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Dr. Andreas Nick: Deutsche Außenpolitik ist dem Frieden verpflichtet

Rede zu Deutschlands Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit großer Mehrheit wurde Deutschland Anfang Juni für die Jahre 2019 und 2020 als nichtständiges Mitglied in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gewählt. Das hervorragende Wahlergebnis ist Ausdruck des weltweit hohen Vertrauens in unser Land –, aber auch der Erwartungen an Deutschland, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Deutsche Außenpolitik ist dem Frieden verpflichtet und fest in den Vereinten Nationen und der Europäischen Union verankert. Wir bekennen uns in aller Klarheit zur multilateralen und regelbasierten internationalen Ordnung.

Diese Ordnung wird inzwischen in vielfacher Form herausgefordert. Daraus ergibt sich für uns eine klare Konsequenz: Wir müssen in deutlich höherem Maße als in der Vergangenheit selbst dazu beitragen, Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten – in unserer europäischen Nachbarschaft und weltweit.

Wir sind nicht nur der viertgrößte Beitragszahler der Vereinten Nationen, wir bringen uns auch weit darüber hinaus immer stärker ein: mit diplomatischen Initiativen wie bei E3+3, mit militärischen und zivilen sowie – zunehmend wichtiger – polizeilichen Fähigkeiten und natürlich auch im Bereich der internationalen Entwicklungszusammenarbeit bei der Umsetzung der Agenda 2030.

Unsere Kandidatur für den Sicherheitsrat hatten wir unter die vier Leitbegriffe Frieden, Gerechtigkeit, Innovation und Partnerschaft gestellt. Dies wird uns bei unserem Engagement und unseren Prioritäten strategisch leiten.

Und mit Christoph Heusgen, dem langjährigen Berater der Bundeskanzlerin, sind wir mit einem unserer erfahrensten Diplomaten bei den Vereinten Nationen vertreten. Dies verdeutlicht den besonderen Stellenwert der Vereinten Nationen in unserer Außenpolitik.

Meine Damen und Herren, die Handlungs- und Funktionsfähigkeit des Sicherheitsrats wird zunehmend durch die Vetomächte Russland und China infrage gestellt. Besonders deutlich wird das durch die Blockade in der Syrien-Krise. Seit 2011 hat Russland bei Resolutionen zur Syrien-Krise zwölfmal sein Veto eingelegt; China hat das sechsmal getan. Die Handlungsunfähigkeit des Sicherheitsrats gerade im Fall Syrien unterminiert die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen nachhaltig.

Wir sehen aber auch mit wachsender Sorge, dass sich die USA nicht nur mehr und mehr aus der multilateralen Zusammenarbeit zurückziehen, sondern diese zunehmend offensiv infrage stellen – vom Pariser Klimaabkommen und der UNESCO über den UN-Menschenrechtsrat und das Iran-Abkommen bis zum UN-Büro für Terrorismusbekämpfung. Für die Zukunft kommt es deshalb entscheidend darauf an, ob die drei großen Vetomächte bereit sind, den Sicherheitsrat als das zentrale Forum zur internationalen Zusammenarbeit anzusehen und entsprechend zu revitalisieren.

Im Rahmen unserer diplomatischen Möglichkeiten wollen wir darauf hinwirken, die bestehende Blockade zum Syrien-Konflikt zu überwinden. Mit unseren Erfahrungen aus dem Normandie-Format wollen wir auch die Diskussion über einen möglichen Blauhelmeinsatz in der Ukraine voranbringen.

Der Sicherheitsrat wird sich künftig aber noch frühzeitiger mit Krisenprävention befassen müssen; der Außenminister hat dies angesprochen. Und es ist ein grundlegender Wandel festzustellen: Oftmals geht es nicht mehr um die klassischen zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen, sondern zunehmend um innerstaatliche Konflikte und Bürgerkriege. Deshalb setzen wir uns auch für die Stärkung des Konzepts der Schutzverantwortung, der Responsibility to Protect, und ihre völkerrechtlich legitimierte Implementierung ein.

Wenn ein Staat seine Bürger nicht schützt oder gar Krieg gegen seine eigene Bevölkerung führt, dann muss der Sicherheitsrat handlungsfähig sein. Deshalb unterstützen wir mit aller Überzeugung die französische Initiative, dass die ständigen Mitglieder in Fällen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschheit oder Kriegsverbrechen grundsätzlich auf ihr Vetorecht verzichten sollen.

Mit Deutschland, Belgien und Polen sind im nächsten Jahr neben den beiden ständigen Mitgliedern Frankreich und Großbritannien fünf Mitglieder – also ein Drittel der Sicherheitsratsstaaten – aus Europa. Insbesondere gemeinsam mit Frankreich wollen wir diese Chance zur Koordinierung, Europäisierung und gemeinsamer Abstimmung nutzen. Volker Kauder hat gestern bereits darauf hingewiesen, wie wichtig es wäre, künftig im Sicherheitsrat mit einer europäischen Stimme zu handeln und zu agieren.

Wie keine andere multinationale Organisation tragen die Vereinten Nationen zur Wahrung des Völkerrechts, zur Normsetzung sowie zur Gestaltung der Globalisierung bei. Wir wollen ihre Effektivität und Legitimation stärken. Sonst droht den Vereinten Nationen ein Verlust an Relevanz.

Generalsekretär Guterres unternimmt dazu wichtige organisatorische und konzeptionelle Reformen. Dabei wollen wir ihn unterstützen.

Unser langfristiges Ziel bleibt ein ständiger Sitz der Europäischen Union. Dies könnte auch ein erster Schritt zu einer nachhaltigen Reform des Sicherheitsrats insgesamt sein. Ein ständiger Sitz der EU ist auch im Konzept von Kishore Mahbubani, einer Drei-mal-sieben-Lösung mit sieben ständigen, sieben semiständigen und sieben nichtständigen Mitgliedern, vorgesehen, ein Konzept, mit dem auch Schwellenländer und Entwicklungsländer endlich fair im Sicherheitsrat repräsentiert wären.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, internationale Zusammenarbeit ist für uns kein Nullsummenspiel. Deutschland profitiert wie kaum ein anderes Land auf der Welt von der offenen, freien und sicheren Weltordnung. Es ist deshalb das überragende strategische Interesse unseres Landes, diese Ordnung zu bewahren und weiterzuentwickeln.

Lassen Sie uns die Mitgliedschaft im Sicherheitsrat dazu nutzen, die Arbeit der Vereinten Nationen und die regelbasierte internationale Ordnung nachhaltig zu stärken.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)