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Dr. Volker Ullrich: "Die strategische Rüstungskontrolle muss zu einem Kernbestandteil unserer Außenpolitik werden"

Aktuelle Stunde zur Zukunft des INF-Vertrages als Kernelelement europäischer Sicherheit

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Unterzeichnung des INF-Vertrags im Jahr 1987 war in der Tat ein welthistorisches Ereignis. Dem ist ein jahrzehntelanges Ringen um die Sicherheitsarchitektur und um die Rüstungskontrolle in Europa vorausgegangen. Ich darf daran erinnern, dass nach Abrüstungsschritten in den 70er-Jahren die Sowjetunion mit der Ankündigung der Aufstellung von SS-20-Raketen 1979 die Sicherheitsarchitektur in Europa stark gefährdet hat.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Genauso war es!)

Das westliche Bündnis hat darauf mit Transparenz und Offenheit reagiert, aber auch mit Zusammenhalt im westlichen Bündnis und mit dem Angebot, in Abrüstungsverhandlungen zu treten und gleichzeitig aber Stärke zu beweisen, indem man mit dem NATO-Doppelbeschluss die Stationierung eigener Raketen vorgesehen hat.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Helmut Schmidt! Sagen Sie das Ihren sozialdemokratischen Koalitionären!)

Das hat dazu geführt, dass nach 1983 und nach vielen Debatten in der damaligen Bundesrepublik Deutschland das westliche Bündnis und die Sowjetunion sich 1987 endgültig auf den INF-Vertrag einigen konnten. Es war klar und deutlich, dass dieses Ereignis zu einer stabilen Friedens- und Freiheitsordnung beigetragen hat und dass die Beendigung des Kalten Krieges und gegebenenfalls auch die Überwindung der Teilung Europas und die deutsche Einheit ohne diesen Schritt nicht möglich gewesen wären. Auch daran sollten wir heute erinnern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen ist es umso bitterer, wenn dieser Vertrag infrage steht und wenn die Trump-Administration ankündigt, sich gegebenenfalls aus diesem Vertrag zurückzuziehen. Das macht uns große Sorge, und diese Sorge artikulieren wir auch klar und deutlich.

Aber unsere Sorge betrifft ebenfalls auch Entwicklungen in Russland selbst. Es ist augenfällig, dass hier Entwicklungen vorliegen, die mit dem Vertrag nicht in Einklang zu bringen sind und die wiederum selbst eine Bedrohung für die Sicherheit in Europa darstellen. Auch das muss man klar und deutlich ansprechen.

Russland hat bis heute nicht die Befürchtungen aus dem Weg geräumt, dass sie selber landgestützte Marschflugkörper mit Atomraketen mit über 500 Kilometern Reichweite entwickeln.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Dafür gibt es den Verifikationsbeschluss!)

Deswegen muss klar sein, dass Russland diese Befürchtungen und Sorgen des westlichen Bündnisses aus der Welt schaffen muss, und zwar dringend.

(Beifall bei der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Aber wie denn? Mit welchem Mechanismus?)

Dafür gibt es innerhalb des Vertrages Mechanismen, und wir fordern, dass diese Mechanismen auch eingesetzt werden.

Die Frage darf nicht sein, wann diese Mechanismen in Kraft treten oder angewandt werden, sondern wann wir Ergebnisse vorliegen haben. Das ist die wichtige Frage, um die es jetzt geht.

Aber wir müssen auf weitere Entwicklungen einen sorgsamen Blick richten. Dabei geht es um die Frage, wie wir mit einer weiteren Aufrüstungsspirale in der Welt umgehen. Die Sicherheitsarchitektur in der Welt hat sich verändert. Es gibt mehr Staaten, die Atomwaffen besitzen, und auch die Frage, inwieweit ein mögliches Atomwaffenarsenal Chinas eine destabilisierende Wirkung auf die Welt hat, muss klar und deutlich angesprochen werden. Wir haben weltweit nicht nur ein Problem mit sogenannten Mini-Nukes mit unter 500 Kilometern Reichweite, sondern auch mit Interkontinentalraketen mit über 5 500 Kilometern Reichweite.

Wir müssen im Rahmen einer globalen Sicherheitsarchitektur auf all diese Aspekte Rücksicht nehmen. Deswegen muss die klare Forderung an die deutsche Politik sein, dass die strategische Rüstungskontrolle zu einem Kernbestandteil unserer Außenpolitik wird und wir alles dafür tun, dass wir im Rahmen von multilateralen Bündnissen auf Abrüstung und eine weitere Kontrolle hinwirken. Das muss der Weg der deutschen Außenpolitik sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Gleichzeitig möchte ich auch sagen, dass unser Weg nach wie vor darin besteht, im westlichen Bündnis zu stehen und dass wir bei der Definition der europäischen Sicherheitsarchitektur auch unsere europäischen Partner im Blick haben müssen. Gerade unsere östlichen Nachbarn haben ein starkes Interesse daran, dass Europa auch zu ihrem Schutz beiträgt und dass die Interessen unserer Nachbarn auch unsere Interessen sind, weil es nur eine gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur geben kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ja, es ist eine der großen Fragen unserer Generation, wie wir mit dem Thema der atomaren Rüstung umgehen. Der Historiker Yuval ­Harari, einer der klügsten Köpfe unserer Zeit, ist unlängst gefragt worden, was die großen Themen für das 21. Jahrhundert, für unsere Generation, seien. Er nannte ganz am Anfang das Thema der atomaren Abrüstung. Es ist unsere Verpflichtung, die wir klug und besonnen angehen müssen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)