Skip to main content

Alexander Radwan: Wir können nicht sagen: Das geht uns nichts an

Rede in der Aktuellen Stunde zur Lage im Mittleren- und Nahen Osten

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt eine Aktuelle Stunde zur Lage im Nahen und Mittleren Osten. Wenn man sich heute die Tageszeitungen und andere Medien anschaut, dann sieht man, dass das Thema wirklich aktuell ist.

Zwei Berichte begleiten uns heute durch den Tag. Das sind einerseits die Rückkehr von Hariri in den Libanon und andererseits die Umarmung von Assad und Putin. Meine Damen und Herren, einen aktuelleren Anlass gibt es nicht, um sich mit dieser Thematik zu beschäftigen. Auch der Deutsche Bundestag muss sich damit auseinandersetzen und sich mit den Fragen beschäftigen, wie die Interessen Deutschlands in der Welt am besten zu vertreten sind und was unsere gemeinsamen Ziele sind.

Die USA sind seit längerer Zeit schon auf dem Rückzug aus dieser Region. Und in dieses Vakuum ist der bereits von mir genannte Putin, ist Russland, zu dem ja manche Gruppierungen auch in diesem Hause durchaus Kontakt suchen, gestoßen: in den Iran, nach Syrien, nach Ägypten und in den Libanon. Putin hat seine Einflusssphäre dorthin ausgedehnt. Vielleicht ist ja das die Alternative für Deutschland, dass Russland dort nämlich mehr Einfluss bekommt.

Die Regionalmächte sind in den letzten Jahren unkalkulierbarer geworden. Sie ziehen sich zurück von den Leuten, mit denen sie bisher in Kontakt waren. Sie instrumentalisieren bestimmte Gruppierungen in den betreffenden Ländern für ihre Interessen. Wir haben es im Jemen erlebt, und der Libanon, der bereits erwähnt wurde, ist dafür ein aktuelles Beispiel.

Der Libanon war bisher ein Staat, der sich im Hinblick auf den Konflikt in Syrien einigermaßen neutral verhalten hat. Er hat es geschafft, zwischen den verschiedenen Konfessionen – also Sunniten, Schiiten und Christen – ein ausgewogenes System herzustellen. Aber der Libanon wird zurzeit für Machtspiele instrumentalisiert. Wenn dieses Land kippt, wenn dieses Gleichgewicht nicht mehr besteht, dann entsteht dort ein neues und zusätzliches Pulverfass. Davon können wir uns in Deutschland und in Europa nicht distanzieren, indem wir sagen: Das geht uns nichts an. – Natürlich werden wir die Auswirkungen dieses Konfliktes auch hier spüren.

Darum ist es dringend notwendig, dass wir uns einbringen. Zu suggerieren, wie es in einem der Redebeiträge der Fall war, dass wir in der Welt nichts richten könnten und dass uns das, was in der Welt passiert, nicht tangiert nach dem Motto „Wenn es in der Nachbarschaft von Europa brennt, werden wir das schon hinkriegen; es wird sich auf uns nicht auswirken“, ist falsch. Das ist ein Ansatz, der den Interessen Deutschlands in der Welt und in Europa nicht gerecht wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Darum ist es dringend notwendig, im Libanon schnellstmöglich für Stabilität zu sorgen, damit dieses Land nicht kippt. Man muss alle diplomatischen Möglichkeiten ausnutzen. Es wurden schon der Iran und Saudi-Arabien genannt. Da möchte ich dem ersten Redner in dieser Debatte, Norbert Röttgen, ausdrücklich zustimmen, dass wir mit allen im kritischen Dialog bleiben sollten. Aufgrund der einen oder anderen Formulierung in den verschiedenen Abkommen kann der Eindruck aufkommen, dass – ich spitze es einmal zu – die eine Seite die „bad guys“ und die andere Seite die „good guys“ sind. Nein, so ist es nicht. Diese beiden Gruppierungen im Nahen Osten – über die Türkei wurde noch gar nicht geredet – tragen eine große Verantwortung für das Chaos, das dort entstanden ist.

Wir müssen schauen, dass wir in dieser Region Bündnispartner finden. Historisch gesehen kann ein Staat wie Ägypten ein Bündnispartner sein. Dieses Land kann uns helfen, zwischen den verschiedenen Gruppierungen zu vermitteln. Die Initiative von Macron und von Deutschland sollte dazu führen, dass wir Europäer in dieser Region mit einer Stimme sprechen und unsere Interessen gemeinsam vertreten.

Das ist mein letzter Appell: In der Diskussion um diese Region nur zu sagen: „Da ist etwas schiefgelaufen. Wir können es nicht beeinflussen. Die Welt wird es dann schon von selber richten“, das ist das Fatale. Wir müssen diese Region mit ihren Menschen, die dort sind und die hierherkommen, verstehen, um mit ihnen gemeinsam nach Lösungen zu suchen und sie zu finden.

Besten Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)