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Alexander Hoffmann: Wir haben es uns bei den Beratungen zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz nicht leicht gemacht

Rede zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! An Sie von der AfD: Ich fand Ihre Standing Ovations bei der ersten Rede durchaus beeindruckend. Es hat mich beeindruckt, zu sehen, mit was für einem dünnen Sachvortrag man bei Ihnen Begeisterungsstürme auslösen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, dass ich für das ganze Haus spreche, wenn ich sage, dass wir es uns im Sommer 2017 bei den Beratungen zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz beileibe nicht leicht gemacht haben. Gleich die allererste Frage, die wir aufgeworfen haben, war: Gibt es in diesem Bereich Regelungsbedarf? Wir waren uns fraktionsübergreifend einig, dass es uns am liebsten gewesen wäre, wenn diese Regelungen von den Unternehmen, von den Plattformanbietern selbst vorgenommen worden wären.

Wir alle waren uns darüber einig, dass es – und das macht das Thema so wahnsinnig schwierig – am Ende um das Auflösen eines Spannungsverhältnisses geht: Auf der einen Seite steht das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, und auf der anderen Seite stehen andere Grundrechte wie zum Beispiel das Grundrecht auf Persönlichkeitsschutz.

Mit Ihrem Entwurf geben Sie heute zu erkennen: Es gibt keinen Regelungsbedarf. Wenn man aber ins Netz schaut, stellt man fest, dass man das auch anders beurteilen kann. – Herr Präsident, Sie gestatten, dass ich dazu einen Dialog zum Besten gebe, wie man ihn auf Facebook findet. – Da schreibt jemand über eine Person des öffentlichen Lebens in Deutschland – ich zitiere –: Warum wird dieses Biest nicht gesteinigt? So eine hat doch null Charakter. Für Geld und Macht verkauft die sich doch zur Not auch selbst. – Ein anderer schreibt: Kann der Alten nicht irgendjemand in den Kopf schießen?

Diese Beispiele zeigen sehr deutlich, dass Ihr Entwurf mit drei Denkfehlern behaftet ist.

Erstens. Aussagen dieser Art sind nicht vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung umfasst,

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alice Weidel [AfD]: Aber das sind Straftaten! Es ist strafbar! Unfassbar! Strafrecht!)

weil dieses Grundrecht eben nicht schrankenlos gewährt ist, sondern es an der Stelle beschränkt wird, wo es Grundrechte anderer tangiert, wie hier das Grundrecht auf Persönlichkeit.

Der zweite Denkfehler ist, dass es keine Regulierung durch Facebook und Co gibt, die wir uns sehr wohl gewünscht hätten. Beide Kommentare wurden an Facebook gemeldet. Ich kann Ihnen die Antwort von Facebook vorlesen. Sie lautet:

Wir haben den von dir im Hinblick auf Verherrlichung drastischer Gewalt gemeldeten Kommentar geprüft und festgestellt, dass er nicht gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstößt.

Damit bin ich beim dritten Denkfehler. Bereits heute – es ist schon angeklungen – reguliert und zensiert Facebook nach Maßstäben, die wir nicht kennen, die nicht transparent sind und die in ihren Gemeinschaftsstandards versteckt sind.

Ich habe von Ihnen noch an keiner Stelle irgendein kritisches Wort dazu gehört oder dass Sie gesagt haben: Das müssen wir jetzt unterbinden.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Frohnmaier, AfD?

Alexander Hoffmann (CDU/CSU):

Ja, aber mit ganz großem Vergnügen.

(Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Dreifache Redezeit!)

Markus Frohnmaier (AfD):

Herr Kollege, machen Sie das eigentlich mit Absicht? Immer wieder wird hier wiederholt, dass die AfD rechtsfreie Räume im Internet will. Das stimmt doch gar nicht. Hätten Sie uns zugehört, dann wäre Ihnen klar geworden, dass wir einfach nur sagen, dass so etwas in Gerichte gehört und nicht an private Unternehmen übertragen werden soll. Das, was Sie hier gerade machen, sind doch Live Fake News.

(Beifall bei der AfD – Zurufe von der SPD)

Alexander Hoffmann (CDU/CSU):

Sie geben mir schon das Stichwort „Fake News“. Dazu wollte ich gleich etwas sagen. Aber jetzt ganz kurz zu Ihnen: Es ist ein Unterschied, ob eine Aussage, die justiziabel ist, in einem Zwiegespräch gemacht wird oder ob diese Aussage oder sogar Bilder ins Netz gestellt werden, wo sie sofort um die ganze Welt eilen.

Es gibt ein Beispiel von einer 15-Jährigen, die auf einer Party vergewaltigt worden ist. Das Video ist ins Internet gestellt worden und hat sich über die ganze Welt verteilt. Das Mädchen hat nie wieder einen Fuß auf den Boden bekommen, wurde drogenabhängig und hat sich irgendwann das Leben genommen.

Es gibt ein weiteres Beispiel von einem Mädchen, das mit zwölf Jahren Opfer von Cybergrooming geworden ist, das heißt, sie hat sich dazu verleiten lassen, einem fremden Mann Nacktbilder von sich zu schicken. Auch diese Bilder standen dann im Netz. Damit ist sie erpresst worden.

(Zurufe von der AfD – Gegenruf von der SPD: Ruhe!)

Drei Jahre später, nach Drogenabhängigkeit, hat sich dieses Mädchen das Leben genommen.

Ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen, aber das zeigt sehr schön den Unterschied.

(Zuruf von der AfD: Beantworten Sie die Frage!)

– Das ist doch genau die Antwort. – Es ist wichtig, zu sehen, dass eine Äußerung im Internet, ein Bild, das ins Internet gestellt wird, von den Auswirkungen und von den Dimensionen her eine ganz andere Größenordnung hat als eine Äußerung in einem Zwiegespräch.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Am Ende wischen Sie das alles – das, was ich zitiert habe, die beiden Beispielsfälle, die ich gebracht habe – weg, und das aus einem einzigen Grund: weil das die Mittel Ihrer politischen Arbeit sind. Sie arbeiten mit Fake News, Sie arbeiten mit alternativen Fakten, und Sie arbeiten mit Agitationen,

(Widerspruch bei der AfD)

wo es nur um eines geht: die Ängste der Menschen in unserem Land zu schüren.

Dieser Agitation steht dieses Gesetz im Weg, und das ist auch gut so.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)