Skip to main content

Alexander Radwan: Instabilität in der Welt nimmt zu

Rede zur aktuellen Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere heutige Aussprache widmet sich der aktuellen Entwicklung im Nahen Osten. Eigentlich müssten wir uns regelmäßig über die dramatischen Entwicklungen und die aktuellen Erscheinungen dort austauschen. Die Sicherheitskonferenz wurde schon mehrfach erwähnt. Wenn man sich die Sicherheitskonferenzen in den letzten Jahren anschaut, dann kann man sicherlich die Überschrift wählen: Instabilität in der Welt nimmt zu. – Die Unberechenbarkeit ist eine gewisse Konstante geworden. Das beginnt beim Verhältnis der USA zu Russland. Ich nehme keine Bewertung vor, wer hier wem nähersteht. Vielmehr geht es schlicht und ergreifend darum, dass sich das Vertrauen zwischen diesen beiden Mächten nicht vergrößert.

Es hat natürlich Auswirkungen auf die zur Diskussion stehende Region, wenn sich die Mächte, die bisher dort ordnende Hand waren und Einfluss genommen haben, zurückziehen. Dort, wo man sich zurückzieht, entsteht ein Vakuum. In dieses Vakuum gehen nun regionale Mächte, die selbst ordnende Hand sein möchten und Strukturen schaffen wollen. Das ging mit dem IS los. Wenn man sich die momentan medial sehr stark dargestellte Situation in Syrien anschaut, dann kann man zu Syrien aktuell nur sagen: Dort bilden sich momentan aus dem Konglomerat aus Türkei, Iran, Kurdenthematik und Saudi-Arabien Koalitionen, die zumindest ich – es ist fraglich, ob das jemand anderes vorausgesehen hätte – für nicht möglich gehalten hätte. Diese Koalitionen haben eigene Interessen und schaffen Strukturen vor Ort. Es ist richtig, dass wir alles daransetzen müssen, den Staatsterror in Syrien zu stoppen. Herr Annen, das von Ihnen angesprochene Verhältnis zwischen der NATO, der Türkei und den USA und die dort entstandenen Widersprüche – ich weiß nicht, ob Sie das vor einem halben Jahr vorausgesehen hätten – muss die NATO auf die Agenda setzen. Aber aufgrund der Aktualität des Konflikts in Syrien stehen andere Konflikte nicht mehr im Vordergrund, obwohl es dabei um Entwicklungen geht, die genauso gefährlich sind.

Der Iran wurde bereits angesprochen. Natürlich wollen wir das Atomabkommen beibehalten. Gleichzeitig müssen wir den Iran ermahnen, das falsche Spiel gegenüber Israel und den Golfstaaten nicht weiter zu betreiben. Gleiches gilt für Saudi-Arabien, das momentan durch Verhandlung versucht, selbst in den Besitz von Atomkraftwerken zu kommen und so auf Augenhöhe mit dem Iran zu sein. Die Situation, die sich dort vorfinden lässt, wird sich in den nächsten ein, zwei oder drei Jahren nicht deeskalieren. Vielmehr bauscht es sich weiter auf. Das Gleiche gilt für das Existenzrecht Israels. Das steht auf der deutschen Agenda ganz oben. Gleichzeitig müssen wir alle in dieser Region ermahnen, alles daranzusetzen, dass es nicht zu einer weiteren Eskalation kommt. Das gilt für Russland genauso wie für die USA.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die NATO hatte ich bereits angesprochen. Das Gleiche gilt für die Europäische Union. Europa sollte endlich dort, wo ein Vakuum entstanden ist, mit einer Stimme sprechen. Dort, wo Konflikte zunehmen, ist mehr Diplomatie notwendig und nicht weniger, ist mehr Einflussnahme notwendig und nicht weniger. Meine Bitte lautet: Man kann Erdogan und anderen zu Recht vorwerfen, dass sie Außenpolitik aus Sicht der Innenpolitik machen. Wenn wir unsere Verantwortung ernst nehmen, sollten wir das in Deutschland lassen.

Lassen Sie mich mit Blick auf die Äußerungen des Kollegen der AfD nur eines sagen: Ich weiß nicht, ob die Situation im Nahen Osten dadurch besser wird, dass, wie gefordert, alle Türken aus Deutschland ausgewiesen werden und in meinem Wahlkreis während einer Wahlkampfveranstaltung die AfD gefordert hat – so berichtete es eine Zeitung –: „Wir müssen den Islam vernichten“, und ob das ein Beitrag dazu ist, diese Region zu befrieden.

Besten Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)