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Elisabeth Motschmann: Viele Menschen in Deutschland kennen diese Kolonialgeschichte nicht

Redebeitraf zur Aufarbeitung von kolonialem Unrecht

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Vogler, Truppenabzug aus ehemaligen Kolonien bedeutet nicht Frieden, sondern es bedeutet, dass wir diese Völker dem Terrorismus überlassen. Wenn Sie das besser finden, dann sage ich: Das ist keine gute Aufarbeitung.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ist da jetzt weniger Terrorismus? Ist da jetzt weniger Gewalt?)

In Deutschland scheinen die Spuren des Kolonialismus auf den allerersten Blick völlig ausgelöscht. Auf den zweiten Blick sehen wir viele Straßen und Plätze, die nach Kolonialherren und Kaufleuten benannt sind, übrigens auch in meinem Wahlkreis Bremen. Bremen hat etwas gemacht, was viele gar nicht wissen, auch in Bremen nicht. Wir haben ein Reichskolonialehrendenkmal in ein Antikolonialdenkmal umgewandelt; meine Kollegin aus Bremen nickt. Dieses Antikolonialdenkmal ist ein sehr großer Elefant, größer als ein lebender Elefant.

(Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber aus Stein!)

– Aus Stein, ja. – Ich bin aber nicht sicher, ob diejenigen, die sich da gerne treffen, wirklich wissen, dass es ein Antikolonialdenkmal ist, weil sie die Geschichte nicht kennen. Viele Kinder, Jugendliche, viele Menschen in Deutschland kennen diese Geschichte nicht. Das müssen wir zuallererst ändern.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: CDU, mal klatschen!)

Die Kolonialgeschichte darf eben kein vergessener Teil unserer Geschichte werden oder sein oder bleiben. Rassismus allerdings, der untrennbar mit Kolonialismus verbunden ist, wird auch bei uns inzwischen sichtbarer. Deshalb ist es gut – das sage ich auch in Richtung Grüne –, dass wir heute über dieses Thema sprechen.

Oft hören wir, dass die anderen Kolonialmächte – das ist hier auch schon angeklungen – viel schlimmer waren als die Deutschen, weil sie eine viel längere Kolonialgeschichte haben. Aber Deutschland besaß – auch das ist angeklungen – in territorialer Hinsicht das drittgrößte Kolonialgebiet und das viertgrößte in Bezug auf die Bevölkerung. Und der Zeitabschnitt kann ja keine Auskunft darüber geben, wie grausam unsere Geschichte mit den Kolonialländern war.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Verbrechen sind ja genannt worden. Zehntausende von Menschen haben sie das Leben gekostet, Herero und Nama; auch das ist angeklungen. Ja, Deutschland war nicht die größte Kolonialmacht und war nicht am längsten in den Kolonien; aber das darf nicht dazu führen, dass wir unsere Hände in Unschuld waschen und so tun, als ginge uns das Thema nichts an.

Es ist daher richtig, dass wir uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt haben, die kulturelle Zusammenarbeit mit Afrika zu verstärken und einen stärkeren Kulturaustausch zu ermöglichen. Davon profitieren übrigens auch wir sehr. Es ist ja nicht so, dass wir belehrend in die Länder gehen und sagen: „Jetzt wollen wir euch mal sagen, wie ihr richtig mit Kulturgut umgeht“, sondern das ist ein unglaublich bereichernder Kultur- und Wissenschaftsaustausch. Es ist daher richtig, dass wir die Aufarbeitung in den vergangenen Jahren aufgenommen haben. Wir brauchen uns da nicht zu verstecken. Ich danke ausdrücklich Monika Grütters dafür, dass sie dies zum Schwerpunkt ihrer Arbeit gemacht hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wahrscheinlich könnten die meisten von uns gar nicht aufzählen, was wir schon alles machen. Ich will mal vier Punkte nennen, die wahrscheinlich keiner von euch auf Anhieb runterrattern könnte:

Erstens. Michelle Müntefering hat es genannt: Bund, Länder und Kommunen haben die ersten Eckpunkte zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten als gemeinsame Arbeitsgrundlage verfasst.

Zweitens. Im August dieses Jahres hat die Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland bei der Kulturstiftung der Länder ihre Arbeit aufgenommen. Monika Grütters hat das sehr befördert.

Drittens. Im nächsten Jahr haben wir im Bundeshaushalt einen eigenen Haushaltstitel für koloniales Kulturgut.

Viertens. Das Humboldt Forum, das wir bald eröffnen, wird dem Thema Kolonialismus viel Raum geben.

Darüber hinaus erwähne ich nochmals meine Heimatstadt Bremen: Das Übersee-Museum forscht seit Langem zu diesem Thema, und darauf sind wir auch stolz.

Die Rückgabe von ausgewählten Exponaten an die Herkunftsstaaten ist eine nötige Maßnahme und auch längst überfällig. Ein vertiefter Dialog mit den Herkunftsländern, gemeinsame Forschungsprojekte und ein besserer digitaler Zugang zu den Sammlungen der ethnologischen Museen sind genauso wichtig.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Kollegin.

 

Elisabeth Motschmann (CDU/CSU):

Ich muss aufhören.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Ja.

 

Elisabeth Motschmann (CDU/CSU):

Ja, aber nur ungern.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Das kann ich verstehen. Sie können ja weiterreden, dann reden Ihre Kollegen halt weniger.

 

Elisabeth Motschmann (CDU/CSU):

Ich darf noch einen letzten Satz sagen. – Was Sie wollen, geht gar nicht. Die Koalition hat das Thema auf die Tagesordnung gesetzt und wird es auch in Zukunft behandeln. Das ist der Geist guter internationaler Zusammenarbeit.

(Ulrich Lechte [FDP]: Das ist ein Grünenantrag gewesen!)

Vielen Dank für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)