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Christian Schmidt: Wenn man Zusammenarbeit will, dann bedarf es auch einer Unterstützung und Zeichen der anderen Seite

Rede zur Russlandpolitik

Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es zusammenfassend festzuhalten – und ich meine das nach der sehr inspirierenden Debatte tun zu können –:

Erstens. Es gibt keinen, der nicht gerne mit Russland zusammenarbeiten würde.

Zweitens. Wir wissen um die Bedeutung der Rolle Russlands für die europäische Friedensordnung.

Drittens. Eine solche Zusammenarbeit erfordert aber ein gemeinsames Verständnis der Partner von ihrer Rolle in der Welt und von ihrer Verpflichtung, eine multilaterale und regelbasierte Weltordnung mitzutragen und einzuhalten.

Viertens. Leider ist ein solches Verständnis gegenwärtig nicht gegeben. Die Putin-Russland-Position läuft dem zuwider.

Der AfD-Antrag versucht zwar, den einen oder anderen interessanten Punkt aufzuzeigen. Aber er ist unbehelflich und unbeholfen, weil er an den eigentlichen Fragestellungen vorbei geht. Putins Russland hat bisher nicht gezeigt, dass es bereit ist, zu einem gemeinsamen Verständnis der multilateralen Ordnung zurückzukehren, in der die Herrschaft des Rechts gilt. Russland hat anscheinend das Ziel, eine Welt zu schaffen, in der verschiedene Mächte die Vorherrschaft ausüben. Gerade deswegen müssen wir auch sehr, sehr vorsichtig sein.

Das Verständnis deutsch-russischer Zusammenarbeit, die notwendig und wichtig ist, ist angesprochen worden. Ich war bei denen, die im Jahre 1992 im Oktober-Hotel in Moskau die Grundlagen für das heutige Deutsch-Russische Forum, für diese Zusammenarbeit gelegt haben, um die Zivilgesellschaft nach vorne zu bringen. Leider mussten wir zwischendrin feststellen, dass es weniger für die Zivilgesellschaften gegeben hat und mehr Streamlining von russischer Seite eingebracht worden ist.

Wir haben immer auf die Länder dazwischen zu achten gehabt – das tun wir auch weiterhin –, die sich in diesem Jahr zum 80. Mal – das ist ein zweifelhaftes Jubiläum – daran erinnern werden, dass es 1939 zwischen Ribbentrop und Molotow und Hitler und Stalin einen Pakt gegeben hat, der das Ende ihrer Freiheit, das Ende ihrer Selbstständigkeit und noch vieles mehr bedeutet hatte. Gerade deswegen dürfen wir die Vorstellung, die da und dort anscheinend durch die Gegend geistert, nicht unterstützen. Um es mit einem historischen Wort zu umschreiben: In den 90er-Jahren ist durchaus skeptisch die Frage an uns gerichtet worden, ob da „Rapallo“ eine Rolle spielt. Nein, Rapallo spielt bei unserer Politik überhaupt keine Rolle. Das sind der Versuch und der Ansatz, eine europäische Friedensordnung, basierend auf der Selbstbestimmung der einzelnen Völker und Staaten, zu erreichen. Das heißt, die baltischen Staaten haben einen besonderen Anspruch darauf, dass wir dies in die Diskussion mit einbringen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Missachtung und Verletzung der Charta von Paris durch die Usurpation der Krim ist angesprochen worden – fortgesetzt durch einen Brückenschlag über die Meerenge von Kertsch, wodurch die Ukraine in eine schwierige und völkerrechtlich überhaupt nicht zu begründende Situation gebracht wird. All diese Dinge, die ich wiederholen will, sind genannt worden.

Wenn man Zusammenarbeit will – das wollen wir –, dann bedarf es auch einer Unterstützung und Zeichen der anderen Seite. Wenn beispielsweise ein Mann der Rationalität wie mein Freund, der langjährige Europaabgeordnete der CSU, Bernd Posselt, nicht einreisen darf, weil er auf der Liste der Geächteten steht, dann zeigt das, dass die Dialogbereitschaft nicht in einem ausreichenden Maß vorhanden ist. Das ist nicht akzeptabel.

Das ist auch der Grund, warum wir Wirtschaftssanktionen implementiert und die russische Seite gedrängt haben, etwas zu tun. Das bleibt der Fall. Kollege Sarrazin hat das angesprochen. Was das Thema Sanktionen betrifft: Die komplette Liste der Agrarsanktionen, das sind russische Sanktionen gegenüber der EU und nicht umgekehrt. Das muss man auch so benennen dürfen. Hier gab und gibt es Versuche, die Dinge in eine vernünftige Richtung zu bringen. Dazu bedarf es aber einer grundsätzlichen Bereitschaft auch der russischen Seite.

Deswegen: Wir haben keinen kulturellen oder emotionalen Konflikt, sondern einen eminent politischen. Und der geht dann doch wieder auf die Geschichte zurück. Hier wurden ja verschiedene Philosophen genannt. Hegel hat in seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie den berühmten Satz gesagt, dass die Völker aus der Geschichte nur lernen, dass sie aus der Geschichte nichts lernen.

Heute haben wir übrigens in dem beeindruckenden Vortrag von Saul Friedländer einen Augenblick lang spüren dürfen, dass Hegel vielleicht nicht recht hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der AfD und der FDP)

Wir sind ein anderes Deutschland. Aber es muss auch ein anderes Russland sein als das, das sagt: Das Schlimmste ist, dass die Sowjetunion nicht mehr da ist. – Stalin war auch nichts anderes als ein Massenmörder. Mir fehlen die Distanzierungen von diesen hegemonialen Vorstellungen. Wenn das der Fall ist, dann lässt sich über vieles reden. Die OSZE wird in dem Antrag ja angesprochen: Wenn wir uns die KSZE, die Helsinki-Schlussakte noch einmal vor Augen führen – auch den Korb III –, dann stellen wir fest, dass da von russischer Seite noch einiges hineingetan werden kann. Wir sind bereit dazu. Ich denke, jede Form des Dialogs, die zielführend ist im Sinne des Verständnisses von regelbasierter, verbindlicher, verlässlicher und honoriger Politik, wird dann auch im zweiten Schritt genau zu dem führen, was in diesen etwas verquasten Zusammenstellungen und in der heutigen Diskussion von der AfD in die Debatte geworfen ist. Das ist unser Anliegen; aber wir müssen vorher die politische Ordnung in die richtige Reihe bringen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)