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Dr. Johann David Wadephul: Wir müssen insgesamt mehr Resilienz aufbauen

Redebeitrag zur China-Politik der EU

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ihre Rede, lieber Herr Kollege Trittin, hat eigentlich unterstrichen, dass der Konsens über die außenpolitische Einschätzung Chinas als Herausforderung über die Grenzen der Großen Koalition hinweg viel größer ist, als oft angenommen wird. Vieles, was Sie gesagt haben, können wir unterstreichen, vieles, was Sie gesagt haben, ist eine volle Unterstützung der Politik der Bundesregierung. Und diese Widersprüche, die Sie noch einmal angesprochen haben, existieren: natürlich Partnerschaft in vielen Bereichen, aber natürlich auch Zunahme der Rivalität.

Dass das Verhältnis Europas zu China schwieriger geworden ist, hat die Reise des chinesischen Außenministers in viele europäische Hauptstädte und auch nach Berlin noch einmal unterstrichen. Interessant an der Reaktion Europas fand ich, dass der chinesische Außenminister in Berlin ebenso wie in anderen Hauptstädten im Wesentlichen dasselbe gesagt bekommen hat, nämlich etwa, dass das, was in Hongkong geschieht, ein Verstoß gegen grundlegende Regeln des Zusammenlebens und insbesondere gegen die Vereinbarungen, die China bezüglich Hongkongs international geschlossen hat, ist und dass wir alle in Europa darauf bestehen, dass diese Vereinbarungen seitens der Volksrepublik China eingehalten werden, dass es nicht um eine Einmischung in innere Angelegenheiten geht, sondern dass es um die Einhaltung von klaren Kriterien geht. Deswegen sagen wir: Die Situation in Hongkong und das Verhalten Chinas bezüglich Hongkongs ist ein Lackmustest für die Glaubwürdigkeit und für das Ansehen Chinas. Aus dieser Verantwortung entlassen wir gemeinsam China nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

In der Tat, China kann erwarten, dass es seinem wirtschaftlichen und politischen Gewicht entsprechend respektiert wird. Es beansprucht eine große internationale Rolle, die ihm grundsätzlich auch zusteht. Aber Voraussetzung dafür ist aus unserer Sicht – nicht nur bezogen auf das Einzelbeispiel Hongkong; auch auf Taiwan komme ich gleich noch zu sprechen –, dass es die internationale Ordnung anerkennt und respektiert und nicht versucht, eine eigene, eine sinozentrische zu errichten. Es reicht nicht, dass Präsident Xi in Davos vor einem erlauchten Publikum die multilaterale Ordnung, den Multilateralismus hochhält und eine Lobrede darauf hält, sondern wir erwarten in der Sache von China die Einhaltung aller wesentlichen internationalen Regeln auf dieser Welt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Gyde Jensen [FDP])

Dazu gehören die Vereinten Nationen, die China mit aufgebaut hat.

Dazu gehört auch die Menschenrechtscharta. Eine massenhafte Internierung und Gewaltbehandlung von Minderheiten, insbesondere der Uiguren, bleibt und ist ein eklatanter Verstoß gegen elementare Menschenrechte, den die westliche Welt, auch wir nicht, niemals akzeptieren und immer wieder ansprechen wird. Das muss Konsequenzen haben. Das ist vollkommen klar.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dazu gehört das internationale Völkerrecht. Die Errichtung von künstlichen Inseln, die fortwährende Missachtung völkerrechtlichen Gebietsrechtes, die durch einen Schlichterspruch 2016 auch konkretisiert worden ist, nehmen wir nicht hin, sondern wir müssen als Europäer möglichst geschlossen – das gelingt nicht immer; das wissen wir bei vielen europäischen Sachen – hinter den betroffenen Anrainerstaaten Philippinen, Vietnam und Malaysia stehen. Nur wenn wir das an dieser Stelle unterstützen, wird auch China eingedämmt und wird klar, dass völkerrechtliche Regeln eingehalten werden müssen.

