aber nicht kritiklos unterstützen – im Interesse unseres Landes und im Interesse eines starken und einigen Europas, das wir dringender denn je brauchen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)