Skip to main content

Dr. Johann David Wadephul: Wir wollen, dass internationales Recht eingehalten wird

Rede zur aktuellen Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten

Moin, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hat vor kurzem gefragt: „Kann jeder in Syrien bomben?“ und hat die Situation dort zu der Broken-Windows-Theorie in Beziehung gesetzt, die wir aus dem Bereich der inneren Sicherheit kennen. Sie besagt: Wenn erst einmal ein Fenster zerbrochen ist und man das hinnimmt, es keine Sanktionen gibt, es keine Reaktionen gibt, es keine Ordnung gibt, dann wird das allgemein akzeptiert und die Verwahrlosung schreitet weiter fort. Das erleben wir traurigerweise auch in Syrien. Ich kann im Grunde an das anknüpfen, was Eckhardt Rehberg gerade eben gesagt hat: Wir wollen eine regelbasierte Ordnung. Wir wollen, dass internationales Recht eingehalten wird. Dafür, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir in Syrien eintreten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was wir jüngst erlebt haben, ist der Einsatz türkischer Streitkräfte im Norden Syriens um Afrin herum. Dazu möchte ich aus Sicht meiner Fraktion einige Anmerkungen machen.

Wir haben immer ein nüchternes Verhältnis zur Türkei gehabt. Wir haben immer gesagt: Wir wollen enge Bindungen, aber einen europäischen Weg können wir uns nicht vorstellen. Die Türkei ist für uns NATO-Partner. Die Türkei ist in einer geostrategisch entscheidenden Lage und Situation. Die Türkei hilft uns sicherlich, Sicherheit für Südosteuropa zu gewährleisten. Die Türkei leistet Großes – das will ich auch heute noch einmal sagen – bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Es wird dort eine große Zahl von Flüchtlingen aufgenommen. Das wissen wir, und das würdigen wir. Aber ich muss sagen: Ein derartiger Militäreinsatz – mit dieser Frage habe ich begonnen – darf nicht einfach so ermöglicht werden. Vielmehr kann er nur durch internationales Recht gerechtfertigt werden.

(Beifall der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Eine Belagerung Afrins, die der türkische Präsident Erdogan angekündigt hat, ist mehr als der legitime Einsatz von Gewalt gegen Terroristen, die gegen den türkischen Staat kämpfen. Deswegen fordern wir die Türkei an dieser Stelle auf: Halten Sie internationales Recht ein! Wahren auch Sie die Souveränität Syriens! Wenn es eine Belagerung geben sollte, ist das nicht gedeckt von internationalem Recht, und das könnte nicht unsere Unterstützung erfahren. Hier müssen wir klar sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der AfD und der FDP)

Nichts ist besser geworden in den deutsch-türkischen Beziehungen in der Vergangenheit, was den Parlamentarismus angeht.

Viele Kolleginnen und Kollegen waren bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Wenn der Kollege Özdemir, mit dem man sich politisch über vieles streiten kann, dort unter Polizeischutz gestellt werden muss, weil er Bedrohungen ausgesetzt wird, dann verurteilen wir alle dies und sind solidarisch mit dem Kollegen aus der Fraktion der Grünen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Volker Kauder hat darauf hingewiesen: Viele brechen internationales Recht. Viele meinen, dass sie einfach bomben dürfen. Dazu gehört auch Russland. Wenn Russland – dass das passierte, habe ich für einen Fehler gehalten – von Amerika nicht als Regionalmacht bezeichnet werden möchte, wenn Russland als internationaler Spieler, als internationaler Partner ernst genommen werden möchte, dann muss auch Russland aufhören, einen Diktator zu unterstützen, der Giftgas einsetzt, in Ghouta wieder mordet und Zivilisten sterben lässt, dann muss auch Russland seiner internationalen Rolle endlich gerecht werden und seine Streitkräfte aus Syrien abziehen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Das muss deutlich angesprochen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das gilt auch für den Iran. Ich will deutlich sagen, dass wir Deutsche, wir Europäer ganz klar dafür eintreten, dass das Nuklearabkommen mit dem Iran eingehalten wird. Das ist – das muss man auch dem amerikanischen Präsidenten in vollem Selbstbewusstsein sagen – kein bilaterales Abkommen der Amerikaner mit den Iranern, sondern es ist – daran hat die deutsche Diplomatie einen großen Anteil; dem früheren Außenminister Frank-Walter Steinmeier sei gedankt – ein multilaterales Abkommen. Wir haben ein Interesse daran, mit den moderaten Kräften im Iran zusammenzuarbeiten. Wir haben ein Interesse daran, dafür zu sorgen, dass der Iran nicht nuklear bewaffnet wird. Deswegen halten wir, solange der Iran das Abkommen einhält – das macht er zurzeit –, an diesem Abkommen fest, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das sollten wir auch im Bündnis klar formulieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört genauso, dass auch der Iran seine Rolle in der Region wahrnehmen muss und sich nicht schlicht und ergreifend als eine Macht verstehen darf, die jetzt hegemonialen Einfluss durchsetzen will, die militärisch das durchführt, was ihr tatsächlich möglich ist, und die sich jetzt dauerhaft in Syrien, auch mit Militärbasen, verankern will. Auch das richtet sich gegen die Souveränität Syriens. Das ist insbesondere – das ist für uns Deutsche von großer Bedeutung – offenkundig eine Bedrohung Israels. Ich möchte in diesem Hause noch einmal betonen: Der Iran muss wissen, dass wir an dieser Stelle unsere internationale Politik, unsere Außenpolitik an folgendem Verhalten ausrichten: Jeder, der die Sicherheit des Staates Israel bedroht, muss wissen, er stellt sich damit außenpolitisch und sicherheitspolitisch auch in eine Gegnerschaft zu Deutschland. Deutschland ist an dieser Stelle solidarisch mit Israel. Das müssen alle, die in Teheran verantwortlich handeln, ganz eindeutig wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN)

Letztlich werden wir – deswegen kann ich an die Debatte, die wir vorhin geführt haben, anknüpfen – in dieser gesamten Region, auch mit unserem gewandelten Einsatz im Irak, den die Verteidigungsministerin schon skizziert hat, den wir aber auch noch miteinander parlamentarisch diskutieren müssen, nichts allein ausrichten. Deutschland allein wird in dieser Region – Kollege Post hat zu Recht an uns appelliert: was tun wir denn selber? – überhaupt nichts ausrichten, sondern wir werden dort nur gemeinschaftlich in Bündnissen mit anderen etwas ausrichten. Deswegen ist es gerade in dieser Zeit so wichtig, wo leider auch innerhalb des westlichen Bündnisses, seitens des amerikanischen Präsidenten, die NATO infrage gestellt worden ist, dass auch wir zur NATO stehen, dass wir unsere Bündnisverpflichtungen erfüllen und dass wir uns immer bewusst sind, dass wir das Geschehen in der Region nur dann werden beeinflussen können, wenn wir als Europäer gemeinsam auftreten. Deshalb die Lehre aus dem Desaster in Syrien: Macht Europa stark! Lasst uns im europäischen Verbund agieren! Dann können wir uns in dieser Region engagieren, und dann können wir dafür sorgen, dass das Leid geringer wird.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)