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Detlef Seif: Es an der Stelle richtig, denn die Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich sind in einer schwierigen Situation

Redebeitrag in der aktuellen Stunde zur Absage der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin

Sehr geehrter Herr Präsident, ich werde das bei meinen Reden berücksichtigen. Vielen Dank.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde ist schon hochinteressant: Absage der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zwischen zwei Europäischen Räten. Ich habe gedacht: Wow, welch ein Thema für eine Aktuelle Stunde! Wir haben ja keine Themen,

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Halbzeitbilanz der Ratspräsidentschaft!)

die diese liberale Welt interessieren könnten – außenpolitisch, innenpolitisch, verteidigungspolitisch.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Bedienen wir alles, Herr Seif!)

Es liegt so viel auf Ihrem Schreibtisch, und dann nehmen Sie aus so durchsichtigen Gründen und Erwägungen so ein Thema.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Halbzeitbilanz der Ratspräsidentschaft! Ein super Thema!)

Ich will ausdrücklich widersprechen, auch der Kollegin Brantner. Die Bundeskanzlerin hat das nachvollziehbar dargelegt: Sie hat eine Regierungserklärung angekündigt, um eben über den Stand der Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich berichten zu können. Das ist der Schwerpunkt des anstehenden Europäischen Rates und nichts anderes.

Wir wissen, die Verhandlungen sind in einer schwierigen Situation, man kann auch sagen, sie stocken. Jedes Wort zu viel in der Öffentlichkeit könnte auch die Verhandlungsstrategie des Verhandlungsführers Barnier betreffen. Deshalb war es an der Stelle richtig, keine Regierungserklärung abzugeben.

Und was ist denn besser als der Austausch mit Fachkollegen, mit Fachpolitikern im Europaausschuss? Hier hätten wir nur eine Rede gehört, dort konnten wir uns über alle aktuellen europäischen Themen austauschen.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Aber hier wird debattiert, Herr Seif!)

Das war richtig an der Stelle.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der Bundestag kann sich nun wirklich nicht beschweren angesichts der Vielzahl an Unterrichtungen. Wir als Bundestag haben Beteiligungsrechte in EU-Angelegenheiten; ich muss eingestehen, dass die Grünen diese durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erwirkt haben. Diese Rechte haben wir als Parlament; wir sind zu beteiligen, und wir werden beteiligt. Staatsminister Roth informiert uns regelmäßig, wir werden von Andreas Peschke, dem Leiter der Europaabteilung des Auswärtigen Amtes, informiert.

(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Wir hatten schon eine Zusammenarbeitsvereinbarung!)

– Wir haben eine Zusammenarbeitsvereinbarung. Also, mein Souffleur, der Ausschussvorsitzende, ruft das gerade zu.

(Heiterkeit der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das funktioniert alles bestens.

(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Seit vielen Jahren!)

Darum beneiden uns die anderen Parlamente in Europa; das sollten wir doch einfach zur Kenntnis nehmen.

Sie wollen mit Ihrem Antrag hier süffisant vermitteln: Merkel weigert sich. Das steckt im Prinzip dahinter. Sie ist aber eine überzeugte Europäerin, sie bindet uns wirklich aktiv und intensiv ein, wir können uns nicht beschweren an der Stelle.

(Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Doch! Können wir! Müssen wir!)

Thema der durch die FDP beantragten Aktuellen Stunde ist auch die Halbzeitbilanz. Sie haben schon davon gehört, dass man das auch im Rahmen einer Parlamentsdebatte erörtern kann? Dann wäre auch der Austausch besser gewesen. Dies ist eigentlich der falsche Rahmen, um das zu besprechen.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Die Debatte im Anschluss an die Regierungserklärung wäre doch optimal gewesen!)

In der ersten Hälfte der Ratspräsidentschaft konnte Deutschland schon wichtige Impulse setzen. Hervorzuheben ist die grundsätzliche historische Einigung zum mehrjährigen Finanzrahmen, aber insbesondere zum Aufbauprogramm „Next Generation EU“. Das werden auch Sie nicht bestreiten, das ist schon ein wichtiger Punkt an der Stelle.

Bei den Details müssen wir aber verdammt aufpassen. Das anleihefinanzierte Aufbauinstrument muss transparent und rechtlich einwandfrei sein. Das ist gar nicht so einfach. Die Finanzierung über EU-Anleihen ist eine zeitlich befristete Ausnahme und muss dies auch bleiben. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will kein neues Dauerinstrument und will vor allen Dingen keine Gemeinschaftswährung durch die Hintertüre einführen.

(Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel [AfD])

Die Migration ist eine der größten Herausforderungen für Europa. Ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem, das diese Bezeichnung verdient, ist dringend erforderlich. An dieser Stelle, Kollegin Brantner, muss ich Ihnen noch mal widersprechen: Zu den aktuellen Vorgängen sagen Sie: Die Regierung handelt nicht und hat keinen Plan. – Gerade das, was jetzt auf dem Tisch liegt, was das Gemeinsame Europäische Asylsystem ausmachen soll, ist wesentlich auch auf die Vorschläge unseres Bundesinnenministers zurückzuführen. Grenzverfahren, Zurückführen der Sekundärmigration,

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Alles 20 Jahre zu spät, Herr Seif!)

besser koordinierte Rückführungen sind ganz wichtige Themen.

Bei allem Optimismus steht fest, dass wir nicht erwarten können, dass wir bis zum Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft tatsächlich ein GEAS auf dem Tisch haben; das Thema behandeln wir seit Jahren. Aber ich erwarte einen politischen Beschluss des Europäischen Rates über die zukünftige Ausrichtung und die Schwerpunkte. Das muss erreichbar sein. Lassen Sie uns gemeinsam hier die Bundesregierung bei diesem Vorhaben unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)