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Dr. Ursula Leyen: Der IS ist militärisch geschlagen, aber besiegt ist er noch nicht

Rede zum Bundeswehreinsatz zur Stabilisierung des Iraks

Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung:

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor etwa einem Monat war die Münchner Sicherheitskonferenz, und damals hat der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi eine beeindruckende Rede gehalten. Er sprach davon, wie er 2015 erstmals auf der Münchner Sicherheitskonferenz war. Damals waren zwei Drittel des Iraks vom IS kontrolliert, das Land war geschunden durch Terror, durch Vertreibungen, religiöse und politische Spannungen, die irakischen Streitkräfte schwach und zersplittert. Aber Premier al-Abadi hat auch geschildert, was es bedeutet hat, dass heute Mosul befreit ist, dass dies das Verdienst einer einzigartigen weltweiten Koalition gegen den Terror ist, vor allem aber ein Erfolg der Iraker. Zum ersten Mal haben die Kräfte der irakischen Zentralregierung zusammen mit den Peschmerga Seite an Seite gekämpft. Gemeinsam mit der Koalition gegen den Terror ist es ihnen gelungen, den IS militärisch zu schlagen, und das ist ein sehr großer Erfolg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Auch Deutschland hat einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet: Wir haben mit unseren Recce-Tornados zur Aufklärung beigetragen. Wir haben unsere Partner mit Luftbetankung unterstützt. Wir haben die Peschmerga ausgerüstet und ausgebildet. Wir haben ihnen militärisches Basiswissen vermittelt, etwa für den Kampf gegen die Selbstmordkommandos oder den Häuserkampf. Wir haben sie auch in der Verwundetenversorgung ausgebildet, damit Peschmerga-Kämpfer nicht mehr gleich hinter der Front verbluten, weil die Basisversorgung nicht gegeben ist. Wir haben sie später in der ABC-Abwehr spezialisiert. Wir haben Ersatzteile für Fahrzeuge, Sanitätsmaterial und Minenabwehr geliefert.

Entscheidend ist aber gewesen: Wir haben dadurch den Peschmerga den Rücken gestärkt. Sie haben Mut gefasst, sie haben tapfer gekämpft, sie haben den IS gestoppt. Es ist ihnen gelungen, ihr Territorium freizukämpfen. Sie haben 1,5 Millionen Flüchtlinge in ihrem Land geschützt. Das ist das Ziel der Mission gewesen, und diese Mission ist jetzt erfolgreich abgeschlossen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir können deshalb das reine Basisausbildungsmandat auslaufen lassen.

An dieser Stelle – ich spreche, glaube ich, auch im Namen des Hohen Hauses – möchte ich allen Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten danken, die diesen Einsatz in Erbil geleistet haben. Das ist vor allem auch ihr Erfolg.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke auch ganz bewusst den Peschmerga; denn wir werden nicht vergessen, dass sie auch für unsere Sicherheit gekämpft haben. Sie haben Leben gelassen, sie haben Gesundheit verloren, und das werden wir ihnen nicht vergessen.

Meine Damen und Herren, es geht jetzt darum, die Erfolge zu sichern. Mein Kollege Heiko Maas hat es schon richtig gesagt: Der IS ist militärisch geschlagen, aber besiegt ist er noch nicht. – Er agiert zunehmend aus dem Untergrund. Er hat tiefe Spuren der Verwüstung in diesem Land hinterlassen, gerade zwischen den unterschiedlichen ethnischen Gruppen. Jetzt ist es Aufgabe der Koalition, den IS-Terror in Syrien und Irak weiterhin nachhaltig zu bekämpfen, aber vor allem auch die irakischen Streitkräfte zu ertüchtigen, für Sicherheit im eigenen Land zu sorgen. Der größte Schutz gegen den Terror ist aber, wenn wir die Iraker dabei unterstützen, ihr Land wiederaufzubauen und als eine Einheit des Iraks zusammenzubleiben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Bei meinem Besuch vor etwa vier Wochen im Irak hat mir Ministerpräsident Haider al-Abadi gleich im ersten Satz gesagt – Herr Präsident, Sie erlauben mein Zitat –: We are asking you for more German engagement. – Er hat also eine klare Einladung und Bitte an Deutschland gerichtet, im Irak weiterhin zu helfen. Natürlich wird das Ganze unter dem Dach der Koalition gegen den Terror geschehen. Unter diesem Dach der Koalition gegen den Terror sind etwa 30 Länder aktiv, aber auch die VN, die Europäische Union, die NATO. Deshalb haben wir jetzt das Mandat neu gefasst. Wir hatten früher zwei Mandate, jetzt haben wir ein Mandat. Wir können die Obergrenze insgesamt von 1 350 auf 800 Soldatinnen und Soldaten absenken.

Das Mandat steht auf drei Säulen:

Erstens. Wir werden weiterhin Fähigkeiten zur Aufklärung, die Recce-Tornados, zur Verfügung stellen, um sie in Syrien und im Irak einzusetzen.

Zweitens. Wir werden der Air Campaign der Koalition weiterhin die Luftbetankung und Stabspersonal zur Verfügung stellen, ebenso NATO-AWACS.

Drittens. Wir werden uns aber – das ist das Neue in diesem Ansatz – im Irak auf Capacity Building konzentrieren, also weg von der Basisausbildung, die ich vorhin geschildert habe, hin zu einer höheren, spezifischeren Ebene. Da geht es um den Aufbau loyaler Streitkräfte, spezialisierte Ausbildung – Train the Trainer –, aber eben auch um Schlüsselfähigkeiten wie Minenräumen, Sanitätswesen – wir bauen jetzt in Erbil ein Peschmerga-Krankenhaus – oder ABC-Abwehr. Es geht auch um die Beratung des irakischen Verteidigungsministeriums und um den Aufbau militärischer Ausbildungseinrichtungen.

Wir werden also in Zukunft im Irak mit zwei Standbeinen vertreten sein: mit einem in Erbil und einem rund um Bagdad, um das Capacity Building voranzubringen. So wird unser Engagement sowohl geografisch als auch politisch neu ausbalanciert werden. Das Mandatsgebiet wird angepasst.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Frau Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Neu?

Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung:

Sie sind gleich dran mit einem Beitrag. Dann können Sie alles sagen, was für Sie relevant ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit unserem Beitrag bleiben wir in der Koalition gegen den Terror engagiert, einen Terror, der uns auch weiterhin fordert. Wir tragen dazu bei, dass diese geschundene Region langsam wieder an Stabilität gewinnt, auch damit Millionen von Flüchtlingen, die sich außerhalb des Landes befinden oder Binnenvertriebenen sind, wieder zurück in die Heimat kommen können.

Wir wissen zugleich, dass dies noch ein langer Prozess ist. Wir sind erst am Anfang des Weges. Es ist ein Weg, für den es vor allem ein hohes diplomatisches Geschick braucht – Heiko Maas hat es eben geschildert –, auch was die politischen Verwerfungen innerhalb des Landes angeht. Es wird massiver Entwicklungs- und Wiederaufbauleistungen bedürfen, und es wird für eine Weile auch noch militärische Unterstützung nötig sein.

Wenn die Regierung sich nach den Wahlen einem guten Miteinander der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen verschreibt und wenn auch die Länder der Region diese Maxime unterstützen, dann hat der Irak eine echte Chance, wieder stark und einig zu werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)