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Andrea Lindholz: Unbefristete Grenzkontrollen sind europarechtlich unzulässig

Rede zur Forderung der Einführung sofortiger umsfassender Grenzkontrollen

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der AfD fordert in Ziffer 1 im Ergebnis unbefristete und flächendeckende Grenzkontrollen und in Ziffer 2 die Zurückweisung sämtlicher Asylbewerber an der deutschen Grenze. Weil dieses Thema ein hochsensibles Thema ist und weil viele von uns in ihren Wahlkreisen Kontakt zu Flüchtlingen und zu Helfern haben, möchte ich diese Stunde auch nutzen, um den vielen Ehrenamtlichen, die uns in der Krise unterstützt haben und noch unterstützen, Danke zu sagen und auch anzuerkennen, dass es viele Schutzsuchende gibt, die in Deutschland ehrlich um Arbeit und Integration bemüht sind.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Sie, Herr Gauland, werden im Jahr 2015 im „Spiegel“ zitiert:

Man kann diese Krise ein Geschenk für uns nennen ... Sie war sehr hilfreich.

Es ist nicht unsere Politik, Politik auf dem Rücken von Schutzsuchenden auszutragen; das ist ganz offensichtlich Ihre Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Forderungen in Ihrem Antrag, zu dem Sie eigentlich gar nichts Genaues, Konkretes gesagt haben, lösen mithin kein einziges Problem. Ihre Forderung nach einer faktischen Binnengrenzschließung liegt vollkommen neben der Sache. Es ist klar und unbestritten, dass Grenzkontrollen nach wie vor notwendig sind. Die Bundespolizei kontrolliert mit Unterstützung der bayerischen Polizei seit 2015 die deutsch-österreichische Grenze.

(Zuruf von der AfD: Wohnen Sie in Bayern?)

Mit der Schweiz haben wir eine enge Polizeikooperation vereinbart. Erst jetzt, im Oktober, hat der Bundesinnenminister die Durchführung der Kontrollen verlängert und auf Fluggäste aus Griechenland ausgeweitet. CDU und CSU wollen diese Grenzkontrollen so lange aufrechterhalten, bis der Schutz der EU-Außengrenzen gewährleistet ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In Bayern funktioniert im Übrigen auch die Schleierfahndung, die als ergänzendes Mittel – Armin Schuster hat es angesprochen – immer noch mit heranzuziehen ist.

In Ihrem Antrag dagegen ist die Rede von einem vollständigen und umfassenden Grenzschutz, der – Zitat – „durch geeignete Maßnahmen zu ermöglichen“ ist, „ggf. durch Auf- und Ausbau von Bereitschaftskräften“, ohne dass Sie näher darauf eingehen, um wie viele Stellen es sich dabei handeln soll. Wir haben bereits 7 500 neue Stellen beschlossen. Ihr Antrag verliert natürlich kein einziges Wort darüber, welche weiteren geeigneten Maßnahmen zur vollständigen Grenzschließung Sie eigentlich meinen. Aber das werden Sie uns ja vielleicht im weiteren parlamentarischen Verfahren ehrlich erklären; denn Sie haben es auch heute in Ihren Reden nicht dargelegt.

Wir wissen gleichzeitig, dass unser Wohlstand in Deutschland als Exportnation von der Grenzfreiheit im Schengen-Raum abhängt. Insofern ignoriert Ihr Antrag vollständig die Frage eines angemessenen Verhältnisses zwischen offenen Grenzen und Grenzkontrollen, also die Frage, was hier nötig und erforderlich ist.

Das Gleiche gilt für geltendes Europarecht, das Sie mal eben außer Kraft setzen wollen. Unbefristete Grenzkontrollen sind europarechtlich unzulässig.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Die jetzigen Kontrollen sind europarechtskonform ausgestaltet. Ich erwarte von uns, dass wir uns an Europarecht halten;

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

wir werden keine abweichenden Entscheidungen treffen.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Lindholz, darf ich Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage oder eine -bemerkung – –

Andrea Lindholz (CDU/CSU):

Sie können gerne am Ende eine Intervention machen, auf die ich gerne antworte. Aber ich werde jetzt erst weiterreden.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Sie wissen ja noch gar nicht, von wem. Aber das betrifft jeden?