Wir erwarten die Einhaltung internationalen Handelsrechts, der Reziprozität und des gleichberechtigten Marktzugangs. Wir erwarten natürlich auch Regelungen – das haben Sie völlig richtig angesprochen – gegenseitigen Investitionsschutzes. Davon sind wir zum jetzigen Zeitpunkt weit entfernt. Es wird keine weitere Normalisierung und keinen gedeihlichen Fortgang der Handelsbeziehungen zwischen der EU und China und damit auch zwischen Deutschland und China geben, wenn sich China hier nicht bewegt. Wir erwarten die Vereinbarung eines Investitionsschutzabkommens. Da haben wir klare Bedingungen. Und da müssen wir als Europäer auch gemeinsam handeln. Wenn wir gemeinsam handeln – das an die Adresse Roms, das sich schon manchen Sonderweg erlaubt hat –, werden wir uns durchsetzen. Und wenn wir uns auseinanderdividieren lassen – das galt schon im alten Rom wie auch heute –, dann werden wir schwächer. Deswegen die Aufforderung an alle Europäer: Lasst uns zusammenstehen, dann können wir an der Stelle auch etwas durchsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Gyde Jensen [FDP])

Wir müssen insgesamt mehr Resilienz aufbauen: im wirtschaftlichen, im politischen wie im sicherheitspolitischen Bereich. Wir wollen keine neue Bipolarität. Wir wollen keinen neuen Kalten Krieg, um das klar zu sagen. Da hören wir manche Töne aus Washington, die wir Europäer so nicht teilen. Wir wollen uns nicht zwangsläufig wieder zwischen zwei Blöcken entscheiden müssen. Wenn wir zu einer Entscheidung gezwungen werden sollten, dann lassen wir uns – klar – auf keinen Fall von China gegen unsere transatlantischen Partner in Stellung bringen. Eine große transatlantische Einigung darüber ist wichtig und notwendig. Aber natürlich erwarten wir auch von Washington, dass es gemeinsam mit Europa eine China-Politik entwickelt. Ich erwarte, dass es nicht so abläuft, dass in Washington in irgendeiner Weise der Ton oder der Takt vorgegeben wird und Europa kuscht und von vornherein alles akzeptiert.

Resilienz werden wir aber nur dann entwickeln, wenn wir weitere internationale Partner einbinden in diese Politik, insbesondere diejenigen, die in unmittelbarer Umgebung im indopazifischen Raum damit konfrontiert sind, wie Japan, Australien, Südkorea, Indien und unsere anderen Partner in den ASEAN-Staaten. Die warten darauf, dass Europa mit ihnen Vereinbarungen trifft, an ihrer Seite steht. Wenn wir das tun, dann können wir gemeinsam China zeigen, dass wir Bündnisse bilden können. Das ist eine Sache, die China nicht kann. Es ist nicht in der Lage, positive Bündnisse zu schmieden. Wir können aber auch – ich finde, das sollten wir auch erkennen – von diesen Staaten lernen. Japan oder Taiwan – Kollegin Anita Schäfer kümmert sich sehr um unsere Beziehungen zu Taiwan, wofür wir sehr dankbar sind –

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

haben eine noch viel engere wirtschaftliche Verbindung zu China, sind eigentlich noch viel abhängiger von China, sind aber sicherheitspolitisch und außenpolitisch durchaus unabhängiger und selbstbewusster als wir. Dieses Selbstbewusstsein, das beispielsweise Japan und Taiwan zeigen, sollte uns Europäern ein Vorbild sein. Daran sollten wir uns orientieren.

Ich möchte einen letzten Blick in unsere unmittelbare Umgebung richten, weil China ja auch versucht, auf Europa Einfluss zu nehmen, seine Einflusszone zu erweitern. Allen Ländern des westlichen Balkans sei klar gesagt: Natürlich haben sie die volle Freiheit, mit China Handel zu treiben und mit China Beziehungen zu entwickeln. Aber Länder, die sich in außen- und sicherheitspolitischen Fragen an die Seite Chinas und gegen EU-Positionen stellen, können nicht erwarten, dass sie EU-Mitglied werden. So viel Selbstbewusstsein muss Europa an der Stelle auch haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)