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Dr. Andreas Nick: Für die Bewältigung wichtiger Aufgaben benötigt der Europarat eine ausreichende finanzielle Grundlage

Auswärtiges Amt (Epl. 05)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutsche Außenpolitik orientiert sich an den strategischen Interessen unseres Landes in der Mitte Europas, und sie ist fundamentalen Werten verpflichtet. Sie vollzieht sich daher auch vorrangig in der engen multilateralen Zusammenarbeit mit Freunden und Partnern: in der EU und in der NATO, der OSZE und den Vereinten Nationen, wo wir 2019/2020 als nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat Verantwortung übernehmen.

Die älteste paneuropäische Institution – auch die erste übrigens, die Deutschland nach 1945 überhaupt als Mitglied aufgenommen hat – ist aber der Europarat, der 2019 sein 70-jähriges Bestehen begehen wird. Kernaufgabe des Europarats ist der Schutz der Menschen- und Bürgerrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der pluralistischen Demokratie, und zwar in 47 Mitgliedstaaten mit mehr als 800 Millionen Bürgerinnen und Bürgern. Das geht weit über die EU hinaus und umfasst nicht nur Regionen wie den westlichen Balkan und den Kaukasus, sondern auch große Nachbarn wie Russland, die Ukraine und die Türkei.

Und es ist wahr: In einer wachsenden Zahl von Mitgliedstaaten sehen wir negative Entwicklungen. Dies betrifft nicht nur Aserbaidschan, die Türkei oder Russland, sondern leider auch Mitgliedstaaten der EU wie Polen und Ungarn. Die Entscheidung des Europaparlaments heute ist ja schon angesprochen worden.

Gerade der Europarat verfügt über besonders geeignete Instrumente zum Schutz der Menschen- und Bürgerrechte: die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das Monitoringverfahren der Parlamentarischen Versammlung, dem gegenwärtig zehn Staaten unterworfen sind, die Venedig-Kommission mit ihrer herausragenden, weltweit anerkannten Expertise in Verfassungs- und Gesetzgebungsfragen und die Wahlbeobachtungsmissionen, die wir in enger Abstimmung mit OSZE und ODIHR unternehmen.

Es ist leider wahr, dass wir in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats einen Korruptionsskandal erheblichen Ausmaßes erlebt haben. Mit dem Bericht einer unabhängigen Untersuchungskommission und den Entscheidungen des Geschäftsordnungsausschusses hat die PVER jedenfalls ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Schwerwiegende Vorwürfe wurden weitgehend aufgeklärt und in bisher 19 Fällen klar sanktioniert, Verhaltens- und Offenlegungsregeln für die Zukunft verschärft und präzisiert.

Die nationalen Parlamente, auch der Deutsche Bundestag, sind aufgefordert, bis Ende des Jahres über ihre Entscheidungen und Maßnahmen in den sie betreffenden Fällen nach Straßburg zu berichten.

Wir sind ja in der Haushaltsdebatte. Deshalb ist der Hinweis auch wichtig: Für die Bewältigung seiner wichtigen Aufgaben benötigt auch der Europarat eine ausreichende finanzielle Grundlage. Durch das Verhalten zweier großer Mitgliedstaaten ist der Europarat in finanzielle Bedrängnis geraten: zum einen die einseitige Reduzierung der türkischen Beiträge, zum anderen die Verweigerung der Beitragszahlung durch die Russische Föderation als Reaktion auf den Entzug des Stimmrechts.

Im Bundeshaushalt 2018 haben wir daher – neben dem regulären deutschen Mitgliedsbeitrag von 34 Millionen Euro – unsere freiwilligen Beiträge von 1,2 auf 2 Millionen Euro angehoben. Im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr liegt der Ansatz zunächst wieder bei 1,2 Millionen Euro. Ich sage aber auch: Sollte es nicht zu einer grundlegenden Änderung der Situation in Straßburg kommen, werden wir uns mit der Frage der finanziellen Ausstattung des Europarates noch einmal sehr grundsätzlich beschäftigen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD])

Lassen Sie mich in aller Klarheit feststellen: Bei der fortgesetzten Verweigerung der russischen Beitragszahlung handelt es sich um einen klaren Regelverstoß. Wenn dieser auch in 2019 andauert, wird nach dem Statut ein Automatismus wirksam, der zum Ausscheiden Russlands aus dem Europarat führen könnte.

Selbstverständlich gilt: Der Europarat ist nicht erpressbar. Und was die Annexion der Krim, den Konflikt in der Ostukraine und die Menschenrechtslage in Russland betrifft, gibt es leider wenig Anlass zu einer Veränderung der kritischen Einschätzung, die wir abgegeben haben.

Es besteht aber auch unverändert ein großes Interesse, den Europarat als Forum des Austauschs zwischen allen beteiligten Staaten zu erhalten. Vor allem wollen wir auch künftig den uneingeschränkten Zugang zum Menschenrechtsgerichtshof auch für die Bürger Russlands sicherstellen. Dazu fordern uns auch in Russland tätige Menschenrechtsorganisationen wie Memorial und andere eindringlich auf. In der Oktober-Sitzung wird die PV daher über mögliche Lösungsansätze beraten.

Meine Damen und Herren, der 70. Jahrestag der Gründung des Europarats wäre eine gute Gelegenheit, das Bekenntnis zu seinen Grundwerten in angemessenem Rahmen zu bekräftigen – etwa mit einem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs im kommenden Jahr. Wir in Deutschland sollten uns weiterhin engagiert in die Arbeit des Europarats einbringen – und ihn auch verstärkt als Instrument unserer operativen Außenpolitik nutzen. Denn der Einsatz für Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und pluralistische Demokratie in unserer Nachbarschaft entspricht unseren Werten, und er dient den strategischen Interessen unseres Landes.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Frank Schwabe [SPD])