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Dr. Johann David Wadephul: Nach unserer Auffassung muss es Sanktionen geben

Redebeitrag in der aktuellen Stunde zum Kampf der Menschen für Demokratie und nationale Souveränität in Belarus

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich persönlich habe heute drei bemerkenswerte Reden gehört. Zum einen die des Kollegen Lutze; ich kann nicht jeden Satz unterstreichen, aber viele Aussagen – ich hoffe, der Applaus spricht dafür, dass das die Meinung der gesamten Linksfraktion war – fand ich bemerkenswert und richtig.

(Zuruf der Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD])

Aber insbesondere waren es zwei Reden aus den Reihen der AfD-Fraktion, die an Schamlosigkeit nicht mehr zu unterbieten waren, weil sie insinuieren, es würde hinsichtlich der Regierungszeit, der Regierungsform und des Vorgehens staatlicher Institutionen irgendwelche Parallelen zwischen Weißrussland und der Bundesrepublik Deutschland geben.

Es ist ein probates Mittel von diktatorischen Regimen, die Opposition, vor allen Dingen das Volk, wenn es den Diktator nicht mehr unterstützen will, zu diffamieren;

(Nicole Höchst [AfD]: Genau!)

aber Deutschland und der Deutsche Bundestag sind, erst recht 30 Jahre nach der friedlichen Wiedervereinigung, gut beraten, an der Seite derjenigen zu sein, die für Menschenrechte, Demokratie, freie Meinungsäußerung eintreten. Und an der Stelle stehen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, und nirgendwo anders.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In dem Sinne, nur so und ohne irgendwelche geopolitischen Interessen mischen wir uns ein, weltweit.

(Zuruf des Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE])

In der letzten Woche haben wir hier eine Aktuelle Stunde zu China durchgeführt. Ich habe ebenso wie andere die katastrophale Situation der Uiguren in China angesprochen. Das tun wir. Menschenrechte sind nicht teilbar. Sie müssen überall angesprochen werden und angesprochen werden dürfen. Das ist keine Einflussnahme auf fremde Interessen, sondern das ist einfach ein Eintreten für grundlegende Menschenrechte überall auf der Welt. Da muss Deutschland stehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Und in Saudi-Arabien?)

– Natürlich auch in Saudi-Arabien, selbstverständlich, vollkommen richtig; das ist mehrfach gesagt worden.

Weil diese Rechte in Belarus verletzt werden und weil es ein Aufstand des Volkes ist und nicht irgendwelcher Oppositioneller, ist es richtig, dass jetzt gehandelt wird. Ich möchte wiederholen, was der Außenminister hier dargelegt hat: Deutschland hat in dieser Frage eine klare Position eingenommen, geht nachvollziehbar vor und erhöht den Druck. Der Bundesaußenminister hat angekündigt, Herr Kollege Sarrazin, dass im EU-Rahmen beim Außenministerrat am Montag der nächsten Woche Konsequenzen gezogen werden. Nach unserer Auffassung muss es – hoffentlich wird das von allen mitgetragen – Sanktionen geben, von denen auch der Diktator Lukaschenko betroffen ist. Ich sage dazu nur: Das ist keine Verzögerung, sondern, lieber Herr Kollege Sarrazin, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das ist Außenpolitik.

(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine zögerliche Außenpolitik vielleicht!)

Das muss man nachvollziehbar machen, das muss man im europäischen Rahmen machen. Da muss man konzertiert und gemeinsam reagieren. Wenn wir das so machen, dann hat die Bundesregierung die volle Unterstützung eines großen Teils dieses Hauses, jedenfalls der Großen Koalition, die nach wie vor groß ist und in dieser Frage auch eine klare Position hat. So sollte weiter vorgegangen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mañana! Mañana!)

Das Nächste ist: Sanktionen sind niemals das Ende der Politik. Sie sind ein notwendiges Mittel der Politik; aber sie sind nicht das Ende der Politik. Natürlich sind wir als Europäische Union, auch als Bundesrepublik Deutschland weiterhin zur Zusammenarbeit mit Belarus – das ist übrigens die amtliche Kurzbezeichnung, Herr Kollege Friesen – bereit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Selbstverständlich sind wir dazu bereit. Aber dazu muss es jetzt einen Dialog in dem Land geben. Dazu muss es ein Bekenntnis geben, dass diese Wahlen gefälscht waren, dass sie nicht gültig sind. Dazu müssen alle politischen Gefangenen befreit werden. Und dazu muss Belarus als letztes Land Europas endlich auch die Todesstrafe abschaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])

Das ist eine fundamentale Verletzung von Menschenrechten, die endlich beendet werden muss.

Dann sollte das aufgegriffen werden, was angeboten worden ist, wozu die OSZE und auch die albanische Präsidentschaft bereit ist: Man muss in einen Prozess eintreten, der völlig unabhängig ist, in dem selbstverständlich auch Russland und andere Staaten ihre Rolle spielen sollen und wollen. Das ist nicht eine Frage des Einverleibens in die Europäische Union, Herr Außenminister. Da würde ich einen anderen Akzent setzen. Wir einverleiben uns keinen Staat, sondern die Staaten entscheiden sich freiwillig, unserer Union beizutreten.

Aber – und da bin ich in der Tat beim Kollegen der Linksfraktion – Belarus sollte eine europäische Perspektive haben; das heißt: kein Loslösen oder künstliches Trennen von Russland. Aber wenn uns diese Freiheitsbewegung etwas gezeigt hat, dann das: Europa lebt! Die Freiheit lebt! Menschenrechte leben! Das sind europäische Werte, die ein Volk dort zum Ausdruck gebracht hat. Das sollte uns stolz machen, und das erfordert von uns das Bekenntnis, dass wir an der Seite dieser Frauen und Männer stehen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)