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Eberhard Gienger: "Brücken bauen zwischen den Menschen"

Rede zu Menschenrechtsverletzungen - Fußball-WM 2018

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit ein paar Minuten läuft die Fußballweltmeisterschaft in Russland, und eines kann man wohl im Voraus positiv konstatieren: Ohne dieses Großsportereignis stünden Russland und die Menschenrechtslage jetzt nicht in einem so hellen und vielleicht sogar kritischen Schlaglicht der Weltöffentlichkeit.

Die politische Lage in Russland besorgt uns – vielleicht mit Ausnahme der AfD. Man denke hier nur an die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, die russischen Militäreinsätze in Syrien, die Verwicklung beim mutmaßlichen Abschuss der niederländischen Passagiermaschine, die Ostukraine, das russische Staatsdoping, das Agentengesetz, Pressefreiheit. Das haben wir heute alles schon gehört.

Aber ein mehrwöchiges Großsportereignis wie die Fußball-WM verändert über Nacht nicht per se ein politisches System, das von einer „gelenkten Demokratie“ hin zu einem „autoritären Staat“ abzurutschen droht. Dennoch: Aus sportpolitischer Sicht bieten sich auch Chancen, nämlich zur WM positiv Einfluss zu nehmen. Wir werden jetzt nicht müde, Missstände und politische Irrwege anzusprechen, uns für Freiheit und Demokratie einzusetzen oder die universellen Menschenrechte im und durch den Sport zu fördern.

Die Sitzung des Sportausschusses am 6. Juni, die schon angesprochen wurde, hat mich insofern etwas positiv gestimmt, als sich die Experten von Human Rights Watch, von Transparency International und vom Deutschen Fußball-Bund derart kraftvoll für die Menschenrechte einsetzen und einen positiven, wenn auch vielleicht etwas auszubauenden Einfluss im Gastgeberland und in den internationalen Sportgremien feststellen.

Minky Worden, Direktorin von Human Rights Watch, hat dies in der „FAZ“ am 11. Juni noch einmal tiefgehend ausgeführt und die FIFA für manche Verbesserungen gelobt. Unter anderem hat sie gesagt, dass bis 2010 bei der FIFA „Menschenrechte noch gar kein Thema“ waren. Heute gibt es aber ein Menschenrechtsgremium, das die Beschwerden von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten zumindest behandelt.

Unsere Nationalmannschaft steht im Übrigen für Integrität, Fair Play und Toleranz. Diese wie auch andere Werte wollen die Fußballer neben den sportlichen Zielen auch auf dem Platz verkörpern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Britta Katharina Dassler [FDP])

Im Vorfeld der WM hat der DFB zudem viele Veranstaltungen besucht und selbst angestoßen. Die Nürnberger Gespräche zur Fußball-Kultur zum Beispiel, die Rede beim Petersburger Dialog, die Einbindung von Thomas Hitzlsperger und Einsetzung von Cacau als Integrationsbeauftragten und zahlreiche Treffen mit Amnesty International, Human Rights Watch, Reporter ohne Grenzen, Brot für die Welt und mit politischen Stiftungen im Auswärtigen Amt stehen für die feste Verankerung des Themas im DFB. Darüber hinaus beabsichtigt der DFB, im Zuge der Bewerbung für die Europameisterschaft 2024 ein Menschenrechtskonzept zu entwickeln und dies auch in seiner Satzung zu verankern. Das, finde ich, macht Hoffnung für die Zukunft.

Es ist keine neue Erkenntnis, dass Sport und Politik nicht gänzlich voneinander zu trennen sind. Wie auch? Spitzensport, Freizeit- und Breitensport finden nicht auf einer einsamen Insel statt, sondern sind eingebettet in die jeweiligen Gesellschaften, politischen Systeme und internationalen Beziehungen. Damit werden Sportverbände, national wie international, nicht automatisch zu staatlichen Akteuren oder gar zu den Vereinten Nationen. Ganz im Gegenteil: An vielen Punkten besteht die Gefahr, instrumentalisiert zu werden und zwischen den staatlichen, religiösen und auch ethnischen Fronten zerrieben zu werden.

Wie können 211 nationale Verbände zu einem Großsportereignis zusammenkommen, wenn nicht auf dem Spielfeld selbst ausschließlich die sportlichen Regeln gelten? Und doch: Die dem Sport immanenten Werte sind mit den Menschenrechten nicht nur verwandt, sondern auch in den Fundamenten geradezu deckungsgleich.

Wie dringlich, schwer und langwierig zugleich die aufgezeigten Wege im diplomatischen Prozess sein können, das wissen wir alle. Großsportereignisse wie die Olympischen Spiele, die Fußballweltmeisterschaft in Russland können zur weiteren Öffnung des Landes beitragen, Brücken bauen zwischen den Menschen sowie festgefahrene Positionen aufbrechen. Die Olympischen Winderspiele in Pyeongchang haben mit der weiteren Annäherung zwischen Nord- und Südkorea die verbindenden Kräfte des Sports eindrucksvoll aufgezeigt.

Nur noch eine kurze Bemerkung zum Antrag: Ich glaube, wenn Politiker wie die Kanzlerin oder der Innenminister nach Moskau bzw. nach Russland fahren, muss man ihnen kein Rahmenprogramm mit auf den Weg geben.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Es sei denn, es ist Gerhard Schröder!)

Ich glaube, es ist selbstverständlich, dass sie wichtige Themen im Gespräch mit den politisch Verantwortlichen und demzufolge auch mit denjenigen, die mit Pressefreiheit und Menschenrechten zu tun haben, ansprechen. Dafür hätte man diesen Antrag nicht unbedingt gebraucht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber schön, dass wir darüber reden können durch unseren Antrag!)