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Elisabeth Motschmann: Die Menschenrechtslage in Belarus hat sich dramatisch verschlechtert

Redebeitrag in der aktuellen Stunde zum Kampf der Menschen für Demokratie und nationale Souveränität in Belarus

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Marija Kolesnikowa, Swetlana Tichanowskaja und Weronika Zepkalo – diese drei Namen der Frauen, die so mutig in Belarus kämpfen, kann man gar nicht oft genug nennen.

Wofür kämpfen sie? Für freie Wahlen, für Demokratie, für Pressefreiheit, für die Freilassung der politischen Gefangenen. Sie wollen überdies einen eigenen Weg für Belarus – weder nach Westen geneigt, noch nach Russland. Das alles sind für uns Selbstverständlichkeiten, aber sie müssen dafür entweder ins Gefängnis, werden aus dem Land verwiesen oder müssen um ihr eigenes Leben bangen.

Lieber Herr Friesen, wenn Sie den Protest dieser Demonstranten in Belarus vergleichen mit den Protesten und Demonstrationen gegen Coronamaßnahmen, dann haben Sie Politik überhaupt noch nicht verstanden. Das ist eine Verharmlosung der Gewalt, die gegen die Demonstranten angewandt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Über den Wahlbetrug ist hier schon vielfach geredet worden. Ein wichtiges Zeichen der Bundesregierung war, dass man sehr schnell reagiert und diese Wahlen nicht anerkannt hat. Doch wie geht es nun weiter? Die Demonstrationen auf den Straßen werden fortgeführt. Es vergeht keine Woche, in der wir nicht Bilder von verprügelten, gefolterten und gewaltsam inhaftierten Männern und Frauen sehen. Das ist unerträglich!

Oppositionelle werden inhaftiert und an Leib und Leben bedroht. Auch das ist unerträglich. Journalisten – darüber reden wir vielleicht noch zu wenig – können ihre Arbeit nicht mehr frei ausüben, und das nicht nur in Belarus, sondern weltweit. Das ist eine Entwicklung, die uns Sorge machen muss. Die Journalisten sind zunehmend Gewalt ausgesetzt, nicht nur in Belarus, und das kann uns nur beunruhigen.

Was mich jedoch mit am meisten beschäftigt, ist die Tatsache, dass Einschüchterungsversuche unternommen werden, indem man Frauen vergewaltigt. Das ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit!

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir stellen fest, dass sich die Menschenrechtslage in Belarus dramatisch verschlechtert hat. Während wir noch überlegen, welche Sanktionen denn die richtigen sind und wer gelistet werden soll – ich hoffe sehr, dass Lukaschenko dabei ist; das sage ich ganz ausdrücklich –, reist Herr Lukaschenko zu Putin und hofft auf Unterstützung. Er bekommt sie auch: 1,5 Milliarden Dollar. Ob das etwas an dem drohenden Staatsbankrott ändern kann, wage ich zu bezweifeln; denn die Wirtschaft in diesem Land liegt am Boden, und da sind 1,5 Milliarden Dollar nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wir erinnern uns: Putin bezeichnete den Zusammenbruch der Sowjetunion als die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Das habe ich immer im Hinterkopf, wenn ich seine Truppen sehe, wenn ich seine Äußerungen vernehme, wenn ich Herrn Lawrow höre. Die Gier dieses Landes ist groß, und wir müssen da sehr aufpassen. Das betrifft gar nicht mal nur die militärische Invasion, sondern längst ist das Regime von Putin in die Verwaltungen und in die Medienanstalten eingedrungen und versucht, das Land sozusagen von unten zu unterwandern. Wir wissen sehr genau, mit welchen Methoden Putin im Ernstfall kämpft – Herr Nawalny liegt nicht weit von hier in der Charité.

Was kann die Europäische Union tun? Trotz der Drohgebärden aus Russland müssen wir die Zivilgesellschaft und den friedlichen Protest unterstützen. Wir müssen auch all die Strukturen, die die Demonstranten jetzt aufgebaut haben, unterstützen und versuchen, die notwendigen Gespräche, wo immer sie möglich sind, stattfinden zu lassen.

Eines ist klar: Um den gesellschaftlichen Frieden zu wahren, muss die Wahl natürlich wiederholt werden, und zwar hoffentlich schnell. Jede Verzögerung auf dem Weg zu freien und fairen Wahlen führt zu einer Zuspitzung der innenpolitischen Lage in Belarus und damit auch zur Gefahr der Gewaltanwendung.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Motschmann, auch Sie müssen bitte jetzt zum Punkt kommen.

 

Elisabeth Motschmann (CDU/CSU):

Danke schön, ich schweige auch gleich. – Herr Lukaschenko versucht, die Demonstranten zum Schweigen zu bringen. Wir allerdings dürfen nicht schweigen zu diesem Unrecht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)