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Dr. André Berghegger: Unser Ziel müsste sein, schnell und genau zu handeln und zu helfen

Rede zu europäischen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir debattieren hier, wie wir gerade gehört haben, über drei Anträge, die unterschiedliche Verhaltensweisen vorschlagen, wie sich Deutschland auf europäischer Ebene derzeit verhalten soll. Allen drei Anträgen ist aus meiner Sicht gemeinsam, dass der Eindruck, der hier auch schon geschildert wurde, vermittelt wird, dass Deutschland in dieser Zeit angeblich nicht solidarisch oder nicht solidarisch genug sei. Diesem Eindruck möchte ich hier deutlich widersprechen: Deutschland ist gegenüber seinen Nachbarn im Rahmen der Verträge und im Rahmen der Gesetze natürlich jederzeit solidarisch. Wir lassen uns auch nichts anderes einreden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Als Haushälter werde ich natürlich einige finanzielle Aspekte in den Vordergrund stellen. In dieser ernsten Situation zeigt sich aus meiner Sicht Solidarität oder, besser gesagt, finanzielle Solidarität nicht durch die Diskussion über die Einführung von Coronabonds; vielmehr ist die Situation etwas komplexer. Was wollen wir erreichen? Wir wollen schnell und zielgenau helfen. Wir wollen vor allen Dingen keine langfristigen Diskussionen mit Rechtsunsicherheiten. Da, denke ich, sind Deutschland und Europa zusammen auf einem guten Weg. Aber wir haben auch schon gehört: Es wird vielfach nachgeschärft und nachgebessert werden müssen.

Erinnern wir uns nur an die letzte Sitzungswoche, als wir hier ein Maßnahmenpaket mit historischem Ausmaß auf die Beine gestellt haben: Wir haben im Wege eines Nachtragshaushaltes Mittel aufgestockt, wir haben Kredite und Garantien bewilligt, und das in einem Umfang von 1,3 Billionen Euro. Das sind gut ein Drittel, fast 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes Deutschlands im letzten Jahr. Ich glaube, das ist ein starkes Signal, um in dieser Krise voranzukommen.

Europa hat sich auch bewegt, sehr schnell. Die Kommission hat nicht verbrauchte Mittel in der Größenordnung von 40 Milliarden Euro mobilisiert. Die EZB hat – man kann es kritisieren – ein zusätzliches Anleiheprogramm in der Größenordnung von 750 Milliarden Euro auf die Beine gestellt. Dieses Programm ist viel flexibler und sichert vor allem günstige Finanzierungsbedingungen der Realwirtschaft in den betroffenen Staaten. Hinzu kommen nicht zuletzt die Beschlüsse der Euro-Gruppe von vor wenigen Tagen in einem Umfang von gut 500 Milliarden Euro.

(Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der ESM kann ungenutzte Möglichkeiten der Kreditvergabe verwenden, und das sichert natürlich die Liquidität in den Mitgliedstaaten.

Auch hier hört man sofort wieder Kritik, das sei alles zu wenig. Aber nicht oft genug kann man betonen, dass durch diesen Weg natürlich auch der Zugang der Mitgliedstaaten zu dem sogenannten OMT-Programm eröffnet wird.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sage ich ja! Sie machen es lieber über die Europäische Zentralbank!)

Das ist ein unbegrenzter Ankauf von Staatsanleihen und damit auch eine günstige Finanzierungsmöglichkeit von zusätzlichen nationalen Maßnahmen.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: EZB, logisch! Ohne jegliche Regelungen und Bedingungen!)

Das gesamte Paket macht also durchaus Sinn, und wir müssten eigentlich Wert darauf legen, dass ein Schlechtreden des ESM allmählich zurückgefahren wird und dass man die positiven Eigenschaften auch bei unseren Nachbarn erkennt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Euro-Gruppe hat weiterhin einen neuen Garantiefonds für kleine und mittelständische Unternehmen bei der Europäischen Investitionsbank auf die Beine gestellt und Kreditvergaben an Mitgliedstaaten zum Erhalt von Arbeitsplätzen, das SURE-Programm, in die Wege geleitet.

Bei all diesen Maßnahmen hilft natürlich Deutschland, und das wird mir auch zu wenig betont. Wir sichern mit unserer starken Wirtschaft die Stabilität des Euro. Wir sind größter Kapital- und Garantiegeber beim ESM, ohne diese Mittel zu nutzen. Dadurch gibt es ein bestes Ranking und natürlich gute, günstige Zinskonditionen. Das gilt auch bei der Europäischen Investitionsbank. Deutschland hat, wie wir wissen, eine starke eigenständige Förderbank, und deswegen werden wir die Mittel der Europäischen Investitionsbank in nicht so großem Umfang nutzen.

Nicht zuletzt sind wir größter Nettozahler des EU-Haushaltes. Ich glaube, wir sollten einmal abwarten, was ab heute unter dem Stichwort „Recovery Fund“ zum Wiederanfahren der europäischen Wirtschaft zwischen den Staats- und Regierungschefs besprochen wird. All das ist, glaube ich, großer Ausdruck von Solidarität in diesen Zeiten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Diese Maßnahmen sollten wir anerkennen und erst mal wirken lassen. Ich glaube, langwierige Verhandlungen und Rechtsunsicherheiten bei Coronabonds helfen uns derzeit nicht weiter. Wir dürfen nicht Finanzierungsquellen für Probleme erschließen, die vor der Coronasituation schon vorhanden waren. Unser Ziel müsste sein, schnell und genau zu handeln und zu helfen, und wir müssen daran denken, dass die Gelder, Garantien und Belastungen auch einmal wieder zurückgeführt werden müssen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass eine solide Haushaltspolitik, so wie wir sie seit Jahr und Tag betreiben, nicht einschränkt, sondern erst einmal die Handlungsfähigkeit ermöglicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das sehen wir an unserem Verhalten in den letzten Jahren.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung – das ist nämlich auch möglich – von Herrn Fricke?

 

Dr. André Berghegger (CDU/CSU):

Nein.

(Otto Fricke [FDP]: Das war klar!)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Aha. – Mir nicht. Gut.

 

Dr. André Berghegger (CDU/CSU):

Wir haben im Haushaltsausschuss so oft die Gelegenheit, zu diskutieren.

Zu guter Letzt bleibt mir eigentlich nur noch über, mich für die freundliche Aufmerksamkeit und das Zuhören zu bedanken und aus gegebenem Anlass meinem Sohn Nicolas, der jetzt vorm Fernseher sitzt und verweilt, zum Geburtstag zu gratulieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)