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Annegret Kramp-Karrenbauer: Wir müssen den Terror dort bekämpfen, wo er entsteht

Redebeitrag zur Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Irak

Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesministerin der Verteidigung:

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Bei der Rede des Kollegen sind mir noch einmal die Bilder durch den Kopf gegangen von getöteten und verletzten Zivilisten, von Kindern, die von den damaligen – über die Sie eben gesagt haben: so guten – Regierungen in Syrien und im Irak mit Giftgas malträtiert und um ihr Leben gebracht worden sind. Das ist nicht das, was sich Menschen unter sicherem und freiem Leben vorstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist es richtig, dass wir vor Ort engagiert sind.

Ich habe am Dienstag dieser Woche ebenso wie mein Kollege Heiko Maas ein langes Gespräch mit dem irakischen Außenminister Fuad Hussein geführt, um gerade im Vorfeld dieser Debatte noch einmal ausführlich über die Lage im Irak zu beraten. Er hat mir seinen Dank übermittelt für das, was Deutschland, was unsere Soldatinnen und Soldaten in seinem Land, gerade auch im kurdischen Norden, geleistet haben und leisten. Diesen Dank übermittle ich hiermit gerne an Sie.

Wer sich mit der Situation vor Ort befasst und wer den Betroffenen zuhört, der erkennt: Unsere Aufgabe dort, die Aufgabe der Bundeswehr ist noch nicht beendet. Und es ist der ausdrückliche Wunsch der irakischen Regierung, dass wir unser Engagement vor Ort fortsetzen. Minister Hussein hat vom langfristigen Kampf gegen den IS gesprochen – eine Einschätzung, die alle Experten teilen, eine Einschätzung, die auch ich teile; denn auch wenn der IS in der Fläche zurückgedrängt ist, ist er nach wie vor aktiv und nach wie vor gefährlich, und er ist bei Weitem noch nicht besiegt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Und mir, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es besonders wichtig, nicht aus dem Blick zu verlieren, dass wir mit diesem Einsatz nicht nur anderen zu Hilfe kommen. Er dient unserer eigenen Sicherheit, auch hier in Deutschland und in Europa; denn dass Instabilität und Krieg in dieser Region auch bei uns Folgen haben, ist hinlänglich bekannt. Wir müssen den Terror dort bekämpfen, wo er entsteht.

Aus diesem Grund ersuchen wir Sie, den Deutschen Bundestag, heute um die Verlängerung des Mandates für den Einsatz der Bundeswehr zur nachhaltigen Bekämpfung des IS-Terrors und zur umfassenden Stabilisierung des Irak. Es bleibt unser Ziel, gemeinsam mit unseren Partnern und Verbündeten zur Stabilisierung der Gebiete, die der IS einst beherrschte, beizutragen. Mit unserem Einsatz setzen wir auch genau da ein Signal. Die verbliebenen Kämpfer des IS sollen und müssen wissen, dass wir entschlossen an der Seite unserer Partner stehen.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Frau Bundesministerin, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Strack-Zimmermann?

 

Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesministerin der Verteidigung:

Gerne.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Sie hat keine Redezeit bekommen!)

 

Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP):

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich will Sie lediglich deshalb fragen, weil der Bundesaußenminister, der eigentlich dafür zuständig ist, in Deckung gegangen ist, als ich zur Frage anhob.

Wir sind ja bei dem Irak-Mandat, das wir als Ganzes gesehen haben, immer davon ausgegangen, dass in Jordanien – der IS ist eben nicht erfolgreich bekämpft und hat sich durch Corona wieder ausbreiten können – als Nachfolge der Tornado-Flotte die Italiener aktiv sind. Bis heute ist das nicht so. Könnten Sie noch etwas dazu sagen, warum das so ist; denn damit ist die Geschäftsgrundlage, dass die Tornados abgezogen werden, nicht mehr gegeben.

 

Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesministerin der Verteidigung:

Wir sind uns mit den Italienern einig und sind auch weiter mit ihnen im Gespräch. Es gibt auch die grundsätzliche Zusage der italienischen Seite, für uns dort diese Aufgabe zu übernehmen. Sie ist allerdings bisher, auch wegen der Coronasituation in Italien selbst, noch nicht umgesetzt worden. Ich habe vor Kurzem beim Treffen der EU- und der NATO-Verteidigungsminister hier in Berlin auch noch einmal mit dem italienischen Kollegen darüber gesprochen. Und lassen Sie mich sagen, dass wir vor Ort mittlerweile ein bodengestütztes Radar einsetzen und so unsere weiteren Fähigkeiten zur Verfügung stellen. Insofern ist auch unser Einsatz in Jordanien weiter erforderlich und weiter zu unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Entschlossenheit, von der ich eben gesprochen habe, hat schon viel bewirkt. Die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte zeigen im Kampf gegen den IS ein zunehmendes Maß an Eigenständigkeit, an Professionalität, an Zielstrebigkeit. Das gilt insbesondere für die kurdischen Sicherheitskräfte im Nordirak. Ein Beispiel für diesen Fortschritt ist die Übergabe von Ausbildungsstandorten in die alleinige Verantwortung der dortigen Kräfte.

