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Andreas Jung: Wir wollen bis zum nächsten Jahr ein deutsch-französisches Parlamentsabkommen auf den Weg bringen

Rede zu "55 Jahre Élysée-Vertrag"

Sehr geehrte Herren Präsidenten! Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag und aus der französischen Assemblée! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie, Herr Präsident Dr. Schäuble, haben eingangs dieser Sondersitzung gesagt, heute sei der Tag der Parlamente. Ich will daran anschließen und sagen: Ich finde, es ist heute eine Sternstunde unserer Parlamente. Das ist deshalb der Fall, weil sich abzeichnet, dass sich heute eine große Mehrheit im Deutschen Bundestag genauso wie später in der französischen Assemblée dafür aussprechen wird, unsere Partnerschaft zu erneuern, einen neuen Impuls zu geben und einen neuen Élysée-Vertrag auf den Weg zu bringen.

Wenn man in unsere Geschichte schaut, dann stellt man fest, dass das alles andere als selbstverständlich ist. Vor 55 Jahren war dies zunächst ein Projekt von zwei Staatsmännern, von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, die beide beide Weltkriege erlebt haben, die das Leid gesehen haben, das diese Kriege über beide Nationen gebracht haben, die sich kennengelernt und Vertrauen gefasst haben und die gemeinsam beschlossen haben: Wir wollen ein neues Kapitel für unsere Länder aufschlagen und Europa gemeinsam voranbringen. – Dazu gab es in beiden Ländern Zustimmung, es gab aber auch Zurückhaltung und Skepsis, auch im Deutschen Bundestag. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben dem Élysée-Vertrag bei der Ratifizierung eine Präambel vorangestellt, in der ergänzend zum Bekenntnis zur Freundschaft mit Frankreich die Zusammenarbeit mit den USA und mit Großbritannien in besonderer Weise gewürdigt wurde.

Wenn wir uns die Situation heute vergegenwärtigen, 55 Jahre später, dann müssen wir feststellen, dass die transatlantische Partnerschaft infrage gestellt ist und die Briten aus der EU austreten wollen. Deshalb ist es für mich umso klarer, dass das Grundlegende für uns die deutsch-französische Freundschaft ist als unser Motor für Europa.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin überzeugt, dass es uns heute umso leichter fällt, diesen Weg gemeinsam zu gehen, als in den letzten 55 Jahren dieses Projekt von einem Projekt der Staatsmänner und -frauen zu einem Projekt der Menschen wurde, zu einem Herzensanliegen der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und Frankreich mit 2 200 Partnerschaften, mit vielfältigen Austauschen, Verflechtungen und Freundschaften. Wir sind – Präsident de Rugy hat es vorhin gesagt; ich finde, man kann es nicht treffender ausdrücken – zu einer Familie zusammengewachsen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank für diese Worte, Herr de Rugy.

Ich finde, es ist eine große Besonderheit, dass wir heute eben nicht eine Feierstunde haben, in der ein französischer Gast spricht, sondern dass wir eine parlamentarische Debatte haben, in der der Präsident der französischen Assemblée zu Beginn gesprochen hat. Auch das ist Kennzeichen dieser Vertrautheit, dieser Besonderheit der deutsch-französischen Beziehungen. Dies wird später ergänzt werden durch die Rede unseres Bundestagspräsidenten in der Assemblée. Wir wollen es nicht bei diesem einmaligen Ereignis belassen, sondern wir bekennen uns in dieser Resolution dazu, dass wir bis zum nächsten Jahr ein deutsch-französisches Parlamentsabkommen auf den Weg bringen wollen – so etwas wie einen Élysée-Vertrag der Parlamente –, in dem wir uns versprechen und in dem wir vereinbaren, dass wir eine engste Zusammenarbeit pflegen, dass wir im besten Fall immer von vornherein europäisches Recht gemeinsam umsetzen, und in dem wir uns zusagen, einen ganz engen Austausch der Fachausschüsse, aller Gremien zu pflegen. Ich finde, auch das ist ein ganz entscheidender Fortschritt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dass es dann gelingen wird – voraussichtlich –, an einem solchen Tag eine Resolution zu verabschieden, die von neun Fraktionen getragen wird, von fünf Fraktionen in der Assemblée und von vier Fraktionen im Deutschen Bundestag, das ist, finde ich, ein ausgesprochen gutes Ergebnis.

Nun haben wir gehört, nicht alle Fraktionen in diesem Hause tragen diese Resolution mit. Es ist jeder Fraktion unbenommen, parlamentarische Initiativen zu unterstützen, eigene Initiativen auf den Weg zu bringen, so wie es die Linken mit ihrem Antrag machen, weil sie sagen, dass sie Dinge in Europa anders sehen, oder auch keine vorzulegen, wie es die AfD-Fraktion gemacht hat, die weder im Vorfeld noch heute eine parlamentarische Initiative vorgelegt hat. Das ist Ihr gutes Recht, aber dann beschweren Sie sich bitte nicht bei den anderen darüber, dass Sie nichts getan haben.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

In der Sache ist mir es wichtig zu betonen, Herr Dr. Gauland und Frau Dr. Weidel, dass wir, die wir diese Initiative unterstützen, unser Land ganz gewiss mindestens so sehr lieben, wie Sie es für sich in Anspruch nehmen. Aber wir teilen eine Überzeugung, nämlich dass die Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung eben nicht Nationalismus ist, nicht Protektionismus, auch nicht die Rückkehr zur D-Mark, Frau Dr. Weidel, sondern gemeinsame Initiativen und europäische Gemeinsamkeiten.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Auch nicht ­Zentralismus in Brüssel!)

– Ich möchte Sie daran erinnern, Herr Dr. Baumann, in dieser Debatte gab es bisher zwei Redner, die das Wort von einem europäischen Superstaat und von einem Bundesstaat der Vereinigten Staaten von Europa in den Mund genommen haben, und das sind die beiden Abgeordneten, die vor Ihnen sitzen. Uns geht es darum, Handlungsfähigkeit in Europa zu beweisen und Antworten auf drängende Fragen zu geben.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das tun wir besonders in dem Kapitel der Resolution, in dem wir uns für die Zusammenarbeit in den Grenzregionen aussprechen: Hürden abbauen, Europa erlebbar machen, Sprachen besser lernen, Menschen zusammenbringen, Betriebe, die grenzüberschreitend tätig sein können, und Arbeitssuchende, die ohne Hürden im anderen Land tätig werden können. Europa muss vor Ort erlebbar werden. Wir wollen konkrete Verbesserungen für die Menschen – auch beim Klimaschutz, für den wir Initiativen für Ladestationen für Elektroautos und grenzüberschreitende Energienetze starten wollen. Das alles wollen wir ganz konkret umsetzen.

Ich bedanke mich sehr für die Zusammenarbeit in der Parlamentariergruppe bei den Kollegen Post, Link, Franziska Brantner, Jürgen Hardt und allen Weiteren, die mitgewirkt haben. Herzlichen Dank! Wir werden weiter mit Leidenschaft für die deutsch-französische Freundschaft arbeiten.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)