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Alexander Hoffmann: "Dass Fehler passieren, will niemand wegdiskutieren"

Rede zur Stärkung des Parlaments in epidemischen Lagen

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir drei Anmerkungen zum Gesetzentwurf der FDP:

Zunächst einmal – das ist die erste Anmerkung – erwecken Sie wiederholt den Eindruck, dass dieses Parlament im Rahmen der Pandemiebekämpfung nicht ausreichend beteiligt ist.

(Stephan Brandner [AfD]: Das stimmt!)

Das ist nicht richtig. Sie verschweigen nämlich – auch heute wieder – beflissentlich, dass über Corona in diesem Parlament – exklusiv über Corona – mehr als über hundertmal debattiert worden ist. Sie verschweigen, dass der Bundesgesundheitsminister, der auch heute bei der Debatte anwesend ist,

(Stephan Brandner [AfD]: Er geht gerade!)

in fast jeder Sitzung des Gesundheitsausschusses Rede und Antwort steht, und zwar allen Fraktionen.

(Stephan Brandner [AfD]: Jetzt ist der Minister weg!)

Und Sie verschweigen, dass das Bundesgesundheitsministerium allein bis zum 21. Januar dieses Jahres 103 Anfragen von Abgeordneten dieses Hauses bekommen und beantwortet hat. Unter Juristen, Kollege Buschmann, gestatte ich mir auch mal den lockeren Hinweis, dass es seit der Pandemie Hunderte Anträge auf gerichtliche Entscheidung im ganzen Land gab, und nicht einem einzigen dieser Anträge mit der Begründung stattgegeben wurde, dass dieser Deutsche Bundestag nicht ausreichend beteiligt gewesen ist.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Dann kennen Sie die Rechtsprechung aber nicht!)

Ich möchte zur zweiten Anmerkung kommen. Sie suggerieren, dass der Bundestag für die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung zuständig ist. Ihr Parteivorsitzender Christian Lindner ist ein Spezialist darin. Mit betretener Miene tritt er vor die Kameras und ist besorgt über die parlamentarische Demokratie.

(Stephan Brandner [AfD]: Lindner nicht da! Spahn nicht da! Keiner da!)

Fakt ist, dass das, was er da sagt, meine Damen, meine Herren, mit der Realität und der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung nach unserem Grundgesetz überhaupt nichts zu tun hat.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Warum agiert dann die Bundesregierung?)

– Hören Sie mir zu! Sie haben vorhin selbst von Gewaltenteilung gesprochen.

Unser Staat wird getragen vom Grundsatz der Gewaltenteilung als wesentliches Staatsprinzip. Die Gewaltenteilung besteht aus drei Gewalten: die gesetzgebende Gewalt, die ausführende Gewalt und die rechtsprechende Gewalt. Das, was jetzt kommt, ist wirklich kein staatsrechtliches Hochreck,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Erstes Semester!)

sondern Wikipedia.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Oder so!)

Gesetzgebende Gewalt sind die Landtage und der Bundestag. Ausführende Gewalt – so steht es sogar in Wikipedia – sind die Regierungen und die Verwaltungen. Und die rechtsprechende Gewalt sind die Gerichte. Dennoch erwecken Sie immer wieder den Eindruck, dass, wenn die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin zusammensitzen, etwas verfassungsrechtlich furchtbar Unanständiges passiert. Ich will Ihnen sagen, was da passiert: Da sitzen die zusammen, die nach unserer Verfassung zuständig sind für diese Maßnahmen der Exekutive;

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist es!)

denn die Ministerpräsidenten stehen den Exekutivorganen der Länder vor. Wenn es um Gesetze geht, ist der Bundestag gefragt und sind auch die Landtage gefragt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zusammenfassend muss man also sagen, dass das, was Sie uns heute vorgelegt haben, insoweit hanebüchen ist, weil es in eklatanter Art und Weise gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstößt. Sie fordern hier eine Zustimmung. Deswegen ist das, was Sie uns heute vorlegen, juristisch völlig wertlos.

Damit möchte ich zu meiner dritten Anmerkung kommen. Ich sage Ihnen von der FDP: Sie fahren einen gefährlichen Kurs, weil Sie ganz bewusst versuchen, bei den Menschen falsche Eindrücke zu erwecken.

(Stephan Brandner [AfD]: Genau!)

Das tun Sie letztendlich, um Wählerstimmen abzubekommen. Dazu sind Sie bereit – das ist es, was ich Ihnen persönlich vorwerfe –, eine Spaltung der Bevölkerung in Kauf zu nehmen.

Ihr Parteivorsitzender Christian Lindner tritt in diesen Tagen vor die Kamera und spricht im Zusammenhang mit den Problemen beim Impfen von einem vorsätzlichen Versagen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Unfassbar!)

Dass da Fehler passieren, will niemand wegdiskutieren. Hier aber zu behaupten, dass Menschen diese Fehler wissentlich und willentlich machen, ist unanständig!

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Bundestagsvizepräsident Kubicki forderte die Menschen Anfang November letzten Jahres, als es um den Lockdown light ging, auf, gegen die Maßnahmen der Bundesregierung zu klagen.

(Stephan Brandner [AfD]: Blanker Populismus!)

– Ausnahmsweise mal richtig. -

(Stephan Brandner [AfD]: Sehen Sie mal!)

Gegen den Freistaat Bayern gab es über 500 Verfahren, keine zehn davon haben zum Erfolg geführt. Und das Problem an dieser Aussage ist: Er suggeriert damit, Corona sei nicht so schlimm, zumindest nicht so schlimm wie die Freiheitsbeschränkungen.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Das ist Populismus!)

Wir haben mittlerweile über 50 000 Tote im Land, weil es in der Bevölkerung tragischerweise zum Teil tatsächlich die Stimmungslage gibt, Corona sei nicht so schlimm. Deswegen sage ich Ihnen: Mit einer solchen Aussage wird er seiner Rolle als Bundestagsvizepräsident nicht gerecht.

(Stephan Brandner [AfD]: Völlig richtig! Kubicki, Jens Spahn – alle weg!)

Auch das müssen Sie sich an einem solchen Tag wie heute mal sagen lassen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)