Die Konsequenz daraus ist: Die Menschen, die viele Jahre lang unter der unerträglichen und mörderischen Herrschaft des IS gelitten haben, sehen wieder eine Perspektive. Jetzt – und das ist eine der größten Aufgaben, der sich der Irak gegenübersieht – geht es darum, für die Binnenflüchtlinge eine Perspektive zu entwickeln, dass sie in ihre angestammten Regionen zurückkehren können. Damit wir das absichern, müssen wir mit Training und Ausbildung für die irakischen Kräfte im gesamten Spektrum – zivil und militärisch – weiter unseren Beitrag leisten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das bedeutet im Anteil „Counter Daesh“, dass wir mit Luftbetankung, Lufttransport, Luftraumüberwachung, bodengestützt, und Lagebilderstellung für unsere Koalitionspartner weiter tätig sind. Zum Anteil „Capacity Building Iraq“ gehört die Hilfe von Fähigkeitsaufbau im Nord- und im Zentralirak. Dieser Fähigkeitsaufbau findet unter anderem als Teil der NATO-Mission statt, die den irakischen Sicherheitssektor auf institutioneller und strategischer Ebene berät und unterstützt. Deutschland wird noch in diesem Monat die ersten zwei Stabsoffiziere nach Bagdad entsenden, die dort das NATO-Engagement verstärken werden. Im Mandatszeitraum wird der deutsche Beitrag zur NATO-Mission dann angepasst werden.

Wie Sie wissen, haben wir die Ausbildungstätigkeit für Sicherheitskräfte wegen Corona vorläufig ausgesetzt. Wir werden sie nach sorgfältiger Prüfung der Pandemiebedingungen vor Ort zu gegebener Zeit und in Absprache mit allen Partnern wieder aufnehmen.

Wir werden all dies in den kommenden Monaten mit einer reduzierten Mandatsobergrenze leisten können: Statt 700 Soldatinnen und Soldaten wird nun eine Mandatierung von 500 Bundeswehrangehörigen ausreichen. Diese Reduktion um 200 wird möglich sein, weil wir zwischenzeitlich auch den Luftaufklärungseinsatz mit Tornado-Flugzeugen beendet haben.

Lassen Sie mich an dieser Stelle all jenen herzlich danken, die in den vergangenen Monaten und Jahren im Einsatzgebiet in unterschiedlicher Funktion ein herausragendes Engagement gezeigt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir ist besonders wichtig, dass wir uns in der Koalition – und dafür möchte ich mich bedanken – für dieses Mandat auf eine geplante Laufzeit von 15 Monaten, bis zum 31. Januar 2022, einigen konnten. Das ist sinnvoll und zusammen mit der inhaltlichen Festlegung deshalb notwendig, weil wir gerade sehr viele Entwicklungen im Irak sehen: den strategischen Dialog zwischen dem Irak und den Vereinigten Staaten, die angekündigten Truppenreduzierungen der US-Seite, das stärkere Engagement der NATO – der Außenminister des Iraks hat gerade gestern dazu mit der NATO Gespräche geführt –, die Coronabedingungen, unter denen wir im Moment die Einsätze fahren. All das macht deutlich, dass unser Engagement vor Ort möglicherweise in den nächsten Wochen und Monaten immer wieder ein Stück angepasst wird. Das Mandat ist so flexibel, dass es dies ermöglicht.

Ich finde, es wäre für unsere Soldatinnen und Soldaten vor Ort auch keine gute Botschaft, wenn die Frage der Fortsetzung ihres Einsatzes und der Planungssicherheit womöglich in das Zentrum der politischen Auseinandersetzungen im Bundestagswahlkampf geriete. Deswegen bin ich dafür sehr dankbar.

Unser heutiger Antrag ist auch ein Signal für Sie alle – für das deutsche Parlament –, ein Signal der Verlässlichkeit an die Bundeswehr, an die Parlamentsarmee zu senden. Die Soldatinnen und Soldaten, denen wir diese Mission anvertrauen, schauen auf den Bundestag mit der Erwartung, ein klares Mandat zu erhalten, das ihnen Rechtssicherheit und politische Rückendeckung gibt und das damit auch ihren gesellschaftlichen Rückhalt stärkt. Bei meinen Gesprächen in der Truppe höre ich immer wieder, wie wichtig es unseren Soldatinnen und Soldaten ist, dass sie hier mit voller Unterstützung der Politik agieren können.

Es gibt viele gute Gründe, unserem Antrag auf Mandatsverlängerung zuzustimmen. Unser eigener Anteil an der Stabilisierung des Iraks ist vielfältig. Zusammen mit den internationalen Partnern vernetzen wir zivile und militärische Maßnahmen. In diesem Sinne lohnt es sich, diese Arbeit fortzusetzen, und ich darf Sie um Ihre Unterstützung bitten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Annegret Kramp-Karrenbauer