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Melanie Bernstein: "Wir wollen fördern und nicht ausgrenzen"

Rede zum Jahr der deutschen Sprache

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Lektüre Ihres Antrags, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, ist mir wieder einmal das Muster Ihres politischen Handelns aufgefallen. Zunächst einmal geht das ja ganz gut los: Sie loben Luther und seine Verdienste um die moderne deutsche Sprache, schreiben von Diskussionsveranstaltungen und einem Dialog; alles schön und gut. Aber dann liefern Sie ja doch zuverlässig, weil Sie die bürgerliche Maske nicht mal für zwei Seiten aufrechterhalten können. Da ist die Rede von „Deutschtürken“ und deren Smartphone-Nutzungsgewohnheiten. Weil also ein Migrant „ortsanzeigende Präpositionen“ nicht beherrscht, wollen Sie „Festveranstaltungen und Symposien“ durchführen. Von dem Franzosen, der kein „h“ aussprechen kann, und dem Amerikaner, der mit dem „ch“ auch so seine Probleme hat, natürlich kein Wort.

Dann kommt der Rundumschlag auf alles, was der durchschnittliche AfDler so gar nicht leiden kann: der „Hipster“, die Bar, in der die Bedienung Englisch spricht, der Deutschtürke, der Migrant, Fremdsprachen, kulturelle Vielseitigkeit, Weltoffenheit. Was Sie wie immer nicht verstehen, ist, dass diese Erscheinungen nicht von der Bundesregierung verordnet sind. Keiner schreibt vor, welche Sprache in einem Restaurant gesprochen werden muss. Es gibt kein Verbot englischsprachiger Musik. Andersherum zwingt Sie übrigens auch niemand, ein Hipstercafé aufzusuchen. Derzeit gibt es zwar gute Gründe, dass Cafés geschlossen sind, aber die verstehen Sie ja auch nicht.

Ich muss schon sagen: Innerhalb einer Textseite den Bogen von Luthers Bibelübersetzung zu der Art, wie mit türkischem Akzent das Wort „ich“ ausgesprochen wird, zu ziehen, ist eine beachtliche Leistung; das ist ein richtig starkes Stück.

Und da, genau da, liegt der Grund, warum meine Fraktion diesen Antrag ablehnt.

(Karsten Hilse [AfD]: Nein, das ist nicht der Grund!)

Ihnen geht es nämlich nicht um die Liebe zur deutschen Sprache. Ihnen geht es um die Ablehnung alles anderen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dabei verstehen Sie nicht, dass hier niemand mit Zwang arbeitet. Wer will denn der Bedienung im Café vorschreiben, wie sie spricht, dem Migranten, wie er mit seinen Freunden schreibt, dem „Hipster“, welche Zeitung er liest? Sie wollen das, wir nicht.

Richard von Weizsäcker hat beim Staatsakt „40 Jahre Grundgesetz“ 1989 gesagt: „Patriotismus ist Liebe zu den Seinen; Nationalismus ist Haß auf die anderen“.

(Karsten Hilse [AfD]: Deswegen heißen wir ja auch „Patrioten“!)

Das unterscheidet uns von Ihnen, meine Damen und Herren von der AfD.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir wollen fördern und nicht ausgrenzen. Wir unterstützen das Goethe-Institut, das in fast 100 Ländern unsere Kultur und unsere Sprache vermittelt, allein im Jahr 2020 an über 250 000 Menschen weltweit. Wir unterstützen politische Stiftungen, die auf der ganzen Welt unsere Ideale von Freiheit und Demokratie vertreten, also all das, was Sie gemeinhin „Steuergeldverschwendung“ nennen.

In meinem Wahlkreis setze ich mich seit Langem für den Erhalt der Bibliothek im Kloster Preetz ein. Das sind über 10 500 Bände, die meisten übrigens auf Deutsch, die wir gemeinsam vor dem Verfall retten. Ehrenamtlich gestalte ich das Programm im Kleinen Theater in Wahlstedt, auch auf Deutsch.

So wie ich machen das viele hier von uns. Wir müssen uns also von Ihnen nicht erzählen lassen, wir ließen die deutsche Sprache verkommen. Wir benutzen sie nur nicht, um Zwietracht und Hass in die Gesellschaft zu tragen. Das tun Sie. Und, ehrlich gesagt, noch nicht mal besonders geschickt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)