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Christian Schmidt: Argumentation und Diskussion im Nuklearbereich erfordern Tiefe

Rede in der aktuellen Stunde zum INF-Vertrag

Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der letzten Rede habe ich einen kurzen Moment gedacht, ich sei irgendwie im falschen Film, es sei ja alles irgendwie Fiktion. Lieber Herr Neu, ich kann Sie beruhigen: Es ist trotz Ihrer mühseligen Zusammenführung von widersprüchlichen Thesen nicht so.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Eine Faktendarstellung, Herr Kollege!)

Das Waffensystem 9M729 existiert. Wir durften es nicht sehen; wir dürften nur das Etui sehen. Okay, wenn stimmt, was von Moskauer Seite gesagt wird – sie haben es übernommen –, dann hat es keine Reichweite von 500 Kilometern – damit wäre es im Bereich der Verletzung des INF-Vertrages –, sondern 480 Kilometer. Na, das ist ja eine tolle Argumentation, zu sagen: Es ist doch gar nichts passiert. Es ist doch alles normal.

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: 480 ist weniger als 500!)

Das heißt allerdings auch, dass ich schon überrascht bin, wie auf der linken und auf der rechten Seite des Hauses argumentiert wird.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Keine Gleichsetzung! Immer die alte Leier!)

Das Highlight lieferte ja Herr Dr. Schlund.

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie sind doch rechts!)

Er offenbarte eine interessante Zusammenfassung von Ahnungslosigkeiten über Nuklearstrategien. Bei den Linken war das genauso, sodass hier der Eindruck entsteht und entstanden ist – –

(Zurufe von der LINKEN)

– Herr Präsident, auf der linken Seite höre ich irgendwie nur Gequassel.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das gehört dazu! – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Zwischenrufe gehören dazu! Das ist parlamentarisch!)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Schmidt, erlauben Sie mir eine kurzfristige Bemerkung.

Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU):

Bitte.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn sich einzelne Zwischenrufe zu einem Geräuschpegel entwickeln, haben wir ein Problem.

Erstens. Die meist klugen Zwischenrufe können wir nicht verstehen.

Zweitens. Sie können für die Ewigkeit nicht festgehalten werden,

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Was schade wäre! – Peter Beyer [CDU/CSU]: Das ist das einzig Schöne!)

weil die Protokollführer sie ebenfalls nicht verstehen können.

Drittens. Herr Schmidt weist zu Recht darauf hin: Das stört den Redner, der bestimmt auf den einen oder anderen intelligenten Zwischenruf antworten würde.

Also, hören Sie Herrn Schmidt zu, selbst wenn es Ihnen schwerfallen sollte.

Herr Kollege Schmidt, Sie haben das Wort.

Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU):

Herzlichen Dank, Herr Präsident, für die für uns alle interessanten Hinweise. – Ja, Argumentation und Diskussion im Nuklearbereich erfordern Tiefe, erfordern – es ist gesagt worden – ruhige Diskussion und Überlegung.

Ja, es war der INF-Vertrag. Es war der Waldspaziergang von Paul Nitze und Julij Kwizinski, der einen Fortschritt und einen Durchbruch gebracht hat, der Verifikation allerdings nicht in den Vordergrund des Vertrages gerückt hat, weil ja alle Waffen abgeschafft worden sind. Jetzt sind wir in der Tat in einer bestimmten Situation, in der wir sagen: Das Vertrauen, das zwischen Paul Nitze und Julij Kwizinsjki da war, ist nicht mehr vorhanden. Dieses Vertrauen ist durch Raketenentwicklungen im russischen Bereich kräftig gestört worden. Es muss versucht werden, dieses Vertrauen wiederherzustellen.

Es gab, ich glaube, an die 30 Versuche in den letzten sechs Jahren von amerikanischer, von internationaler Seite, zu sagen:

(Peter Beyer [CDU/CSU]: Über 30 Versuche!)

Nun lasst doch mal Verifizierung und Inspektionen zu; dann wissen wir, worüber wir reden, auch im Hinblick auf eure Grundlagen. – Darauf wurde leider nie reagiert, und deswegen ist es logisch, dass sich die USA auf die Erkenntnisse, die durchaus sehr differenziert sind, stützen, die besagen: Ja, hier liegt eine evidente Verletzung des INF-Vertrages vor.

Vielleicht hätten wir uns von europäischer Seite in den letzten sechs Jahren in diese Angelegenheit mehr einmischen müssen. Tua res agitur, unsere Sache wird hier verhandelt. Bei Mittelstreckenraketen geht es schließlich um unsere Sicherheit. Wir sollten mit Vorschlägen für eine Fortschreibung und Weiterentwicklung des INF-Vertrags werben. Das bedeutet natürlich Verifikation. Wir müssen auch die anderen Länder, die 1987 noch nicht in nennenswertem Umfang über Mittelstreckenraketen verfügten, einbeziehen. Im Vordergrund muss aber stehen, dass wir gemeinsam eine Vertrauensbasis finden. In dieser Hinsicht halte ich die Äußerungen aus Russland für nicht sehr förderlich. Wir müssen agieren und handeln, weil im Jahr 2021 der letzte Abrüstungsvertrag zur Verlängerung ansteht, nämlich der New-START-Vertrag von 2010, der auf dem Geiste des INF-Vertrags aufbaut.

Es ist notwendig, dass wir eine nüchterne Agenda schaffen. Alle Erfahrungen mit solchen komplizierten Situationen zeigen: Wer sich zuvor aller seiner Optionen entäußert, hat wenige Optionen, zu einem gemeinsamen, vertrauenswürdigen Ergebnis zu kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deswegen müssen in der Tat alle Optionen in der politischen Diskussion sowohl in Deutschland als auch in Europa auf dem Tisch bleiben, mit dem Ziel, eine ausgewogene Abrüstung und Reduzierung von Atomwaffen in der Welt – Stichwort „Nuclear Balance“ – zu erreichen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU):

Wir sollten die Diskussion heute beginnen und nicht beenden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)