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Eckhardt Rehberg: Wir müssen klug deutsche und europäische Interessen miteinander verbinden

Rede zur Regierungserklärung zur Tagung der Staats- und Regierungschefs der EU-27

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme mir mal das Recht heraus, als Haushälter im Deutschen Bundestag durchaus kritisch zu hinterfragen, was mit dem Steuergeld passiert, das wir nach Brüssel überweisen.

Erstens stelle ich mir die Frage: Welcher Mehrwert entsteht für uns, wenn wir zusätzliches Geld nach Europa geben? Beschränkt man sich auf das Wesentliche – Kollege Hahn ist darauf eingegangen: Grenzschutz, Verteidigung, Fragen der Migration, Digitalisierung des Binnenmarkts –, oder beschäftigt man sich mit Bürokratie, wovon etwa die Fischer bei mir zu Hause betroffen sind? Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern müssen einen Antrag mit fast 100 Seiten ausfüllen, um einen kleinen regionalen Hofladen einrichten zu können. Das alles sind Vorschriften der Europäischen Union!

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, zusätzliches Geld für Europa ist nicht in den 46 Milliarden Euro für prioritäre Maßnahmen enthalten. Es gibt auch keine finanzielle Vorsorge für massive Aufstockungen der Überweisungen aus dem deutschen Bundeshaushalt an den europäischen Haushalt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das anzusprechen, gehört zur Wahrheit dazu. Wir reden über etwas, was bisher nicht vorgesehen ist. Nur wenn wir zusätzliche Spielräume nach 2020 für die nächste Förderperiode haben, können wir uns all die Dinge vornehmen, die mancher beschreibt.

Zweitens. Ich bin schon dafür, auch mal zu fragen: Wie sieht es mit den Gegenleistungen der Nettoempfängerländer aus – nicht nur bei der Verteilung der Asylbewerber, sondern auch bei der Einhaltung von Rechtsstaatsprinzipien? Oder – Europa ist auch deswegen so erfolgreich, weil wir regelbasiert sind –: Werden Regeln eingehalten? Ich kann nicht verstehen, dass die EU-Kommission bei weit über 100 Fällen von Verstößen gegen den Fiskalpakt gesagt hat: Schwamm drüber. – Das gehört für mich zu einer ehrlichen Debatte dazu.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Zitat des möglichen neuen Bundesfinanzministers Scholz:

Wir wollen anderen europäischen Staaten nicht vorschreiben, wie sie sich zu entwickeln haben.

Da sind in der Vergangenheit sicherlich Fehler gemacht worden.

Ich weiß nicht, wo wir wem etwas vorschreiben wollen, aber wenn gemeinsam verabredete Regeln – wie im Fiskalpakt, wie in anderen Verträgen – nicht eingehalten werden, dann sind, glaube ich, ein Hinweis und auch ein kritisches Nachfragen nötig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Drittens. Wir brauchen Klarheit hinsichtlich Einsparungen im EU-Haushalt. Frau Nahles, die 6 Milliarden Euro zum Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit sind abgeflossen. Wenn ich mir die Kritik des Europäischen Rechnungshofes oder die „Erfolge“ dieses 6-Milliarden-Programms anschaue, glaube ich, dass der eine oder andere Mitgliedstaat nach Deutschland hätte gucken können und sich von unserem dualen Ausbildungssystem eine Scheibe hätte abschneiden können. Bei der hohen Zahl der Jugendarbeitslosigkeit haben die 6 Milliarden Euro nach meinem Dafürhalten jedenfalls keinen Effekt gebracht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Noch eine weitere Frage muss gestellt werden dürfen. Gucken Sie sich den EU-Haushalt 2017 an: Kürzungen in Höhe von 10 Milliarden Euro bei wichtigen Fonds: beim Europäischen Sozialfonds, beim Europäischen Strukturfonds – EFRE –, beim Fonds für die ländlichen Räume – ELER. Grund: Die Kommission und die Mitgliedstaaten sind nicht in der Lage, das Geld umzusetzen. 10 Milliarden Euro, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorausschau für 2018: Noch einmal Kürzungen in Höhe von 5 Milliarden Euro. Das heißt: In zwei wichtigen Jahren ist die Europäische Kommission in Brüssel nicht in der Lage, Geld umzusetzen; denn mit diesen Geldern kann man Strukturreformen machen und Wettbewerbsfähigkeit herstellen. Deswegen: Ehe man nach neuem, nach mehr Geld ruft, sollte man das vorhandene vernünftig und effektiv einsetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Viertens. Wir brauchen Klarheit über die Strukturfondsmittel. Ich kann mich sehr gut an die Debatte 2012/2013 erinnern. Für Deutschland, die neuen Bundesländer, die Phasing-out-Regionen gab es damals Kürzungen um etwa 30 Prozent. Ehe wir darüber reden, dass wir mehr Geld zur Verfügung stellen, möchte ich wissen: Wie sehen die Fördergebietskulissen aus? Wie sehen die Beihilferegelungen aus? Dabei erwarte ich von Brüssel einen transparenten Prozess. Es kann nicht so laufen, wie der französische Finanzminister es macht: Mehr Geld fordern, ohne dass andere wichtige Dinge – übrigens auch für französische Landwirte, für die ländlichen Räume dort – geklärt sind. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Klarheit bei den Strukturfondsmitteln!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Fünfte und letzte Bemerkung. Der Bundeshaushalt hat im letzten Jahr einen deutlichen Jahresüberschuss gehabt. 7,4 Milliarden Euro sind aus Brüssel zurückgekommen.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Und direkt in die Länder geflossen!)

Das war letztes Jahr. Dieses Jahr erwarten wir wieder über 4 Milliarden Euro. Das heißt, wir kriegen Geld zurück – ich bin darauf eingegangen –, weil Brüssel, die Mitgliedstaaten nicht in der Lage sind, das Geld umzusetzen. Ich will auch darauf hinweisen, dass wir eine rechtliche Verpflichtung haben: Wenn die Mitgliedstaaten die Projekte im Kohäsionsfonds und in anderen Fonds nicht umsetzen können, müssen wir dieses Geld aus dem Gesamthaushalt wieder zurückgeführt bekommen. Letztendlich haben wir in Brüssel eine Schuld in Höhe von knapp 12 Milliarden Euro für den bundesdeutschen Haushalt. Auch das bitte ich bei allen Debatten mal mit einzupreisen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, statt einfach das Motto zu haben: „Mit mehr Geld wird in Europa alles besser“, bin ich der Auffassung, erst einmal zu gucken: Wie machen wir manches effizienter? Wie sorgen wir mit dem vorhandenen Geld dafür, wirklich Wettbewerbsfähigkeit herzustellen? Wie sorgen wir mit dem vorhandenen Geld dafür, die Jugendarbeitslosigkeit abzubauen? Liebe Kolleginnen und Kollegen, statt immer mehr Geld nach Europa zu geben, immer mehr in das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft einzugreifen, sollten wir uns auf das Wesentliche konzentrieren. Das ist, glaube ich, das Gebot der Stunde. Mein Schlusssatz ist: Vertrauen und Transparenz kann man nur dann herstellen, wenn wir klug deutsche und europäische Interessen miteinander verbinden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)