Andrea Lindholz (CDU/CSU):

Genau.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Gut.

Andrea Lindholz (CDU/CSU):

Jetzt zur generellen Zurückweisung an der Grenze im Fall des unberechtigten Grenzübertrittes. Sie berufen sich auf zwei Gutachten – wobei ich mir die Frage stelle, ob Sie sie sich überhaupt durchgelesen haben –, nach denen jeder an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden kann, der sich auf das Asylrecht beruft. Das ist schlicht und ergreifend falsch und wird durch genau diese Gutachten nicht bestätigt. Ja, Zurückweisungen an der Grenze sind möglich, und sie werden auch vorgenommen. Aber nein, wenn jemand an der Grenze steht und „Asyl“ ruft, kann man nicht sagen, dass er definitiv und in keinem Fall ein Eintrittsrecht hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Ausnahmen gelten für Minderjährige, für Familienangehörige, für besondere Härtefälle.

Worauf die Gutachten auch eingehen und wozu Sie ebenfalls nichts aussagen, ist die Frage, ob wir innerhalb der Mitgliedstaaten berechtigt sind, zu sagen: Du kamst über die Grenze mit Österreich, und deswegen musst du definitiv nach Österreich zurückgehen. – Das ist nicht im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander geregelt, sondern hier greift Europarecht. Es geht an dieser Stelle unserem Recht vor. Insofern haben wir generell zu prüfen, wo das Asylverfahren durchzuführen ist.

Um diese Prüfung vorzunehmen, brauchen wir Mechanismen, und diese müssen anders aussehen. Wir brauchen Aufnahmezentren, so wie wir sie schon die ganze Zeit fordern, in denen wir jedes Verfahren prüfen und genau hinschauen können, ob jemand einen Asylanspruch hat, ob Deutschland oder ein anderes Land verpflichtet ist, das Verfahren zu überprüfen, wie es mit den Dokumenten aussieht, ob sie in Ordnung sind oder nicht. Wir müssen natürlich wissen, wer hier reinkommt, wer bei uns ist und wer vielleicht auch unser Land wieder verlassen muss. Deswegen brauchen wir auch einen vernünftigen Schutz der Außengrenzen; darin liegt zunächst einmal die Lösung. Aber das, was Sie mit Ihrer lapidaren Aussage in dem Antrag suggerieren, nämlich dass wir an der deutschen Grenze einfach sagen können: „Hier kommt keiner rein“, ist schlicht und ergreifend genauso falsch wie der Satz: Unser Asylrecht kennt keine Grenzen.

Nach Ihren vollmundigen Ankündigungen, auch im Wahlkampf, muss ich ehrlich sagen: Ihr Antrag wird diesen vollmundigen Ankündigungen in keiner Weise gerecht.

(Beifall des Abg. Benjamin Strasser [FDP])

Es ist kein lösungsorientierter Antrag. Er setzt sich mit rechtlichen Problemen überhaupt nicht auseinander, und mit der Frage der Humanität auch nicht. Aber Sie können uns natürlich sagen, Sie hätten gerne geschlossene Grenzen, man müsse zur Not Mauern und Zäune ziehen. Sagen Sie es ehrlich! Sie können doch sagen: Wir lassen hier niemanden rein, wir empfinden keine humanitäre Verpflichtung, irgendeinem Asylantrag nachzukommen. Das können Sie alles sagen, aber dann tun Sie es bitte auch. Schenken Sie den Menschen endlich reinen Wein ein! Stellen Sie keine Copy-and-paste-Anträge, nur auszugsweise aus irgendwelchen Gutachten herausgezogen, die mit der komplexen Angelegenheit Asyl und Anspruch auf Asyl nichts, aber auch gar nichts zu tun haben.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)